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Alex ließ sich langsam in den Sessel sinken, sein Puls raste, seine Gedanken waren in Aufruhr. Er war unfähig, sich ein Urteil zu bilden — sein Kopf war ein einziges Chaos. Er packte sein rechtes Handgelenk mit der Linken, und die Nägel gruben sich ins Fleisch. Er mußte sich beruhigen, er mußte denken — er mußte handeln. Für Davids Frau und die Kinder.

Assoziationen. Was war denkbar? Es war schwierig genug, sich Gates als unwissentliches Mitglied von Medusa vorzustellen, und völlig undenkbar, daß er mit Carlos, dem Schakal, in Verbindung stand. Unmöglich… Und doch schien es so zu sein. Die Verbindungen bestanden. War Carlos auch ein Teil von Swaynes Medusa? Alles, was sie über den Schakal wußten, würde dem entschieden widersprechen. Die Stärke des Mörders lag in seiner völligen Ungebundenheit von jeder strukturierten Einheit. Das hatte Jason Borowski vor dreizehn Jahren in Paris bewiesen. Niemand konnte ihn jemals erreichen. Sie konnten nur eine Botschaft hinausschicken, und er war es, der den Kontakt aufnahm. Die einzige Organisation, die der internationale Auftragsmörder zuließ, war seine Armee alter Männer, vom Mittelmeer bis zum Baltikum, verlorene Versager, arme Kriminelle, deren letzte Tage durch die Großzügigkeit des

Killers aufgebessert wurden. Eine Treue bis in den Tod. Wie und wo paßte da ein Mann wie Randolph Gates hinein?

Er paßte nicht hinein, schloß Alex, der mit äußerster Vorstellungskraft ein ehemals bekanntes Territorium zu erforschen suchte. Sei skeptisch in scheinbar sicheren Fällen. Der gefeierte Rechtsanwalt paßte genausowenig zu Carlos wie zu Medusa. Er war eine Abweichung, der Splitter im Auge, ein ansonsten ehrenwerter Mann mit einem einzigen Schwachpunkt, der von zwei völlig verschiedenen Parteien, die beide über außergewöhnliche Hilfsmittel verfügten, aufgedeckt worden war. Es war ein offenes Geheimnis, daß der Schakal seine Leute im französischen Geheimdienst und bei Interpol hatte. Und man brauchte auch nicht besonders hellsichtig zu sein, um anzunehmen, daß Medusa die G-2 der US-Armee infiltrieren konnte. Das war die einzig mögliche Erklärung. Gates war zu umstritten, zu lange zu mächtig. Wenn seine Verwundbarkeit leicht hätte entdeckt werden können, hätte er keine so spektakulären Erfolge feiern können. Nein, es waren Leute wie der Schakal und die Männer von Medusa nötig, um sein Geheimnis auszugraben, ein verheerendes Geheimnis, das ihnen Randolph Gates in die Hände gespielt hatte. Sicher war Carlos derjenige gewesen, der zuerst auf Gates gestoßen war.

Conklin dachte über eine Wahrheit nach, die sich immer wieder bestätigte: Die Welt der korrupten Leute war in Wirklichkeit eine kleine, wenn auch vielschichtige Gemeinde mit geometrischen Beziehungsmustern, wie eine Ansammlung auf den ersten Blick verwirrender Linien, die dann doch alle eine Struktur aufwiesen. Wie konnte es anders sein? Die Bewohner dieser tödlichen Gemeinde hatten Dienste anzubieten, und sie hatten Kunden einer ganz bestimmten Sorte — Desperados, den Abschaum der Menschheit. Ausquetschen, erpressen, killen. Der Schakal und die Leute von Medusa gehörten zum selben brüderlichen Orden. Die Bruderschaft des Was-ich-will-das-krieg-ich.

Der Durchbruch. Aber es war ein Durchbruch, den Jason Borowski nutzen mußte, nicht David Webb — und Webb war immer noch zu sehr Teil von Borowski. Die Schwierigkeit war, daß beide Teile desselben Mannes einige tausend Kilometer von Montserrat entfernt waren, den Koordinaten des Todes, die von Carlos bestimmt worden waren. Montserrat?… Johnny St. Jacques! Der» kleine Bruder«, der sich in einer kleinen Stadt in Nordkanada bewährt hatte, der dem Verständnis und der Begriffswelt seiner Familie, insbesondere seiner geliebten Schwester, entwachsen war, an den David aber glaubte — an den Jason Borowski glaubte, was viel wichtiger war.

