«Über den Sturm?«fragte der ehemalige Koreakämpfer und jetzige Besitzer von Kanadas größter Maschinenbaufirma.»Ein Sturm ist ein Sturm. Was gibt es da zu erklären?«
«Oh, zum Beispiel, warum sie entstehen und warum sie so schnell vorübergehen. Wie man sich verhalten soll, um Panik zu vermeiden.«
«Wir sollen also alle kommen?«
«Ja.«
«Kann das Dave hilfreich sein?«
«Ja, bestimmt.«
«Dann wird der Saal voll sein. Dafür garantiere ich.«
«Wäre mir lieb, aber wie wollen Sie das anstellen?«
«Ich werde noch ein Programm in Umlauf bringen, mit der Notiz, daß Angus MacPherson McLeod, Vorsitzender der All Canada Engineering, zehntausend Dollar als Preis für die intelligenteste Frage des Abends ausschreibt. Wie war's damit, Johnny? Reiche Leute sind geldgierig, das ist ihre grundlegende Schwäche.«
«Ich nehme Sie beim Wort«, murmelte Johnny.
«Gehn wir«, sagte McLeod.»Wir werden zuerst ein Weilchen mit Tränen in den Augen herumlaufen. Und dann, du Idiot von einem Oberst — das bist du nämlich, du Bastard —, werden wir einen Zahn zulegen und nur noch von den zehntausend und dem kostenlosen Dinner reden… Das wird eine Bombenparty heute abend, Johnny. «McLeod machte kehrt und ging zur Tür.
«Scotty«, schrie der Mann des Glaubens und stürzte hinter ihm her.»Du handelst wieder mal völlig überstürzt! Ich glaube nicht, daß das alles so einfach ist.«
«Du wirst schon sehen. Ich weiß, wie die Leute sind… Deswegen bin ich reich geworden. Und jetzt werde ich gleich echte Tränen vergießen. Eine weitere Fähigkeit, die zu meinem Wohlstand beigetragen hat.«
In einem dunklen Lagerraum im dritten Stock des Hauptgebäudes vom Tranquility Inn saßen Borowski und der alte Franzose auf zwei Stühlen vor einem Fenster. Die Villen unten erstreckten sich rechts und links der Steintreppe, die zum Strand und zum Anlegeplatz hinunterführte. Durch zwei starke Ferngläser beobachteten sie jeden, der auf den Wegen entlangging oder die Treppe hinauf- und hinunterlief. Ein kleines tragbares Funkgerät, eingestellt auf die hoteleigene Frequenz, stand auf der Fensterbank.
«Er ist in unserer Nähe«, sagte Fontaine leise.
«Was?«brach es aus Borowski heraus. Er riß das Fernglas herunter und drehte sich zu dem alten Mann um.»Wo? Sagen Sie mir, wo!«
«Wir haben ihn noch nicht im Blickfeld, aber er ist in der Nähe.«
«Wie meinen Sie das?«
«Ich kann es spüren, wie ein Tier, das bereits ein Gewitter herannahen fühlt, wenn der Himmel noch blau ist. Es ist in einem drin. Es ist die Angst.«
«Das ist nicht sehr klar.«
«Für mich schon. Vielleicht verstehen Sie das nicht. Wie man mir sagte, kennt der Herausforderer des Schakals, das Chamäleon, dieser Killer namens Jason Borowski, keine Furcht. Man sagte uns, er ist so tollkühn, weil er so stark ist.«
Jason lächelte grimmig, ablehnend.»Dann hat man euch eine Lüge aufgetischt«, sagte er leise.»Ein Teil dieses Mannes lebt mit einer solchen Angst, wie sie nur wenige Menschen jemals erfahren haben.«
«Das kann ich nur schwer glauben, Monsieur…«
«Glauben Sie's nur.«
«Wirklich, Mr. Webb? Zwingen Sie sich, ein anderes Ich anzunehmen, weil Sie Angst haben?«
David Webb starrte den alten Mann an.»Was habe ich denn für eine Wahl?«
«Sie könnten für eine Weile verschwinden, Sie und Ihre Familie. Sie könnten in Frieden leben, in Sicherheit. Ihre Regierung würde schon dafür sorgen.«
«Er würde mich verfolgen — uns —, wo immer wir wären.«
«Wie lange denn noch? Ein Jahr? Achtzehn Monate? Gewiß weniger als zwei Jahre. Er ist ein kranker Mann. Ganz Paris — mein Paris — weiß das. Außerdem, dieser ganze verdammte komplizierte Plan, um Sie in die Falle zu locken, verschlingt sehr viel Geld. Ich wette, daß es Carlos' letzter Versuch ist. Gehen Sie fort, Monsieur. Treffen Sie Ihre Frau in Basse-Terre und fliegen Sie weit weg, solange Sie es noch können. Lassen Sie ihn nach Paris zurückkehren und frustriert sterben. Ist das nicht genug?«
«Nein. Er würde mich verfolgen, uns! Es muß hier ausgetragen werden! Jetzt!«
«Ich werde wohl bald meiner Frau folgen, und deshalb kann ich es mir leisten, Leuten zu widersprechen — Männern wie Ihnen zum Beispiel, Monsieur le cameleon —, denen ich früher automatisch zugestimmt hätte. Ich denke, Sie könnten weggehen. Ich glaube auch, daß Sie den Schakal wirklich vergessen und Ihr eigenes Leben leben könnten, aber Sie wollen es nicht. Irgend etwas in Ihnen wehrt sich dagegen. Dabei wäre ein strategischer Rückzug durchaus ehrenhaft. Doch Ihnen ist egal, wieviel Blut noch vergossen werden wird. Ihre Familie ist in Sicherheit, und Sie wollen den Sieg.«
«Ich denke, das reicht«, unterbrach ihn Borowski, hob das Fernglas und konzentrierte sich auf die Szene vor dem Fenster.
