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Hochschulabsolvent bekam auf diese Weise bald Lincolnsche Qualitäten, mit einem Schuß John Brown. Und schon war er auf dem besten Weg, ein Rechtsexperte zu werden. Er blieb vorerst an der Universität, qualifizierte sich weiter und weiter, bis der schiere Umfang seines Expertenwissens auf bestimmten Gebieten so unbestreitbar war, daß er von eben jenen Finnen um Rat gebeten wurde, die ihn früher zurückgewiesen hätten.

Diese Strategie kostete beinahe zehn Jahre, bevor sie konkrete Ergebnisse zeitigte. Juristische Zeitschriften, erst kleinere, dann bedeutendere, veröffentlichten seine Artikel sowohl wegen ihres Stils als auch wegen ihres Inhalts, denn der junge Außerordentliche Professor hatte eine verführerische Art zu schreiben, glatt und geheimnisvoll zugleich, zuweilen blumig und sarkastisch. Im Grunde aber waren es die Auffassungen, die sich allmählich in ihm herausbildeten, von denen die Finanzwelt angezogen wurde. Die Stimmung im Lande veränderte sich, der Firniß der barmherzigen Great Society begann abzuplatzen, die Wunden breiteten sich aus. Die von den Nixon-Boys geprägten Schlagworte der» Schweigenden Mehrheit «und» Wohlfahrtsempfänger «machten sich immer mehr breit und mit ihnen die Diskriminierung. Niederträchtigkeit schoß überall aus dem Boden, die nicht einmal der empfindsame, anständige Ford stoppen konnte, geschwächt, wie er war, durch Watergate. Auch Carter vermochte nicht mit ihr fertig zu werden, weil er vom Alltag seiner altruistischen Führung aufgefressen wurde. Der Satz:»Was du für dein Land tun kannst«, kam aus der Mode und wurde ersetzt durch:»Was ich für mich tun kann.«

Dr. Randolph Gates fand eine hohe Welle, auf der er reiten konnte. Er hatte eine einschmeichelnde Rednerstimme und ein allmählich immer herberes Vokabular, um der aufziehenden neuen Ära gerecht zu werden. Seiner nunmehr verfeinerten — wissenschaftlichen — Auffassung nach, war größer gleich besser und mehr besser als weniger — rechtlich, ökonomisch und sozial. Die Gesetze, die den Wettbewerb auf dem Markt stärkten, griffer als hinderlich für den weiteren Ausbau industriellen Wachstums an. Wachstum allein, so verkündete er, sei Wohltat für jedermann — na ja, praktisch für jedermann. Es war schließlich eine darwinistische Welt, und — ob man nun wollte oder nicht — es war immer nur der Tüchtigste, der überleben würde. Pauken und Trompeten ertönten, und die Finanzexperten fanden einen Genossen, einen Rechtsgelehrten, der ihren Träumen und Taten, ihren Kartellbildungen und profitablen Manipulationen offizielles Ansehen verlieh: aufkaufen, übernehmen, verkaufen, alles zum Wohle» aller«- natürlich.

Randolph Gates wurde eingeladen, und eilfertig rannte er in ihre Arme. Einen Gerichtssaal nach dem anderen verblüffte er mit seinen eloquenten Gedankensprüngen. Er hatte es geschafft, aber Edith Gates war nicht sicher, was das letztlich zu bedeuten hatte. Sie hatte ein angenehmes, bequemes Leben für sie beide im Auge gehabt, natürlich, aber nicht Millionen, auch nicht die Privatjets, die in der ganzen Welt herumflogen, von Palm Springs bis in den Süden Frankreichs. Es war ihr unwohl dabei, wenn die Artikel und die Vorlesungen ihres Mannes benutzt wurden, um Dinge gleichzusetzen, die nicht zu vergleichen waren oder die ihr sogar unfair erschienen: Er wischte ihre Argumente jedoch stets beiseite und behauptete, daß die fraglichen Fälle legitime intellektuelle Parallelen enthielten. Obendrein hatten sie seit über sechs Jahren kein Bett mehr geteilt.

Sie kam in sein Arbeitszimmer und hielt abrupt inne, da er nach Luft rang. Er drehte den Kopf mit glasigen und alarmierten Augen zu ihr herum.

«Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«

«Du klopfst doch sonst immer. Du weißt, wie es ist, wenn ich mich konzentriere.«

«Ich sagte, es tut mir leid. Mir ist etwas im Kopf herumgegangen, und so habe ich nicht weiter nachgedacht.«

«Das ist ein Widerspruch.«

«Nicht an das Klopfen gedacht, meine ich.«

«Was geht dir durch den Kopf«, fragte der berühmte Rechtsanwalt, als bezweifle er, daß seine Frau überhaupt einen hatte.

