Das kugelsichere Fahrzeug hielt auf dem schmalen Pfad etwa in der Mitte zwischen den beiden Toren. Es stand im Schatten der Büsche. Borowski stellte sein Fernglas ein. Der schwarze Dobermann war offenbar ein bevorzugter Hund. Der Fahrer öffnete die rechte Klappe, der Hund sprang hoch und legte die Pfoten auf den Sitz. Der Mann warf Kekse oder Fleischstücke in das weit geöffnete Maul und kraulte das Tier dann am Hals.
Borowski wußte, daß er nur Sekunden hatte, um seine noch ungenaue Strategie zu ordnen. Er mußte den Wagen zum Halten bringen und den Fahrer herauszwingen, aber ohne ihn zu alarmieren, ohne ihm irgendeinen Grund zu liefern, sein Funkgerät zu benutzen und um Hilfe zu rufen. Der Hund? Wenn er auf der Straße lag? Nein, der Fahrer konnte annehmen, daß er von der anderen Seite des Zauns erschossen worden war, und womöglich das Haus alarmieren. Was konnte er tun? Er sah sich in der Dunkelheit um. Seine Angst nahm zu. Dann hatte er eine Idee.
Die große Ausdehnung des kurzgeschnittenen Rasens, die exakt beschnittenen Büsche, die gefegte Auffahrt — auf dem Grundstück des Generals herrschte Ordnung. Jason konnte beinahe hören, wie Swayne seine Leute zur Säuberung des Geländes abkommandierte. Borowski schielte zum Wagen hinüber. Der Fahrer schubste den Dobermann spielerisch zur
Seite und wollte die Klappe wieder schließen. Nur noch Sekunden! Was? Wie?
Er sah den Umriß eines Astes auf dem Boden — ein halbverrottetes Stück von einer Pinie. Schnell schlich er hin und zerrte ihn zur Straße. Den Ast quer über die Straße zu legen, hätte zu sehr nach einer Falle ausgesehen, aber so am Rand, das würde nichts tun, als die Ordnung stören, das sauberkeitsgewohnte Auge beleidigen. Das war etwas, das man am besten gleich erledigte, bevor der General sich darüber aufregen konnte… Die Männer auf Swaynes Besitz waren entweder Soldaten oder Ex-Soldaten, in jedem Fall Leute, die militärischer Disziplin unterlagen. Sie würden sicher vermeiden wollen, den General zu verärgern. Um so besser für Jason. Er packte den Ast an einem Ende und schob ihn etwa eineinhalb Meter auf die Fahrbahn. Er hörte, wie der Wagenverschlag geschlossen wurde und sich das Fahrzeug in Bewegung setzte. Es wurde schneller, und Borowski sprang zurück in den Schatten.
Jetzt bog der Fahrer unten in die Auffahrt ein. So schnell, wie er beschleunigt hatte, verringerte er plötzlich die Fahrt. Sein Strahler hatte das Hindernis erfaßt, das auf die Straße ragte. Vorsichtig näherte er sich ihm, mit geringer Geschwindigkeit, als wäre er sich nicht sicher, was das sein könnte. Als er offensichtlich erkannt hatte, was es war, fuhr er wieder schneller. Angekommen, öffnete er, ohne zu zögern, die Tür. Der Plexiglasschild klappte nach vorn, der Fahrer stieg aus und ging um das Fahrzeug herum.
«Rex, du Kanaille«, sagte der Fahrer in halblautem Südstaatendialekt.»Was hast du schon wieder rangeschleppt, du blödes Vieh? Wenn unser hochdekorierter Arsch sieht, daß du ihm sein Grundstück versaust, zieht er dir das Fell über die Ohren…. Rex? Rex, komm her, du verfluchter Köter!«Der Mann packte den Ast und zerrte ihn von der Straße.»Rex? Hörst du mich? Du geiles Mistvieh?«
«Bleib vollkommen ruhig und streck deine Arme nach vorne«, sagte Jason Borowski und trat ins Licht.
«Verdammte Scheiße! Wer bist du?«
«Jemand, dem es scheißegal ist, ob du lebst oder stirbst«, antwortete der Eindringling in aller Ruhe.
