«Das Risiko müssen wir eingehen. Wir brauchen ihn, David.«
«Nicht David, verflucht! Ich bin Borowski, Jason Borowski, dein Geschöpf, und ich habe Pflichten meiner Familie gegenüber.«
«Und du bringst mich um, wenn ich mich gegen dich stelle.«
Schweigen. Keiner sagte ein Wort, bis Delta one von Medusa Saigon die Pause beendete.»Ja, Alex, ich töte dich. Nicht, weil du versucht hast, mich in Paris zu töten, sondern aus derselben blinden Annahme heraus, die du damals gemacht hast. Kannst du das verstehen?«
«Ja«, antwortete Conklin mit so leiser Stimme, daß sie kaum zu hören war.»Die Arroganz der Ignoranz, das ist dein beliebtestes Washingtoner Thema. Bei dir klingt es immer so orientalisch. Aber irgendwann auf deinem Weg wirst du selbst auch ein bißchen weniger arrogant sein müssen. Es gibt Grenzen für das, was wir allein tun können.«
«Andererseits gibt es sehr viel, was vermasselt werden kann, wenn wir nicht allein sind. Schau dir an, was wir schon erreicht haben. Von Null auf zweistellige Zahlen in welcher Zeit? Achtundvierzig, zweiundsiebzig Stunden? Gib mir die zwei Tage, Alex, bitte. Wir sind schon ganz nah dran an dem, was es mit Medusa auf sich hat. Ein Durchbruch, und wir präsentieren ihnen die perfekte Lösung, um mich loszuwerden: den Schakal.«
«Ich tue mein Bestes. Hat Kaktus dich erreicht?«
«Ja. Er ruft mich zurück und kommt dann hierher. Ich erkläre es später.«
«Ich hätte dir sagen sollen, daß er und der Doktor Freunde sind.«
«Ich weiß. Ivan sagte es mir… Alex, ich möchte dir einige Dinge zukommen lassen — Swaynes Telefonbuch, seine Brieftasche, Terminkalender, derlei Zeug. Ich packe es ein und laß es durch einen der Jungs von Kaktus zu dir bringen, bis ans Sicherheitstor. Steck alles in deinen Computer und sieh, was du rausfinden kannst.«
«Die Jungs von Kaktus? Was machst du?«
«Dir einen Termin abnehmen. Ich riegele das hier ab. Niemand wird hier hereinkommen, aber wir werden sehen, wer es versucht.«
«Das könnte interessant sein. Die Zwingerleute kommen morgen früh gegen sieben. Mach die Absperrung also nicht zu dicht.«
«Da fällt mir ein«, unterbrach Jason.»Sei wieder Beamter und bestell die anderen Wachen ab. Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt, aber jeder erhält einen Monatslohn.«
«Wer soll das bezahlen? Langley gibt es nicht, denkst du daran? Keinen Peter Holland, und ich bin nicht unermeßlich reich.«
«Ich aber. Ich werde meine Bank in Maine anrufen, einen Barscheck für dich ausschreiben lassen. Bitte deinen Freund Casset, ihn morgen in deinem Appartement abzuholen.«
«Komisch, nicht?«sagte Conklin langsam und nachdenklich.»Ich vergesse, daß du Geld hast. Ich denke tatsächlich nie daran. Ich glaube, ich habe es aus meinem Kopf verdrängt.«
«Das ist möglich«, Borowskis Stimme klang erleichtert, und er fügte hinzu:»Der Beamte in dir hat vielleicht die Vision, es käme irgendein Bürokrat zu Marie und sagte: >Übrigens, Mrs. Webb oder Borowski oder wer immer Sie sind, als Sie bei der kanadischen Regierung angestellt waren, sind Sie mit fünf Millionen Dollar abgehauen, die mir gehören.««
«Sie war nur klug, David, Jason. Jeder Dollar steht dir zu.«
«Lassen wir das lieber, Alex. Sie hat das Doppelte rausgeholt.«
«Sie hatte recht. Deshalb sind auch alle still gewesen… Was wirst du jetzt tun?«
«Auf den Anruf von Kaktus warten und dann einen eigenen machen.«»He?«»Meine Frau.«
Marie saß auf dem Balkon ihrer Villa im Tranquility Inn und sah auf das vom Mond erhellte Meer hinaus. Sie versuchte, all ihre Kontrollinstinkte zu aktivieren, um nicht vor Angst verrückt zu werden. Seltsamerweise, und vielleicht war es sogar dumm oder gefährlich, war es keine Angst vor physischer Gewalt, die an ihr zehrte. Sie hatte in Europa wie auch im Fernen Osten mit der Killer-Maschine Jason Borowski gelebt. Sie wußte, wozu dieser Fremde fähig war und wie effektiv er war. Nein, es war nicht Borowski, es war David. Was machte Jason Borowski mit David Webb! Sie mußte es beenden!.. Sie konnten weggehen, weit weg, an einen fernen Zufluchtsort und ein neues Leben beginnen, unter neuem Namen; sie könnten sich ihre eigene Welt schaffen, fern von Carlos. Sie hatten so viel Geld, wie sie niemals brauchen würden, sie konnten es sich leisten! Es wurde doch dauernd gemacht Hunderte, Tausende Männer, Frauen und Kinder, deren Leben bedroht war, wurden von ihren Regierungen beschützt, und wenn je eine Regierung Grund gehabt hatte, einen Mann zu schützen, dann diesen Mann, David Webb! Gedanken, die von der Angst kommen, von panischer Angst, dachte Marie, als sie von ihrem Stuhl aufstand und ans Geländer trat. Dieser Traum würde nie Wirklichkeit werden, weil David ihn nicht akzeptieren würde. Wo der Schakal im Spiel war, wurde David Webb zu Jason Borowski, und Borowski war fähig, Davids Körper zu zerstören. O du lieber Gott, was geschieht mit uns?
