«Es ist fair, bis ich das Gegenteil sage, und sie sind Dreckspatzen, bis sie mich überzeugt haben, daß sie es nicht sind. Du kennst die alten Männer des Schakals nicht — ich ja. Sie sagen alles, tun alles, lügen und schleimen sich zur Hölle und zurück, und wenn du dich rumdrehst, stechen sie dir ein Messer in den Rücken. Er besitzt sie Körper, Geist und was von ihren Seelen übriggeblieben ist… Steig jetzt ins Flugzeug, es wartet.«
«Willst du nicht die Kinder sehen? Sag Jamie, daß…«
«Nein, es ist keine Zeit! Bring sie weg, Johnny und ich möchten den Strand untersuchen.«
«Es gibt nichts, was ich nicht schon untersucht hätte«, sagte St. Jacques mit leicht gereizter Stimme.
«Ich werde dir sagen, ob das stimmt oder nicht«, schoß Borowski zurück, mit wütendem Blick. Er lief schon über den Sand und fügte, ohne sich umzudrehen, mit lauter Stimme hinzu:»Ich habe ein Dutzend Fragen an dich, und ich bete zu Gott, daß du sie beantworten kannst.«
St. Jacques straffte sich und machte einen Schritt vorwärts, wurde aber von seiner Schwester aufgehalten.»Laß ihn«, sagte Marie mit der Hand auf seinem Arm.»Er hat einfach Angst.«
«Was? Er ist ein verdammter Hurensohn, das ist er.«
«Ja, ich weiß.«
Der Bruder sah die Schwester an.»Der Fremde, von dem du gestern gesprochen hast?«
«Ja, nur jetzt ist es noch schlimmer. Und deshalb hat er Angst.«
«Ich verstehe nicht.«
«Er ist älter geworden. Er ist jetzt fünfzig, und er fragt sich, ob er noch die Dinge tun kann, die er früher konnte, vor vielen Jahren, im Krieg, in Paris, in Hongkong. Das nagt an ihm, frißt ihn auf, weil er weiß, daß er besser sein muß, als er je war.«
«Ich denke, daß er es kann.«
«Ich weiß, daß er es kann, weil er außergewöhnliche Gründe dafür hat. Schon einmal wurden ihm eine Frau und zwei Kinder genommen. Er kann sich kaum an sie erinnern, aber was damals geschah, war der Beginn seiner Qualen. Mo Panov glaubt das und ich auch… Jetzt, Jahre später, ist eine andere Frau, sind zwei andere Kinder in Gefahr, und jede Faser seiner Nerven muß zum Zerreißen gespannt sein.«
Aus hundert Metern Entfernung schrie Borowski:»Beeilt euch, verdammt!.. Und Johnny, du Experte, ist dir aufgefallen, daß dort draußen vor dem Riff eine Sandbank ist?«
«Antworte ihm nicht erst, Johnny.«»Eine Sandbank? Wovon redet er nur, zum Teufel?… Oh, mein Gott, ich verstehe!«
«Ich nicht«, sagte Marie, während sie die Pier entlangliefen.
«Die Insel ist zu achtzig Prozent von Riffen umgeben, diese Bucht etwa zu fünfundneunzig Prozent. An ihnen brechen sich die Wellen, deshalb heißt sie Tranquility Island. Es gibt am Ufer keine hohen Wellen.«
«Und?«
«Wenn jemand also einen Unterwassertank benutzen würde, könnte er auf der Sandbank vor dem Riff landen, durch die Einfahrt in die Bucht kommen, wenn die Luft rein ist, und dann so lange im ruhigen Wasser liegen, bis er sich einen Wächter schnappen kann. Ist mir nie in den Sinn gekommen.«
«Aber er hat dran gedacht, Bruderherz.«
Borowski saß auf der Tischkante und fixierte die beiden alten Männer vor ihm auf der Couch. Johnny starrte durchs Fenster auf die Bucht.»Warum sollten wir Sie anlügen, Monsieur?«fragte der Held Frankreichs.
