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Seiten, geliebt von denen, die Gründe haben, ihn zu lieben, verabscheut von anderen, die ihn als den Inbegriff des Bösen ansehen — je nach Gesichtspunkt. Alle haben ihre Gründe, und beide Seiten existieren. Ich zum Beispiel bin einer, der beides erfahren hat, aber deshalb, weil meine Welt nicht die Ihre ist, wie Sie richtig bemerkt haben, heiliger Thomas von Aquin.«

«Merd bien.«

«Der Haß, von dem Carlos besessen ist, wächst in seinem alternden Hirn wie ein Krebsgeschwür. Ein Mann zerrte ihn hervor, ein Mann trickste ihn aus, usurpierte seine Fähigkeiten, riß die Arbeit des Schakals an sich, einen Mord nach dem anderen. Und trieb Carlos in den Wahnsinn, als er versuchte, das Bild zu korrigieren und seine Oberhoheit als bester Mörder zu behalten. Eben jener Mann war auch verantwortlich für den Tod seiner Geliebten. Sie war mehr als eine Geliebte, sie war sein Ruhepunkt, sein ein und alles seit der Kindheit in Venezuela, seine Vertraute in allem. Dieser eine Mann — einer von Hunderten, vielleicht Tausenden, die von allen möglichen Regierungen ausgesandt wurden — war der einzige Mensch, der je sein Gesicht sah, sein Gesicht als Schakal. Der Mann, der all das leistete, war ein Produkt des amerikanischen Geheimdienstes, ein seltsamer Mann, der tagtäglich eine tödliche Lüge lebte, jahrelang. Und Carlos wird nicht eher ruhen, bevor dieser Mann nicht gestraft ist… und getötet. Dieser Mann ist Jason Borowski.«

Prefontaine, erschüttert von der Geschichte des Franzosen, beugte sich über den Tisch.»Wer ist Jason Borowski?«fragte er.

«Mein Mann, David Webb«, antwortete Marie.

«Oh, mein Gott«, flüsterte der Richter.»Kann ich einen Drink haben, bitte?«

John St. Jacques rief:»Ronald!«

«Ja, Boß!«schrie einer von den Wachen.

«Bring uns bitte Whisky und Brandy. Es müßte noch was in der Bar sein.«

«Ich komme, Sir.«

Die orangefarbene Sonne im Osten erglühte plötzlich und durchdrang die restlichen Morgennebel über dem Meer. Das Schweigen am Tisch wurde von den weichen, deutlich betonten Worten des alten Franzosen gebrochen.»Ich bin an solchen Service nicht gewöhnt«, sagte er und schaute ziellos über das Balkongitter auf das immer heller erstrahlende Meer.»Wenn etwas verlangt wird, denke ich immer, ich müßte es erledigen.«

«Nicht mehr«, sagte Marie ruhig und fügte nach einem Moment hinzu:»Jean Pierre…?«

«Ich denke, man könnte mit dem Namen leben.«

«Warum nicht hier?«

«Was sagen Sie, Madame?«

«Denken Sie darüber nach. Paris ist für Sie vielleicht nicht weniger gefährlich als die Straßen von Boston für unseren Richter.«

Der Richter hing seinen eigenen Träumen nach, als verschiedene Flaschen, Gläser und ein Behälter mit Eiswürfeln auf den Tisch gestellt wurden. Ohne Zögern griff Prefontaine nach der nächsten Flasche und schenkte sich einen kräftigen Drink ein.»Ich muß ein oder zwei Fragen stellen«, sagte er.»Darf ich?«

«Nur zu«, antwortete Marie.»Ich bin nicht sicher, ob ich sie beantworten kann oder will, aber versuchen Sie es.«

«Die Schüsse, die Worte an der Wand — mein Cousin hier sagt, daß die rote Schrift und die Worte auf seine Anweisung hin…«

«Waren sie, man ami. Das Abfeuern der Schüsse ebenfalls.«

«Warum?«»Alles muß so sein, wie man es erwartet. Die Schüsse waren ein zusätzliches Element, um die Aufmerksamkeit auf das Ereignis zu lenken, das stattfinden sollte.«

«Warum?«

«Eine Lektion, die wir in der Resistance gelernt haben nicht, daß ich je ein Jean Pierre Fontaine gewesen wäre, aber ich habe mein Teil dazu beigetragen. Man nannte es accentuation, ein positives Statement, das deutlich machen sollte, daß der Untergrund für die Aktion verantwortlich war. Alle in der Nachbarschaft wußten es.«

«Und warum hier?«

«Die Krankenschwester des Schakals ist tot. Es gibt niemanden, der ihm sagen könnte, daß seine Instruktionen durchgeführt wurden.«

«Französische Logik. Unverständlich.«

«Französischer gesunder Menschenverstand. Unbestreitbar.«

«Warum?«

«Carlos wird morgen mittag hiersein.«

«Herr im Himmel!«

Drinnen in der Villa klingelte das Telefon. John St. Jacques sprang aus seinem Stuhl hoch, wurde aber von seiner Schwester zurückgehalten. Sie lief durch die Tür ins Wohnzimmer und griff zum Hörer.