«Nimm mich bitte nicht auf den Arm.«»Was ist denn, Edith?«»Wo warst du letzte Nacht?«Gates zog seine Brauen in spöttischer Verwunderung hoch.

«Mein Gott, bist du argwöhnisch? Ich hab dir doch gesagt, wo ich war. Im Ritz. Zu einer Besprechung mit jemandem, den ich vor vielen Jahren einmal gekannt habe. Genauer gesagt, war es jemand, den ich nicht in meinem Haus haben wollte. Wenn du einen Beweis brauchst — in deinem Alter! — , dann ruf das Ritz an.«

Edith Gates schwieg für einen Moment. Sie sah einfach nur ihren Mann an.»Mein Liebster«, sagte sie,»ich scheiße drauf, ob du einen Treff mit der geilsten Nutte vom Nobelstrich hast. Allerdings müßte ihr jemand hinterher ein paar Drinks spendieren, um ihr Selbstvertrauen wiederherzustellen.«

«Nicht schlecht, alte Schlampe.«»Schließlich bist du nicht gerade ein Hengst, du Bastard.«

«Hat dieses Gespräch einen besonderen Sinn?«»Ich denke schon. Vor einer Stunde, kurz bevor du aus dem Büro nach Hause kamst, war ein Mann an der Tür. Denise putzte gerade das Silber, also ging ich öffnen. Ich muß sagen, er sah beeindruckend aus. Er war außerordentlich teuer gekleidet und fuhr einen schwarzen Porsche…«

«Und?«unterbrach Gates, sich in seinem Sessel vorbeugend und die Augen plötzlich weit geöffnet und hart.

«Er sagte, ich solle dir sagen, daß le grand professeur ihm zwanzigtausend Dollar schulde und nicht dort war, wo er vergangene Nacht hätte sein sollen… Ich nehme an, er meinte das Ritz.«

«Nein, nein… Oh, verdammt, er versteht nicht. Was hast du ihm gesagt?«»Mir gefiel weder seine Sprache noch seine Haltung. Ich sagte ihm, ich hätte nicht die leiseste Ahnung, wo du wärst. Er wußte, ich lüge, aber konnte ja wohl kaum was dagegen tun.«

«Gut. Lügen, das kennt er.«

«Ich kann mir nicht vorstellen, daß zwanzigtausend für dich so ein Problem sind… «

«Es ist nicht das Geld, es ist die Art der Bezahlung.«

«Wofür?«

«Für nichts.«

«Ich glaube, so was nennst du einen Widerspruch, Randy.«

«Halt's Maul!«

Das Telefon läutete. Gates sprang aus dem Sessel hoch und starrte zum Tisch hin. Er machte keine Anstalten, den Hörer aufzunehmen. Statt dessen sagte er mit kehliger Stimme:»Wer immer es ist, sag ihm, ich bin nicht hier… ich bin weg, nicht in der Stadt — du weißt nicht, wann ich zurück sein werde.«

Edith ging zum Telefon.»Das ist deine Privatnummer«, sagte sie, als sie den Hörer hochnahm.»Das Anwesen von Gates«, begann Edith — ein Spaß, den sie seit Jahren machte. Ihre Freunde wußten, daß sie sich so meldete, und die anderen zählten für sie sowieso nicht.»Ja… Ja? Tut mir leid, er ist nicht da, und wir wissen nicht, wann er zurück sein wird. «Sie betrachtete kurz das Telefon und legte dann auf. Sie drehte sich zu ihrem Mann um.»Das war Paris… Seltsam. Jemand fragte nach dir, aber als ich sagte, du wärst nicht da, fragte er nicht einmal, wo man dich erreichen könnte. Einfach aufgelegt — ganz abrupt.«

«Oh, mein Gott!«schrie Gates, sichtlich erschüttert.»Es ist irgend etwas passiert… irgend etwas ist schiefgegangen, irgend jemand hat gelogen!«

Mit diesen rätselhaften Worten drehte sich der Rechtsanwalt auf dem Absatz um, lief quer durch den Raum und wühlte in seiner Hosentasche. Er ging zu dem Teil der Bücherwand, wo etwa in Brusthöhe ein safeähnliches Schränkchen mit einer geschnitzten Holztür eingelassen war. Wie in Panik drehte er sich um und schrie seine Frau an:»Mach, daß du rauskommst. Raus hier, raus!«