«Wie können Sie es wagen…?«
«Ach, kommen Sie, Rachel. Versuchen Sie nicht das >Wie können Sie es wagen<-Stück, das funktioniert nicht. Wollen Sie mit Ihrem näselnden Akzent vielleicht auf königlichen Befehl meinen Kopf abhacken lassen?«
«Lassen Sie sie in Ruhe!«schrie Flannagan, der neben Mrs. Swayne stand.»Sie haben zwar das Eisen, aber das ist nicht notwendig… Sie ist eine gute Frau, eine verdammt gute Frau, und sie wurde von jedem miesen Spieler in dieser Stadt angemacht.«
«Wieso denn das? Sie war die Frau des Generals, die Herrin dieses Landgutes, oder nicht? Ist es nicht so?«
«Sie wurde benutzt…«
«Benutzt — und ausgelacht. Ich wurde immer ausgelacht, Mr. Delta!«weinte Rachel Swayne und griff nach den Stuhllehnen.»Wenn sie mich nicht angeilten oder freche Sprüche machten! Wie würde es Ihnen gefallen, besonderen Gästen, sehr besonderen Gästen, wie ein Stück Fleisch zum Dessert gereicht zu werden, wenn das Dinner vorbei ist?«
«Ich glaube nicht, daß mir das gefiele. Ich würde mich weigern.«
«Ich konnte nicht! Er zwang mich dazu!«
«Niemand kann irgend jemanden zu so etwas zwingen.«
«Natürlich kann man, Mr. Delta«, sagte die Frau des Generals und beugte sich vor, und ihre großen Brüste sprengten fast ihre dünne Bluse. Ihr langes Haar verdunkelte teilweise die weichen Züge ihres alternden, aber immer noch sinnlichen Gesichts.»Man kann alles machen mit einem Gör ohne Schulabschluß aus dem Kohlenrevier von West-Virginia, wo eine Mine nach der anderen dichtgemacht wurde und niemand mehr was zu fressen hatte — Entschuldigung, zu essen, meine ich. Du schnappst deine Sachen und haust ab, und genau das habe ich getan. Ich vögelte mich von Aliquippa bis Hawaii durch, aber wenigstens kam ich an. Und ich lernte einen Beruf. Dort traf ich dann Big Boy, und ich heiratete ihn, aber vom ersten Tag an wußte ich, daß ich mir keine Illusionen zu machen brauchte. Besonders, als er aus Vietnam zurückkam, verstehen Sie, was ich meine?«
«Ich bin mir nicht sicher, Rachel.«
«Du mußt ihm überhaupt nichts erklären, Kind!«brüllte Flannagan.
«Ich will aber, Eddie! Ich hab's satt, die ganze Scheiße, klar?«
«Nimm dich in acht.«
«Es ist ja so, daß ich nichts weiß, Mr. Delta. Aber ich kann mir was zusammenreimen, verstehen Sie?«
«Hör auf, Rachel!«schrie Flannagan.
«Leck mich, Eddie! So toll bist du nun auch wieder nicht. Dieser Mr. Delta könnte der Ausweg sein… Also, wo war ich stehengeblieben? Die Insel, richtig?«
«Ganz richtig, Mrs. Swayne.«
«Sie wissen, was das hier ist?«
«Schnauze!«bellte Flannagan und stürzte unbeholfen vor. Doch ein ohrenbetäubendes Krachen aus Borowskis Revolver hielt ihn auf. Die Kugel ging in den Boden, zwischen die Füße des Sergeanten.
