«Sie sind nicht ich. Verstehen Sie, ich muß. Er würde es mir nie verzeihen, wenn ich es nicht täte.«
«Sie halten nicht viel von sich, oder?«
«Schließen Sie bitte die Tore, Doktor. In der Diele ist eine Alarmanlage, die ich einschalte, wenn sie geschlossen sind.«
Jax blieb stehen, als wüßte er nicht recht, was er sagen sollte.»Die meisten gesunden Leute haben Gründe«, begann er zögernd,»gewisse Dinge zu sagen — gewisse Dinge zu tun. Meine Vermutung ist, daß Sie gesund sind. Rufen Sie Alex an, wenn Sie mich brauchen — wenn der alte Kaktus mich braucht. «Der Doktor ging schnell zur Tür hinaus. Borowski sah sich das Zimmer an. Seit Flannagan und Kachel Swayne sich vor beinahe drei Stunden davongemacht hatten, hatte er jeden Quadratzentimeter hier untersucht, auch das Schlafzimmer des Generals im ersten Stock. Die Gegenstände, die er mitnehmen wollte, hatte er auf das Messingtischchen gelegt. Da waren drei braune, ledergebundene Mappen, in denen Spiralblöcke steckten, die zu einem Schreibtischset gehörten. Das erste war ein Terminkalender, das zweite ein persönliches Telefonbuch, in das Namen und Telefonnummern mit Tinte eingetragen waren, und das dritte ein kaum benutztes Ausgabenbuch. Daneben gab es elf Zettel von einem Telefonblock mit Nachrichten aus dem Büro. Die hatte Jason in Swaynes Taschen gefunden. Außerdem eine Golfklubkarte und mehrere im Pentagon geschriebene Memoranden. Und schließlich war da noch die Brieftasche des Generals mit einer Fülle von eindrucksvollen Kreditkarten und sehr wenig Geld. Borowski wollte alles an Alex weitergeben und hoffte, noch weitere Hinweise zu finden. Soweit er die Sache überblickte, hatte er nichts Erschütterndes entdeckt, nichts wesentlich Wichtiges hinsichtlich Medusa. Und das störte ihn: Da mußte etwas sein. Dies war das Heim des alten Haudegens, sein Allerheiligstes da mußte etwas sein! Er wußte es, er fühlte es, aber er konnte es nicht finden. Also begann er von vorne, nicht quadratzentimeterweise, sondern Millimeter um Millimeter. Vierzehn Minuten später, als er die Fotografien an der Wand hinter dem Schreibtisch abnahm und umdrehte, auch an der Wand rechts neben dem gepolsterten Erkerfenster, von dem man den Rasen draußen überblicken konnte, dachte er an Conklins Worte, er solle die Fenster überprüfen und die Vorhänge zuziehen, damit niemand reinkommen oder reinschauen könne.
Lieber Gott, das muß aussehen da drinnen.
Es ist nicht sehr hübsch.
War es nicht. Die Scheiben des Erkerfensters waren mit Blut und Gehirnteilen bespritzt. Und der… der schmale Messingriegel? Er war nicht nur nicht eingehakt, das Fenster selbst war offen — kaum geöffnet, aber nichtsdestoweniger offen. Borowski betrachtete den glänzenden Messingriegel und die Scheibe genauer. Die Blutspritzer waren verschmiert, grobe Abdrücke waren auf den Flecken zu sehen, deren Ränder ebenfalls unregelmäßig verwischt waren. Unten am Fensterbrett sah er dann, warum das Fenster nicht zu war. Das Ende des linken Vorhangs war hinausgezogen worden, und ein Stückchen von der Vorhangquaste war am unteren Fensterrahmen hängengeblieben. Verblüfft, aber nicht wirklich überrascht, trat Jason einen Schritt zurück. Das war es, wonach er gesucht hatte, das fehlende Teil in dem komplizierten Puzzle, das den Tod von Norman Swayne erklären würde. Jemand war aus diesem Fenster geklettert, nach dem Schuß, der den Schädel des Generals zerschmettert hatte. Jemand, der nicht gesehen werden wollte. Jemand, der das Haus und das Anwesen kannte… und die Hunde. Ein brutaler Killer von Medusa. Verdammt noch mal! Wer? Wer ist hiergewesen? Flannagan… Swaynes Frau! Sie würden es wissen, sie mußten es wissen! Borowski lief zum Telefon. Im selben Moment klingelte es.
