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Die Schwester. Kein Engel des Erbarmens, sondern des Todes! Der Mann, der im Tranquility Inn als Jean Pierre Fontaine bekannt war, ging, so schnell er konnte, in das andere Zimmer. Zu seiner Ausrüstung.

Das gewaltige silberne Rennboot mit seinen beiden enormen Maschinen krachte durch die Brecher und war ebenso häufig über den Wellen wie mittendrin. Auf der kurzen niedrigen Brücke manövrierte John St. Jacques das Patrouillenboot der Drogenpolizei durch die gefährlichen Riffe, die er aus langer Erfahrung kannte, wobei ihm der starke Suchscheinwerfer half, der die turbulenten Wasser bis zu dreißig Meter vor dem Bug erhellte. Er schrie pausenlos in sein Funkgerät, das Mikro vor seinem völlig nassen Gesicht; gegen alle Vernunft hoffte er, jemanden im Tranquility Inn wach zu bekommen. Er war noch vier Kilometer von der Insel entfernt. Diese buschbestandene, vulkanische Erhebung über dem Wasser war seine Landmarke. Die Insel Tranquility lag, in Kilometern gerechnet, viel näher bei Plymouth als am Flughafen Blackburne, und wenn man die Untiefen kannte, war sie fast genauso schnell mit einem Patrouillenboot zu erreichen wie mit einem Wasserflugzeug, das östlich von Blackburne einen Bogen fliegen mußte, um die vorherrschenden Westwinde ausnutzen und auf dem Wasser landen zu können. Johnny wußte nicht, warum er sich von diesen Berechnungen ablenken ließ. Er wußte nur, daß er sich irgendwie besser fühlte, wenn er sein möglichstes gab. Verdammt! Warum immer nur sein Möglichstes, warum konnte es nie das Beste sein? Er durfte nichts mehr falsch machen, nicht jetzt, nicht heute nacht! Großer Gott, er verdankte Marie und David alles! Vielleicht dem verrückten Bastard von einem Schwager sogar mehr als seiner eigenen Schwester. David, der wilde, verrückte David, ein Mann, bei dem er sich manchmal fragte, ob Marie sich je sicher war, daß es ihn gab.

«Du hältst dich raus, kleiner Bruder, ich mache das.«

«Kannst du nicht, David. Ich habe es getan. Ich habe sie getötet!«

«Ich sagte: Halt dich da raus.«

«Ich bat dich um Hilfe, nicht, meinen Platz einzunehmen!«

«Aber versteh doch, ich bin du. Ich hätte dasselbe getan, und deshalb bin ich — in meinen Augen — du.«

«Das ist verrückt!«

«Das gehört dazu. Eines Tages werde ich dir zeigen, wie man sauber tötet, im Dunklen. Unterdessen hör besser auf die Rechtsanwälte.«

«Und wenn sie verlieren?«

«Ich bring dich da raus. Ich bring dich weg.«

«Wie?«

«Ich werde wieder töten.«

«Ich kann dir nicht glauben! Ein Lehrer, ein Professor ich glaube dir nicht, ich will dir nicht glauben. Du bist der Mann meiner Schwester.«

«Dann glaube mir eben nicht, Johnny. Und vergiß alles, was ich gesagt habe, und sage deiner Schwester nie etwas darüber.«

«Das ist jene andere Person in dir, nicht wahr?«

«Marie liebt dich sehr.«

«Das ist keine Antwort! Hier, jetzt, bist du Borowski, nicht wahr? Jason Borowski!«

«Wir werden niemals, unter keinen Umständen, über diese Unterhaltung sprechen, Johnny. Hast du mich verstanden?«

Nein, er hatte niemals verstanden, dachte St. Jacques, als Wirbelwinde und Blitze das Boot einhüllten. Selbst als Marie und David an sein schnell sich auflösendes Ego appellierten und

ihm vorschlugen, daß er auf den Inseln ein neues Leben beginnen könne. Du mußt Geld anlegen, hatten sie gesagt. Bau uns ein Haus und sieh zu, wohin du von dort aus gehen willst. In gewissen Grenzen werden wir dich unterstützen. Warum sollte er das tun? Warum tat er es?

Johnny St. Jacques hatte es erst an dem Morgen verstanden, als er das Telefon am Swimmingpool abgehoben hatte und ihm gesagt wurde, daß jemand am Flughafen Fragen über eine Frau mit zwei Kindern gestellt hatte.

Eines Tages werde ich dir zeigen, wie man sauber tötet, im Dunklen. Jason Borowski.

Lichter! Er sah die Lichter am Strand von Tranquility. Er war nur noch gut eine Seemeile von der Küste entfernt!