«Aber es ist doch so, oder etwa nicht?«fragte der Franzose und studierte Borowskis Gesicht.»Die CIA hat Sie zu gut trainiert, hat die Person, die Sie zu werden hatten, zu tief in Ihnen verankert. Jason Borowski gegen Carlos, den Schakal.
Und Borowski muß gewinnen!.. Zwei alte, ineinander verbissene Löwen, beide mit einem brennenden Haß, der ihnen von fernen Strategen eingepflanzt wurde, die keine Ahnung hatten von den Konsequenzen. Wie viele Menschen haben schon ihr Leben verloren, weil sie euch beiden in die Quere kamen? Wie viele unbekannte Männer und Frauen sind getötet worden…«
«Halt's Maul!«schrie Jason, als ihm die Bilder aus Paris, aus Hongkong, Macao und Peking — und seine letzte Nacht in Manassas — durchs Hirn schössen.
Plötzlich ging die Tür auf, und Brendan Prefontaine kam atemlos herein.
«Er ist hier. Eine der Patrouillen von St. Jacques, eine Einheit aus drei Leuten, konnte mit einemmal nicht mehr über Funk erreicht werden. St. Jacques schickte einen Mann, um zu sehen, warum, und der ist gerade zurückgekehrt — und anschließend auf und davon. Alle drei sind umgebracht worden, jeder mit einem Schuß in die Kehle.«
«Der Schakal!«rief der Franzose.»Es ist sein Zeichen. Er kommt!«
Kapitel 16
Die Nachmittagssonne hing unbeweglich am Himmel und versengte das Land. Obwohl mehrere Wasserflugzeuge landeten, um ein paar verschreckte Gäste auszufliegen, betrachteten die meisten das mörderische Ereignis der Nacht zuvor eher als ein abenteuerliches Intermezzo. Aufgeregt tuschelte man von einem Racheakt: Ein Mann war in eine Vendetta gegen alte Feinde verstrickt, ein Killer, der vor langer Zeit von der Insel geflohen war. Mit der Entfernung der häßlichen Särge und des gestrandeten Rennbootes kehrte der gewohnte Zustand wieder ein — nicht völlig natürlich, denn es gab einen trauernden Menschen unter ihnen, aber der war außer Sichtweite und würde, so sagte man, bald verschwinden. Nicht sie selbst. Das Leben mußte schließlich weitergehen. Die beruhigenden offiziellen Nachrichten des Inselradios und die diskreten bewaffneten Wachen taten ein übriges. Sieben Ehepaare blieben im Hotel.
«Mein Gott, wir bezahlen sechshundert Dollar am Tag…«
«Uns verfolgt niemand…«
«Scheiße, Mann, nächste Woche geht die Alltagsmühle sowieso wieder los…«
«Keine Aufregung, Shirley, es werden keine Namen genannt werden, das haben sie versprochen…«
Unter dem glühenden Feuerball der Nachmittagssonne kehrte auf dem kleinen Eiland inmitten des riesigen karibischen Meeres wieder Normalität ein. Mit jeder neuen Schicht Sonnenöl, mit jedem Glas Planters Punch geriet der Tod mehr und mehr in Vergessenheit. Kleine Wellen schlugen in vertrauter Weise auf den weißen Strand, und das blaugrüne Wasser umspülte die Badenden.
«Dort!«schrie der Held Frankreichs.
«Wo?«