«David?«

«Hier Alex«, sagte die atemlose Stimme in der Leitung.»Mein Gott, drei Stunden lang hab ich es immer wieder probiert, zu euch durchzukommen. Geht es euch gut?«

«Wir leben, auch wenn wir es eigentlich nicht mehr dürften.«

«Die alten Männer! Die alten Männer von Paris! Ist Johnny… «

«Johnny ist da, aber sie sind auf unserer Seite!«»Wer?«

«Die alten Männer.«

«Verdammt, das ist dummes Zeug!«

«Nein! Wir haben alles unter Kontrolle. Was ist mit David?«

«Weiß ich nicht! Die Telefonleitungen waren unterbrochen. Alles ist durcheinander! Ich hab die Polizei geschickt…«

«Scheiß auf die Polizei, Alex!«schrie Marie.»Hol die Armee, die Marine, die lausige CIA! Wir sind dazu verpflichtet!«

«Das würde Jason nicht erlauben. Ich kann mich jetzt nicht an ihn wenden.«

«Dann denk über folgendes nach: Morgen wird der Schakal hiersein!«

«Großer Gott! Ich muß David irgendwie einen Jet besorgen.«

«Du mußt etwas tun!«

«Du verstehst nicht, Marie. Die alte Medusa ist aufgetaucht.«

«Sage meinem Mann, daß Medusa der Geschichte angehört! Der Schakal nicht, er wird morgen mit dem Flugzeug hier eintreffen!«

«David wird dort sein, das weißt du.«

«Ja, weiß ich… weil er Borowski ist.«

«Bruder Rabbit, es ist nicht mehr wie vor dreizehn Jahren. Du bist nun einmal dreizehn Jahre älter. Du wirst nicht nur nutzlos sein, sondern sogar ein Risikofaktor, wenn du nicht etwas Ruhe bekommst, am besten Schlaf. Mach das Licht aus und schlaf dich auf dem großen Sofa drinnen im Wohnzimmer erst einmal aus. Ich bleibe am Telefon, was sowieso nicht kungeln wird, weil hier niemand um vier Uhr früh anruft.«

Nach diesen Worten von Kaktus ging Jason mit schweren Beinen und bleiernen Lidern in das dunkle Wohnzimmer. Er sank auf das Sofa und hob seine Beine, eins nach dem anderen, auf die Kissen. Er starrte an die Decke. Ruhe ist eine Waffe.

Schlachten, gewonnen und verloren… Philippe D'Anjou. Medusa. Sein innerer Bildschirm erlosch, und Schlaf übermannte ihn.

Eine gellende Sirene heulte auf, ohrenbetäubend, unaufhörlich, und hallte durch das höhlenartige Haus wie ein Lärmtornado. Borowski schnellte herum und sprang vom Sofa auf, ohne Orientierung zuerst, unsicher, wo er war und — einen furchtbaren Augenblick lang — wer er war.

«Kaktus!«brüllte er und rannte aus dem Wohnzimmer in die Diele.»Kaktus!«schrie er wieder und merkte, wie seine Stimme in dem wahnsinnigen, rhythmischen Crescendo der Alarmsirene unterging.»Wo bist du?«

Nichts. Er rannte zur Tür des Arbeitszimmers und packte die Klinke. Verschlossen! Er tat einen Schritt zurück und warf sich gegen das Holz, einmal, zweimal, ein drittes Mal mit all der Kraft, die er aufbringen konnte. Die Tür splitterte, gab nach, und Jason trat mit den Füßen dagegen, bis sie aufsprang. Er ging hinein, und was er fand, das ließ die Tötungsmaschine, das Produkt von Medusa, in eiskalter Wut erstarren. Kaktus war auf den Tisch gesunken, unter dem Licht der einzigen Lampe, in demselben Stuhl, in dem auch der General ermordet worden war, und sein Blut bildete eine rote Pfütze auf der Löschunterlage — eine Leiche, nein, keine Leiche! Die rechte Hand bewegte sich, Kaktus lebte!