«Genau so ist es.«
«Aber damals, vor zwanzig Jahren, waren Sie in Saigon doch auch dabei, gehörten auch zur Schlangenlady, zum Teufel, Sergeant, Sie waren Medusa, Sie sind Medusa.«
«Dafür kann ich mir was kaufen, Delta! Ich wische den Dreck auf, und sie sorgen für mich, aber ich bin nur ein Handlanger in Uniform. Wenn meine Zeit gekommen ist, die Uniform abzulegen, gehe ich schön ruhig und weit weg in Pension und halt mein Maul — oder ein Sarg steht für mich bereit. Alles ganz klar. Ich bin entbehrlich.«
Borowski studierte den Sergeanten genau, als er sprach, wobei er dessen kurze Blicke zur Frau des Generals bemerkte, als ob er ihre Zustimmung erwartete oder, im Gegenteil, einen Wink zu schweigen. Entweder erzählte der dicke Kerl die
Wahrheit, oder aber er war ein wirklich überzeugender Schauspieler.
«Da fällt mir ein«, sagte Jason schließlich,»daß jetzt kein schlechter Zeitpunkt wäre, in Pension zu gehen. Ich kann das arrangieren, Sergeant. Sie können in Ruhe verschwinden, ohne den Mund aufzumachen, und mit allen Auszeichnungen, die Sie für das Aufwischen bekommen haben. Es erscheint doch logisch, daß sich der ergebene Adjutant eines Generals mit über dreißig Dienstjahren zurückziehen möchte, wenn sein Freund und Vorgesetzter so tragisch ums Leben gekommen ist. Niemand wird Fragen stellen… Das ist mein Angebot.«
Flannagan blickte wieder zu Rachel; sie nickte entschieden und sah Borowski an.»Dann können wir packen und verschwinden?«fragte sie.
«Wenn es sonst nichts mehr wegen Sergeant Flannagans Entlassung und seiner Pension zu erledigen gibt…«
«Ich hab Norman die Papiere schon vor achtzehn Monaten unterschreiben lassen«, unterbrach der Adjutant.»Ich war für sein Büro im Pentagon eingeteilt und an seinem Wohnort einquartiert. Ich muß nur noch das Datum eintragen, unterschreiben und eine Adresse für die Überweisungen angeben, die Rachel und ich uns schon ausgedacht haben.«
«Das ist alles?«
«Vielleicht noch drei oder vier Anrufe. Normans Anwalt, der hier alles abwickelt, jemanden wegen der Hundezwinger, den Fahrdienstleiter für die Pentagon-Fahrzeuge — und zuletzt ein Anruf nach New York. Dann der Flughafen.«
«Daran müssen Sie schon jahrelang gedacht haben…«
«Nur an das, Mr. Delta«, bestätigte die Frau des Generals.»Wie gesagt, wir haben dafür bezahlt.«»Aber bevor ich diese Papiere unterschreiben oder die Anrufe erledigen kann«, warf Flannagan ein,»muß ich wissen, daß wir quitt sind — jetzt.«
«Das heißt, keine Polizei, keine Zeitungen, keine Verwicklungen wegen heute nacht… Sie waren einfach nicht hier.«
«Sie haben vorhin gesagt, das sei eine dicke Bestellung. Wie groß sind die Schulden, die Sie dafür eintreiben können?«
«Sie waren einfach nicht hier«, wiederholte Borowski bedächtig und sah auf den Aschenbecher mit den lippenstiftrot gefärbten Kippen. Dann richtete er den Blick wieder auf den Adjutanten.
«Sie haben da drin nichts angefaßt, da gibt es nichts, was Sie mit dem Selbstmord in Verbindung bringen könnte… Sind Sie wirklich bereit abzuhauen? Sagen wir, in ein paar Stunden?«
«Sagen wir, in dreißig Minuten, Mr. Delta«, antwortete Kachel.
«Mein Gott, Sie haben hier ein Leben gehabt, beide…«
«Wir wollen nichts von diesem Leben mitnehmen, nichts, was uns nicht gehört«, sagte Flannagan entschlossen.
«Der Besitz hier gehört Ihnen, Mrs. Swayne…«
«Von wegen. Er hat alles einer Stiftung überschrieben, fragen Sie den Anwalt. Was ich bekomme, wenn ich es bekomme, wird er mir schicken. Ich will nur raus hier wir wollen raus.«
Jason betrachtete nachdenklich dieses seltsame Paar, das sich unter so seltsamen Umständen zusammengetan hatte.»Dann gibt es nichts, was Sie halten kann?«
«Wie können wir das wissen?«preßte Flannagan hervor und machte einen Schritt vorwärts.