Alex blickte zum Telefon hinüber und schnellte aus seinem Stuhl hoch. Er rannte zum Tisch und spulte das Band zurück. Er wollte eine bestimmte Stelle nochmals hören. Vor und zurück, bis er Gates' panische Stimme hörte.

«Guter Gott, ich habe fünfzehntausend bezahlt…«

Nein, nicht das, dachte Conklin. Danach.

«… Ich kann Ihnen die Bankauszüge zeigen…«

Danach.

«… Ich habe einen ehemaligen Richter angeheuert, der Kontakte hat… «

Das ist es. Ein Richter.

«… Sie sind nach Montserrat geflogen…«

Alex öffnete eine Schublade, in der ein Zettel mit allen Nummern lag, die er in den vergangenen drei Tagen angerufen hatte. Er hatte sie griffbereit, weil er annahm, daß er die eine oder andere schnell wieder brauchen könnte. Er wählte die Nummer vom Tranquility Inn. Nach endlosem Läuten hörte er eine schläfrige Stimme.

«Tranquility…«

«Es ist dringend«, unterbrach Conklin.»Ich muß sofort mit John St. Jacques sprechen. Schnell, bitte.«

«Tut mir leid, Sir, Mr. St. Jacques ist nicht hier.«

«Ich muß ihn finden. Ich wiederhole, es ist dringend. Wo ist er?«

«Auf der großen Insel…«

«Montserrat?«

«Ja…«

«Wo?… Mein Name ist Conklin. Er möchte mit mir sprechen — er muß mit mir sprechen. Bitte!«

«Ein starker Wind kam von Basse-Terre auf, deshalb wurden alle Flüge bis morgen eingestellt.«

«Ein was?«

«Ein tropischer Tiefdruck…«

«Oh, ein Sturm.«

«Wir sagen TT, Sir. Mr. St. Jacques hat aber eine Telefonnummer in Plymouth hinterlassen.«

«Wie ist Ihr Name?«unterbrach Alex plötzlich. Der Angestellte antwortete:»Pritchard«:, und Conklin fuhr fort:»Ich werde Ihnen eine sehr heikle Frage stellen, Mr. Pritchard. Es ist wichtig, daß Sie die richtige Antwort haben… wenn sie falsch ist, dann müssen Sie tun, was ich Ihnen sage. Mr. St. Jacques wird alles bestätigen, was ich sage, sobald ich ihn erreiche. Ich kann jedoch jetzt keine Zeit verschwenden. Verstehen Sie mich?«

«Was ist Ihre Frage?«sagte der Angestellte würdevoll.»Ich bin kein Kind, Sir.«

«Tut mir leid, ich wollte Sie nicht…«

«Die Frage, Mr. Conklin. Sie sind in Eile.«

«Ja, natürlich… Die Schwester von Mr. St. Jacques und ihre Kinder, sind sie an einem sicheren Ort? Hat Mr. St. Jacques gewisse Vorsichtsmaßregeln ergriffen?«»Meinen Sie die bewaffneten Wachen rund um die Villa und unsere Leute unten am Strand?«sagte der Angestellte.»Dann lautet die Antwort: Ja.«

«Es ist die richtige Antwort. «Alex atmete tief durch, aber sein Atem ging immer noch unregelmäßig.»Nun, wie ist die Nummer, unter der ich Mr. St. Jacques erreichen kann?«

Der Angestellte gab sie ihm und fügte hinzu:»Viele Telefone sind außer Betrieb, Sir. Es wäre gut, wenn Sie eine Nummer hinterließen. Der Wind ist immer noch stark, aber Mr. St. Jacques wird, wenn es geht, zweifellos beim ersten Licht losfliegen.«

«Gewiß. «Alex rasselte die Nummer seines Appartements in Vienna herunter und ließ sie von dem Mann in Montserrat wiederholen.»So ist es«, sagte Conklin.»Jetzt werde ich Plymouth probieren.«

«Ihr Name wird geschrieben C-o-n-c-h…«

«C-o-n-k«, unterbrach Alex, legte auf und wählte sofort die Nummer in Plymouth, der Hauptstadt von Montserrat. Wieder antwortete eine erschrockene, träge Stimme. Ein kaum verständlicher Gruß.»Wer ist da?«fragte Conklin ungeduldig.

«Wer, zum Teufel, ist dort — wer sind Sie?«antwortete ein erboster Engländer.

«Ich versuche, John St. Jacques zu erreichen. Es ist äußerst dringend, und vom Empfang des Tranquility Inn wurde mir diese Nummer gegeben.«