«Weil sich das Ganze anhört wie eine klassische französische Farce. Ähnliche Namen, einer tritt durch die eine Tür auf, der andere geht durch die andere Tür ab, Doppelgänger, die verschwinden und wieder auftauchen. Das riecht nach Theater, meine Herren.«
«Haben Sie sich mit Moliere oder Racine beschäftigt…?«
«Nein, aber mit unheimlichen Zufällen; insbesondere, wenn der Schakal im Spiel ist.«
«Ich glaube nicht, daß wir uns besonders ähnlich sehen«, meinte der Richter aus Boston.»Höchstens in bezug auf unser Alter.«
Das Telefon läutete. Jason hob ab.»Ja?«
«Alles durchgecheckt in Boston«, sagte Conklin.»Sein Name ist Prefontaine, Brendan Prefontaine. Er war Bundesrichter am
Obersten Gericht und wurde wegen unlauterer Machenschaften verurteilt — das heißt, er war dick im Schmiergeldgeschäft. Er wurde zu einundzwanzig Jahren verurteilt und hat zehn davon abgesessen, genug, um seine Karriere endgültig zu zerstören. Seitdem ist er, könnte man sagen, nur noch Alkoholiker, aber harmlos. Wenn er klar im Kopf ist, gibt er den Anwälten seiner Gaunerfreunde clevere Ratschläge, die schon manchen Freispruch und manche Strafminderung bewirkt haben sollen. Sein >Anwaltsbüro< sind Kneipen und Spielhallen. Ich kenne das Milieu… ich glaube, er ist sauber.«
«Du bist trocken.«
«Wenn ich mich in dieser zwielichtigen Gesellschaft so gut zurechtgefunden hätte wie er, wäre ich vielleicht noch dabei. Wein hat auch sein Gutes.«
«Was ist mit seinem Auftraggeber?«
«Schreckenerregend. Unser ehemaliger Richter war mal Außerordentlicher Professor an der Juristischen Fakultät von Harvard, und Gates war eine Zeitlang sein Schüler. Keine Frage, daß Prefontaine den Mann kennt… Vertraue ihm, Jason. Es gibt keinen Grund für ihn zu lügen. Er wollte einfach einen Volltreffer landen.«
«Verfolgst du Gates weiter?«
«Mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. Er ist unsere Verbindung zu Carlos… Die Gates-Medusa-Connection war eine falsche Spur: ein dämlicher Versuch eines dämlichen Pentagon-Generals, einen Medusa-Mann in den Kreis des einflußreichen Juristen zu pflanzen.«
«Bist du sicher?«
«Jetzt ja. Gates ist der hochbezahlte Berater einer Kanzlei, die einen mächtigen Waffenproduzenten vertritt, gegen den wegen Verstoßes gegen die Antitrust-Gesetze ermittelt wird. Gates hätte nicht mal die Anrufe von Swayne beantwortet, und wenn doch, wäre er dämlicher als Swayne, was er nicht ist.«
«Das ist jetzt dein Problem, mein Freund, nicht meins. Wenn alles läuft wie geplant, habe ich mit der Schlangenlady nichts mehr zu tun.«
«Danke für den Schwarzen Peter. Übrigens, das Notizbuch, das du dem Pistolenschützen in Manassas abgenommen hast, enthält einige interessante Dinge.«
«Ja?«
«Erinnerst du dich an die drei Fluggäste aus dem Mayflower, die acht Monate, nachdem sie ungefähr gleichzeitig nach Philadelphia geflogen waren, auch noch im selben Hotel abgestiegen sind?«
«Sicher.«
«Ihre Namen stehen in Swaynes Notizbuch. Sie hatten nichts mit Carlos zu tun, sie gehören zu Medusa.«
«Das interessiert mich jetzt nicht mehr. Macht das Beste draus.«
«Werde ich auch, und zwar in aller Stille. Das Notizbuch wird in ein paar Tagen sehr gefragt sein!«
«Freut mich für dich, aber ich habe zu tun.«
«Und du willst mir nicht helfen?«
«Tut mir leid. Aber auf das hier habe ich dreizehn Jahre gewartet. Das ist es, was ich von Anfang an wollte. Mann gegen Mann.«
«High Noon, du verdammter Idiot?«
«Nein, nur die logische Fortsetzung eines äußerst komplizierten Schachspiels. Wer die beste Falle stellt, gewinnt. Und ich habe die beste, weil ich seine benutze. Er würde jede Abweichung riechen.«
«Wir haben dich einfach zu gut ausgebildet, Mann.«
«Danke.«
«Weidmannsheil, Delta.«
«Good bye. «Borowski legte auf. Neugierig blickten die beiden Alten ihn an.»Unsere Kontrollen sind gut, Richter, und Sie haben's geschafft. Ich glaube Ihnen. Und Sie, Jean Pierre, was soll ich sagen? Obwohl Sie ohne Probleme hätten töten können, sagt mir meine eigene Frau, daß ich Ihnen trauen soll. Das alles macht keinen rechten Sinn, oder?«
«Ich bin, was ich bin, und ich tat, was ich tat«, sagte der in Ungnade gefallene Richter mit Würde.»Aber Gates ist zu weit gegangen. Er muß vernichtet werden.«
«Ich kann mich zwar nicht so gut ausdrücken wie mein gelehrter neuer Verwandter«, warf der alte Held Frankreichs ein.»Aber ich weiß, daß das Töten aufhören muß diese Art Töten. Das ist es, was meine Frau versuchte, mir beizubringen. Hier geht's nicht mehr um Geschäfte, oder besser: harte