«Okay, okay, Sie haben 'ne Knarre.«
«Und die ist im Gegensatz zu deiner in meiner Hand und zielt auf deinen Kopf.«
«Der Hund! Wo, zum Teufel, ist der Hund?«
«Unpäßlich.«
«Was?«
«Sieht so aus, als wäre er ein sehr guter Hund. Wie sich ihn ein Trainer nur wünschen kann. Mach dem Hund keinen Vorwurf.«
«Was reden Sie da?«
«Ich glaube, im Endeffekt lege ich lieber den Menschen um als das Tier, ist das klar?«
«Nichts ist klar! Ich weiß nur, daß der Mann, den Sie vor sich haben, nicht umgelegt werden will.«
«Dann laß uns miteinander reden, ja?«
«Worte habe ich genug, aber nur ein Leben, Mister.«
«Nimm deinen rechten Arm runter und hol deine Knarre aus dem Halfter.«
Der Wächter tat, wie ihm geheißen, und hielt die Waffe mit Daumen und Zeigefinger.»Wirf sie zu mir rüber. «Der Mann gehorchte, und Borowski fing sie auf.
«Was hat das alles zu bedeuten«, rief der Wächter.
«Ich brauche Informationen. Deswegen bin ich hier.«
«Ich sag alles, was ich weiß, wenn Sie mich hier nur wieder rauslassen. Ich will nichts mehr damit zu tun haben! Ich dachte mir schon, daß es eines Tages so kommen würde. Ich hab's
Barbie Jo gesagt, fragen Sie sie nur! Ich hab ihr gesagt, daß eines Tages Leute kommen und Fragen stellen werden. Aber nicht so, nicht auf diese Weise! Nicht mit einer Knarre, die mir auf den Kopf zielt.«
«Ich nehme an, Barbie Jo ist deine Frau?«
«Sozusagen.«
«Dann fangen wir doch gleich damit an, warum >Leute< herkommen sollten. Meine Vorgesetzten wollen das wissen. Mach dir keine Sorgen, du wirst da nicht mit reingezogen. Kein Mensch ist an dir interessiert. Du bist nur ein Wächter.«
«Nichts anderes, Mister!«sagte der erschrockene Mann.
«Warum hast du Barbie Jo das gesagt? Daß Leute eines Tages kommen und Fragen stellen würden?«
«Teufel, ich bin mir nicht sicher… So viele verrückte Dinge, verstehen Sie?«
«Nein, keine Ahnung. Was zum Beispiel?«»Nun ja, wie dieser litzenbehängte Schreihals, der General. Er ist doch ein hohes Tier, nicht? Er hat Pentagon-Autos und Fahrer, und sogar Helikopter kommen her, wann immer er will. Nicht wahr? Ihm gehört das alles hier doch, nicht wahr?«
«Und?«
«Und dann dieser dicke Mops von einem Sergeanten ein lausiger Sergeant —, kommandiert herum, als wäre er nicht ganz dicht. Verstehn Sie, was ich meine? Und diese Frau vom General mit den dicken Titten, die treibt’s mit dem Riesenmops und pfeift darauf, wer's erfährt. Es ist alles so verrückt, verstehn Sie, was ich meine?«
«Ich sehe da nur einen Sauladen, aber das geht niemanden was an. Warum sollten Leute kommen und Fragen stellen?«
«Warum sind Sie denn hier, Mann? Sie dachten, daß heute abend ein Meeting stattfindet, oder?«
«Ein Meeting?«»Mit riesigen Limousinen mit Chauffeur und reichlich hohen Tieren, nicht? Haben Sie leider die falsche Nacht erwischt. Die Hunde sind draußen, und sie werden nie herausgelassen, wenn ein Meeting stattfindet.«
Borowski ging auf den Wächter zu.»Wir sprechen im Wagen weiter«, befahl er.»Ich setze mich rein, und du tust exakt, was ich sage.«
«Sie haben versprochen, daß ich hier rauskomme!«
«Kannst du und wirst du auch. Du und der andere Bursche, der die Runden macht. Die Tore, haben die Alarmanlagen?«
«Nicht, wenn die Hunde frei herumlaufen. Wenn sie etwas auf der Straße sehen, was sie irritiert, springen sie dran hoch und schon würde der Alarm losgehen.«
«Wo ist der Schalter?«
«Es gibt zwei. Einen drüben beim Sergeanten und den anderen in der Eingangshalle des Hauses. Solange die Tore geschlossen sind, kann man sie einschalten.«
«Dann los.«
«Wohin fahren wir?«
«Ich will jeden einzelnen Hund auf dem Gelände sehen. «Einundzwanzig Minuten später waren die übrigen fünf Kampfhunde in ihre Zwinger gebracht und eingeschläfert. Borowski öffnete das Eingangstor und ließ die beiden Wächter hinaus. Jedem hatte er dreihundert Dollar gegeben.