«Alex?«
«Nein, Bruder Rabbit, hier ist nur ein alter Freund. Und ich wußte gar nicht, daß wir mit Namen so offen sind.«
«Sind wir nicht, sollten wir nicht«, sagte Jason schnell und zwang sich zu einer Kontrolle, die er kaum durchhalten konnte.»Es ist gerade etwas passiert — ich habe etwas gefunden.«
«Immer mit der Ruhe, Junge. Was kann ich für dich tun?«
«Ich brauche dich — hier, wo ich bin. Hast du Zeit?«
«Laß mal sehen. «Kaktus kicherte, als er sagte:»Na ja, außer ein paar Vorstandsrunden, wo ich dabeisein müßte, und das Weiße Haus hat mich zum Frühstück eingeladen… Wann und wo, Bruder Rabbit?«
«Nicht allein, alter Freund. Ich möchte, daß noch drei oder vier mit dir kommen. Ist das möglich?«
«Ich weiß nicht. An wen hast du gedacht?«
«An den Burschen, der mich in die Stadt gefahren hat, als ich bei dir war. Und gibt es nicht noch ein paar gleichgesinnte Bürger in der Nachbarschaft?«
«Die meisten sitzen, offen gesagt, im Knast, aber wenn ich ein wenig im Müll herumstochere, finde ich vielleicht was. Wofür?«
«Wachposten. Ziemlich einfach. Du wirst am Telefon sein, und sie werden allen sagen, daß Besucher auf dem Privatgrundstück nicht willkommen sind. Insbesondere etlichen hohen Tieren in dicken Limousinen.«
«Na, das könnte den Brüdern gefallen.«
«Ruf mich zurück, und ich gebe dir weitere Informationen. «Borowski legte auf und wählte dann Conklins Nummer in Vienna.
«Ja?«antwortete Alex.
«Der Doktor hat recht, und ich habe unsere Henker der Schlangenlady laufen lassen!«
«Swaynes Frau meinst du?«
«Nein, aber sie und ihr eifrig plappernder Sergeant wissen, wer es war — sie mußten wissen, wer hier war! Greife sie auf und halte sie fest. Sie haben mich angelogen, also gilt das Abkommen nicht mehr. Wer immer diesen Selbstmord inszeniert hat, er hatte Befehle von sehr weit oben in Medusa. Ihn brauche ich. Er ist unsere Abkürzung.«
«Aber er ist außer Reichweite.«
«Was, zum Teufel, sagst du da?«
«Weil der Sergeant und seine Geliebte außer unserer Reichweite sind. Sie sind verschwunden.«
«Ist das ein Witz? Wie ich unseren heiligen Alex kenne, und ich kenne ihn, hast du sie beschattet, seit sie hier weg sind.«
«Elektronisch, nicht physisch. Denke daran, du wolltest, daß wir Langley und Peter Holland von Medusa fernhalten.«»Was hast du gemacht?«
«Ich habe ein ausführliches Suchprogramm an die zentralen Reservierungscomputer aller internationalen Flughäfen geschickt. Bis zwanzig Uhr zwanzig heute abend hatten unsere Vögel Sitze im Zweiundzwanzig-Uhr-Pan-Am-Flug nach London… «
«London?«warf Jason ein.»Sie wollten doch in die andere Richtung, in den Pazifik. Nach Hawaii!«
«Dort werden sie wahrscheinlich auch hinfliegen, weil sie sich bei der Pan Am nicht gemeldet haben. Wer weiß?«
«Verdammt! Du müßtest es wissen!«
«Wie denn? Zwei Bürger der Vereinigten Staaten, die nach Hawaii fliegen, müssen ihre Pässe nicht vorzeigen, um unser fünfzigstes Bundesland zu besuchen. Ein Führerschein oder eine Wahlkarte genügen. Du hast mir gesagt, daß sie das schon seit langem vorgehabt hätten. Wäre es wirklich schwierig für einen Sergeanten mit dreißig Jahren Berufserfahrung, ein paar Führerscheine mit anderen Namen zu bekommen?«
«Aber warum?«
«Um Leute abzuschütteln, die sie beobachten — uns, oder vielleicht auch von Medusa, von sehr weit oben.«
«Scheiße!«
«Könnten Sie sich etwas weniger vulgär ausdrücken, Herr Professor? Man sagt doch vulgär, oder?«
«Halt's Maul. Ich muß nachdenken.«
«Dann denk mal drüber nach, daß wir mit nacktem Arsch ohne Heizgerät in der Arktis sitzen. Es ist Zeit für Peter Holland. Wir brauchen ihn. Wir brauchen Langley.«
«Nein, noch nicht! Du vergißt etwas. Holland hat den Eid geschworen, und soweit wir ihn kennen, scheint er ihn ernst zu nehmen. Vielleicht verstößt er hin und wieder gegen eine Regel, aber wenn er mit Medusa konfrontiert wird, mit Hunderten von
Millionen aus Genf, die in Europa aufkaufen, was sie nur aufkaufen können, dann sagt er vielleicht: >Halt, bis hierher und nicht weiter!««