Die Frau schrie. Als sie wieder aufgehört hatte, fuhr Jason fort:»Also, was ist das hier, Mrs. Swayne?«
«Sei still«, unterbrach der Sergeant, diesmal aber eher flehend. Er sah die Frau an und dann wieder Jason.»Hören Sie, Borowski, oder Delta oder wer immer Sie sind, Rachel hat recht. Sie könnten unser Ausweg sein — uns bleibt hier nichts mehr — was haben Sie also zu bieten?«
«Wofür?«
«Sagen wir mal, für ein paar Informationen über diesen Ort. Ich erzähl, was ich weiß… auch, wo es noch mehr zu erfahren gibt. Dafür helfen Sie uns, hier rauszukommen, auf irgendeine Insel im Pazifik, ohne daß wir uns rumschlagen müssen, mit unseren Namen und Fotos in allen Zeitungen.«
«Das ist eine dicke Bestellung, Sergeant.«
«Verdammt, sie hat ihn nicht getötet — wir haben ihn nicht getötet, Sie haben es selbst gesagt!«»Richtig, aber es ist mir auch egal, ob Sie es gemacht haben, ob Sie verantwortlich sind oder nicht. Ich habe andere Prioritäten.«
«Etwa >mit alten Kameraden ein Wörtchen zu reden<, oder was das war?«
«Das stimmt, das ist meine Aufgabe.«
«Ich kann Sie immer noch nicht einordnen…«
«Müssen Sie auch nicht.«
«Sie waren tot!«brach es aus Flannagan wieder hervor.»Delta one von den Illegalen war Borowski, und Borowski war tot, und Langley hat es uns bewiesen! Aber Sie sind nicht tot…«
«Ich wurde benutzt, Sergeant! Das ist alles, was Sie wissen müssen — das und die Tatsache, daß ich allein arbeite. Ich habe ein paar Außenstände, die ich einfordern will, aber ich bin allein. Ich brauche Informationen, und ich brauche sie schnell!«
Flannagan schüttelte verwirrt den Kopf.»Gut… vielleicht kann ich da helfen«, sagte er ruhig, zögernd,»besser vielleicht als jemand anders. Ich hatte einen Spezialauftrag, wodurch ich einiges erfahren habe, Dinge, die jemand wie ich normalerweise nicht erfährt.«
«Das hört sich an wie die Eröffnung zu einem Schwindelmärchen, Sergeant. Was war Ihr Spezialauftrag?«
«Krankenschwester. Vor zwei Jahren fing Norman an abzubauen. Ich kontrollierte ihn, und bei zu großen Schwierigkeiten sollte ich eine Nummer in New York anrufen.«
«Die besagte Nummer ist Teil der Hilfe, die Sie mir geben können.«
«Und dann habe ich da noch ein paar Nummernschilder aufgeschrieben für den Fall, daß…«
«… daß eines Tages entschieden würde, daß Ihre Dienste als Krankenschwester nicht mehr gefragt wären«, ergänzte Borowski.
«In der Art. Diese Typen mochten uns nie — Norman merkte es nicht, aber ich schon.«
«Wer ist >wir<? Sie, Rachel und Swayne?«
«Wir, die in einer Uniform stecken. Die reichen Zivilistennasen sehen auf uns herab, als wären wir nichts als ein notwendiges Übel, und mit dem >notwendig< haben sie Recht. Sie brauchten Norman. Innerlich bespuckten sie ihn, aber sie brauchten ihn.«
Die Kommißköppe kommen damit nicht klar. Albert Armbruster, Vorsitzender der Bundeshandelskommission. Medusa — die zivilen Erben.
«Wenn Sie sagen, daß Sie die Nummernschilder aufgeschrieben haben, nehme ich an, daß Sie an den Meetings, die hier in regelmäßigen Abständen stattfanden, nicht teilgenommen haben. Sie haben nicht dazugehört.«
«Sind Sie verrückt?«kreischte Kachel Swayne dazwischen.»Wann immer es ein richtiges Meeting gab und nicht ein lumpiges Sauf- und Freßgelage, sagte Norm zu mir, ich solle nach oben gehen. Oder wenn ich wollte, könnte ich ja zu Eddie rüber. Eddie durfte die Hütte nicht verlassen. Wir waren nicht gut genug für seine sauberen Freunde, diese Ärsche! So war es jahrelang… Wie ich gesagt habe, er trieb uns zusammen.«
«Ich beginne zu verstehen — glaub ich zumindest. Aber Sie haben die Nummernschilder, Sergeant. Wie haben Sie das gemacht? Ich denke, Sie mußten in Ihren Zimmern bleiben?«
«Ich hab sie von den Wächtern. Ich nannte es eine vertrauliche Geheimdienstsache. Keiner hat gemeckert.«
«Ich kapiere. Sie sagten, Swayne hätte vor ein paar Jahren angefangen abzubauen. Wie? In welcher Weise?«
«Wie heute nacht. Wann immer irgend etwas außer der Reihe passierte, war er wie gelähmt, wollte er keine Entscheidungen mehr treffen. Wenn es nur nach Schlangenlady roch, wollte er am liebsten den Kopf in den Sand stecken und warten, bis alles vorüber war.«
«Und was war heute abend? Ich habe gesehen, daß Sie gestritten haben. Es sah aus, als ob der Sergeant seinem General die Marschorder gab.«
«Da haben Sie verdammt recht. Norman war in Panik wegen Ihnen, wegen dem Mann, den sie Cobra nennen, der diese üble Sache aus Saigon wieder hochbringt. Er wollte, daß ich bei ihm bliebe, wenn Sie auftauchten. Und ich sagte ihm, das käme nicht in Frage. Ich sagte, ich sei doch nicht blöde.«
«Warum? Warum wäre es blöde für einen Adjutanten, bei seinem Vorgesetzten zu sein?«
«Aus demselben Grund, weshalb Unteroffiziere nicht dabei sind, wenn die hohen Tiere ihre Strategien planen. Das sind verschiedene Ebenen, ganz einfach.«
«Was mit anderen Worten heißt, daß es Grenzen gab. Daß Sie bestimmte Sachen wissen durften und andere nicht.«