Das Telefon klingelte. Marie wurde steif, rannte dann ins Schlafzimmer und nahm den Hörer ab.
«Ja?«
«Hallo, Schwester, hier ist Johnny.«
«Ohh…«
«Was heißt, daß du noch nichts von David gehört hast.«
«Nein, und ich werde schon halb verrückt.«
«Er wird anrufen, wenn er kann, das weißt du.«
«Aber du rufst doch nicht an, um mir das zu sagen.«
«Nein. Ich wollte nur mal hören, wie's dir geht. Ich stecke hier auf der großen Insel fest, und es sieht so aus, als ob es noch eine Weile dauern könnte. Ich bin mit Henry im Regierungsgebäude und warte auf den Gouverneur, der sich persönlich bedanken möchte, daß ich dem Außenministerium behilflich gewesen bin.«
«Ich verstehe überhaupt nicht, von was du redest…«
«Tut mir leid. Henry Sykes, der Adjutant des Gouverneurs, hatte mich gebeten, mich um den alten französischen Kriegshelden zu kümmern… Und wenn der Gouverneur dir danken möchte, mußt du warten, bis er dir gedankt hat. Du weißt ja, wenn das Telefon mal wieder nicht funktioniert, sind Cowboys wie ich auf das Wohlwollen der Regierung angewiesen.«
«Ich kapiere rein gar nichts, Johnny.«
«In wenigen Stunden wird ein Sturm von Basse-Terre aufziehen.«
«Von wem?«
«Egal. Ich werde vorher zurücksein. Laß das Mädchen die Couch für mich herrichten.«
«John, es ist nicht nötig, daß du hier schläfst. Gott sei Dank stehen draußen vor der Hecke und unten am Strand und was weiß ich, wo sonst noch, Männer mit Gewehren.«»Da sollen sie auch stehen. Bis später. Gib den Kindern einen Kuß von mir.«
«Sie schlafen schon«, sagte Marie, als ihr jüngerer Bruder auflegte. Sie sah auf das Telefon, als sie den Hörer aus der Hand legte und sagte, unbewußt laut:»Wie wenig weiß ich über dich, kleiner Bruder… unseren Liebling, unseren unverbesserlichen Bruder. Und wieviel mehr weiß mein Mann über dich — ihr verdammten Kerle!«
Das Telefon klingelte schon wieder, was sie verblüffte.
«Hallo?«
«Ich bin's.«
«Gott sei Dank!«
«Der ist grade nicht da, aber sonst ist alles in Ordnung. Mir geht's gut, und wir machen Fortschritte.«
«Du mußt das alles nicht machen! Wir müssen es nicht!«
«Doch, wir müssen«, sagte Jason Borowski — keine Spur von David.»Du sollst nur wissen, wie sehr ich dich liebe, er dich liebt…«
«Hör auf! Sonst passiert…«
«Tut mir leid, entschuldige — vergib mir.«
«Du bist David!«
«Natürlich bin ich David. Ich hab nur einen Spaß…«
«Nein, hast du nicht!«
«Ich sprach gerade mit Alex, das ist alles. Wir haben gestritten, das ist alles!«
«Nein, das ist nicht alles! Ich möchte dich zurückhaben, ich möchte dich hier haben!«
«Dann kann ich nicht länger mit dir sprechen. Ich liebe dich. «Die Leitung war tot. Marie St. Jacques fiel aufs Bett. Verzweifelt über ihre Ohnmacht, weinte sie in die Laken.