Es goß in Strömen, und die Windstöße brachten den alten Mann fast aus dem Gleichgewicht, als er den Weg zur Villa vierzehn entlanglief. Er beugte sich den tobenden Elementen entgegen, kniff die Augen zusammen und wischte sich mit der Linken übers Gesicht, während er mit der Rechten die Waffe hielt, eine durch einen zylinderförmigen Schalldämpfer verlängerte Pistole. Er hielt sie schützend auf dem Rücken, wie er es vor vielen Jahren gemacht hatte, als er die Eisenbahnschienen entlanggerannt war, Dynamit-Stangen in der einen Hand und eine deutsche Luger in der anderen, bereit, beides fallen zu lassen, falls Nazi-Patrouillen auftauchen sollten.

Er hatte lang genug vor anderen gebuckelt! Seine Frau war tot, und jetzt würde er sein eigener Herr sein. Jetzt gab es nur noch seine eigenen Entscheidungen, seine eigenen Gefühle, seinen eigenen ganz privaten Sinn für das, was Recht und was Unrecht war… Und der Schakal war im Unrecht! Der Apostel von Carlos konnte das Töten der Frau verstehen, das war eine alte Rechnung, das konnte er unter Umständen noch verstehen. Aber nicht die Kinder. Und dann die Verstümmelungen. Solche Handlungen waren gegen Gott, und er und seine Frau würden bald vor Seinem Angesicht stehen. Und dann wird es ein paar mildernde Umstände geben. Den Engel des Todes stoppen! Was hatte sie vor? Was bedeutete das Feuer, von dem sie gesprochen hatte?… Dann sah er es — eine gewaltige Stichflamme aus Villa vierzehn. Aus einem Fenster! Dem Fenster, das zum Schlafzimmer der luxuriösen Villa gehören mußte.

Fontaine erreichte den Weg, der zur Eingangstür führte. Ein ungeheurer Blitz schlug so nahe ein, daß die Erde unter ihm bebte. Er fiel zu Boden, rappelte sich wieder hoch und kroch auf den Knien zum Eingang, der durch ein flackerndes Licht erhellt wurde. Er kam auf die Füße. Aber wie er auch drehte, zog und drückte, das Schloß ging nicht auf. Er griff nach der Pistole, drückte zweimal ab und schoß das Schloß weg. Dann ging er hinein.

Dort. Die Schreie kamen aus dem Schlafzimmer. Der alte Franzose eilte halb taumelnd vorwärts, die Waffe in der rechten Hand schwenkend. Mit all seiner Kraft stieß er die Tür auf und sah eine Szene vor sich, die, so wußte er, nur eine Ausgeburt der Hölle sein konnte.

Die Schwester, den Kopf des alten Richters in einer Metall schlinge, versuchte mit aller Gewalt ihr Opfer in das lodernde Kerosinfeuer auf dem Boden zu drücken.

«Arretez!« schrie der alte Franzose. »Assez, maintenant!«

Durch die auflodernden, sich ausbreitenden Flammen krachten Schüsse, und Körper polterten zu Boden.

Die Lichter der Bucht von Tranquility kamen näher. John St. Jacques brüllte ins Mikrofon:»Ich bin es! Es ist St. Jacques, der kommt! Nicht schießen!«

Aber das schlanke, silberne Patrouillenboot wurde von Staccato-Gewehrfeuer aus automatischen Waffen begrüßt. St. Jacques warf sich auf Deck und schrie weiter.»Ich komme rein

— ich lande. Hört mit dem verdammten Feuer auf!«

«Bist du es, John?«kam eine panische Stimme über Funk.

«Willst du nächste Woche auch noch Lohn bekommen?«

«Na klar, Mister!«Die Strandlautsprecher bellten durch den Sturm und den Donner von Basse-Terre her.»Alle Leute unten am Strand, aufhören mit dem Schießen! Das Boot ist okay! Es ist unser Boß, Mr. St. Jacques!«

Das Patrouillenboot schoß aus dem Wasser und auf den weißen Sand. Die Maschinen heulten auf, der Propeller grub sich ein, und der spitze Bug zerbrach durch den Aufprall. St. Jacques sprang aus seiner Schutzstellung und hechtete über Bord.

«Villa zwanzig!«brüllte er und rannte durch den Wolkenbruch zu den steinernen Stufen, die zum Weg hochführten.»Alle Leute, dorthin!«Als er die harten, regenfeuchten Treppen hinauf jagte, schnappte er plötzlich nach Luft. Gewehrschüsse! Einer und noch einer. Auf der Ostseite! Seine Beine sprangen noch schneller, nahmen zwei, drei Stufen auf einmal. Er erreichte den Weg und rannte wie ein Besessener zur Villa zwanzig, während er sich in wilder Konfusion umschaute. Leute — Männer und Frauen von seinem Stab — drängten sich um den Eingang zur Villa vierzehn!.. Wer war dort?… Mein Gott, der Richter!