«Sie werden ein gewisses Maß an Vertrauen haben müssen, aber, glauben Sie mir, ich kann alles arrangieren. Andererseits, was wäre die Alternative? Angenommen, Sie bleiben. Egal, was
Sie mit ihm machen, er wird morgen nicht in Arlington auftauchen, übermorgen auch nicht und nicht in drei Tagen. Früher oder später wird jemand kommen, um nach ihm zu sehen. Es wird Fragen geben, eine Untersuchung, und so sicher wie das Amen in der Kirche werden die Medien mit jeder erdenklichen Spekulation aufwarten. Binnen kurzem wird Ihre Beziehung ans Licht kommen — sogar die Wachen haben davon gesprochen. Die Zeitungen, die Magazine und das Fernsehen werden ein gefundenes Fressen vermuten… Wollen Sie das? Sie hätten vermutlich gute Chancen, bald schon in die Kiste zu springen, wie Sie vorhin so richtig gesagt haben…«
Die beiden starrten einander an.»Er hat recht«, sagte die Frau.»Mit ihm haben wir eine Chance, ohne ihn nicht.«
«Es hört sich zu einfach an«, sagte Flannagan. Sein Atem ging schneller, als er zur Tür hinübersah.»Wie wollen Sie das alles hier in den Griff kriegen?«
«Das ist meine Angelegenheit«, antwortete Borowski.»Geben Sie mir die Telefonnummern, alle, und dann brauchen Sie nur noch New York anzurufen. Und wenn ich Sie wäre, dann würde ich das von irgendeiner Pazifikinsel aus machen.«
«Sie sind verrückt! In dem Augenblick, wo das rauskommt, hat mich Medusa im Visier — und Rachel auch! Dann wollen die wissen, was passiert ist.«
«Sagen Sie die Wahrheit, vielleicht mit einer kleinen Variation, und ich glaube, Sie bekommen sogar einen Bonus.«
«Sie sind ein verdammter Witzbold!«
«Ich war in Vietnam kein Witzbold, Sergeant. Nicht in Hongkong und bin es ganz gewiß auch jetzt nicht… Sie und Rachel, Sie sind nach Hause gekommen, haben gesehen, was passiert ist, haben gepackt und sind abgehauen — weil Sie keine Fragen wollten, und Tote können nicht reden und sich auch nicht verplappern. Datieren Sie die Papiere einen Tag vor, geben Sie sie auf, und überlassen Sie den Rest mir.«
«Ich werde…«
«Sie haben keine andere Wahl, Sergeant!«gab Jason zurück und erhob sich vom Stuhl.»Und ich will nicht noch mehr Zeit verlieren! Wenn Sie wollen, daß ich gehe, gehe ich — sehen Sie zu, wie Sie alleine klarkommen. «Borowski ging verärgert auf die Tür zu.
«Nein, Eddie, halt ihn auf! Wir müssen tun, was er sagt, wir müssen die Chance nutzen! Sonst sind wir so gut wie tot…«
«Okay, okay!.. Also gut, Delta. Wir tun, was Sie sagen.«
Jason hielt inne. »Alles, was ich sage, Sergeant, bis zum letzten Buchstaben.«
«In Ordnung.«
«Zuerst gehen wir zwei hinüber zu Ihrer Hütte. Sie übergeben mir alles, was Sie haben — Telefon- und Autonummern, jeden Namen, an den Sie sich erinnern können, alles. Einverstanden?«
«Ja.«
«Gehen wir. Und, Mrs. Swayne, ich verstehe, daß es wahrscheinlich eine ganze Menge kleiner Dinge gibt, die Sie gern mitnehmen würden, aber…«
«Keine Sorge, Mr. Delta. Erinnerungsstücke habe ich nicht. Die Sachen, die mir wichtig sind, habe ich seit langem aus dieser Hölle weggeschafft. Das liegt alles in einem Lager zehntausend Kilometer weit weg.«
«Nun, Sie waren ja gut vorbereitet.«
«Allerdings. Sehen Sie, es mußte irgendwann so kommen, auf die eine oder andere Weise, wenn Sie wissen, was ich meine. «Rachel ging schnell an den beiden Männern vorbei in die Diele. Sie machte noch einmal halt und kam zurück zu Sergeant Flannagan. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Mit leuchtenden Augen legte sie ihre Hand an seine Wange.»He, Eddie«, sagte sie leise.»Es wird Wirklichkeit. Wir werden leben können, Eddie. Weißt du, was ich meine?«
«Ja, Baby, ich weiß.«
Als sie in die Dunkelheit hinaustraten und in Richtung Hütte gingen, sagte Borowski:»Ich meinte es ernst, als ich vorhin sagte, es gibt keine Zeit zu verlieren. Fangen Sie an. Was können Sie mir über Swaynes Besitz sagen?«»Sind Sie bereit?«