«Die vier Priester. Die in einer Linie den Weg herunterkommen.«
«Aber es sind Schwarze!«
«Die Hautfarbe sagt gar nichts.«
«Er selbst war ein Priester, als ich ihn damals in Neuilly-sur-Seine gesehen habe«, gab Jason zu.
Fontaine senkte das Fernglas.»In der Kirche des Heiligen Sakraments?«fragte er leise.
«Ich entsinne mich nicht… Was meinen Sie: Welcher ist es?«
«Sie sahen ihn als Priester?«
«Und der Hurensohn sah mich. Er wußte, daß ich wußte, daß er es war. Welcher mag es sein?«
«Er ist nicht dabei, Monsieur«, sagte Jean Pierre und senkte langsam wieder das Fernglas.»Das ist ein weiteres Zeichen. Er ist ein Meister der Geometrie. Für ihn gibt es keine gerade Linie, nur endlos viele Verzweigungen und Ebenen.«
«Das hört sich verdammt orientalisch an.«
«Dann verstehen Sie. Er hat die Idee, daß Sie vielleicht doch nicht in der Villa sind, und er will Ihnen zeigen, daß er es weiß.«
«In Neuilly-sur-Seine… «
«Nein, hier ist es anders. Im Moment kann er noch nicht sicher sein. In der Kirche des Heiligen Sakraments war er sicher.«
«Wie geht das Spiel weiter?«
«Was meint das Chamäleon, wie es weitergehen müßte?«
«Das einfachste wäre, nichts zu tun«, antwortete Borowski, die Augen auf die Szene vor ihnen gerichtet.
«Ich glaube, Sie haben recht.«
Jason langte nach dem Funkgerät auf dem Fensterbrett.»Johnny?«
«Ja?«
«Die vier schwarzen Priester auf dem Weg, siehst du sie?«
«Ja.«
«Laß sie von einer Wache anhalten und in die Lobby führen. Laß ihnen ausrichten, der Besitzer wolle sie sprechen.«
«Mensch, die wollen nicht in die Villa, die gehen nur vorbei und lesen Gebete für die Toten. Der Vikar aus der Stadt hat mich angerufen, und ich hab sie reingelassen. Sie sind okay, David.«
«Zum Teufel«, sagte Borowski.»Tu bitte, was ich sage.«
Das Chamäleon drehte sich auf seinem Stuhl um und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Dann ging er zu einer Kommode mit Spiegelaufsatz, riß die Automatic aus seinem Gürtel, zerschlug das Glas, nahm eine Scherbe und brachte sie Fontaine.»Geben Sie mir damit von Zeit zu Zeit ein Zeichen, daß alles okay ist.«
«Was wollen Sie tun?«
«Genau was er jetzt auch macht. Ein Inseltourist sein, ein bummelnder Gast des Tranquility Inn. «Borowski nahm wieder das Funkgerät.»Geh bitte ins Herrengeschäft in der Lobby und kauf mir eine Guayabera-Jacke, ein Paar Sandalen, einen breitrandigen Strohhut und ein Paar Shorts. Und schick jemanden in den Seglerladen, um mir eine Leine zu besorgen, fünfzig Kilo Zugkraft, ein Schuppmesser — und zwei Seenotraketen. Ich treffe dich oben an der Treppe. Beeil dich bitte.«
«Sie wollen also nicht auf mich hören«, sagte Fontaine bedauernd und sah Jason an. »Monsieur le cameleon geht an die Arbeit.«
«Ja«, sagte Borowski und stellte das Funkgerät wieder aufs Fensterbord.
«Vielleicht werden Sie oder der Schakal oder Sie beide getötet, und vielleicht sterben auch noch andere…«
«Das ist nicht meine Schuld.«
«Spielt das eine Rolle? Spielt das eine Rolle für die Opfer und ihre Familien, wer tatsächlich verantwortlich ist?«
«Ich habe mir die Umstände nicht ausgesucht.«
«Sie könnten sie ändern.«
«Er auch.«
«Er hat kein Gewissen…«
«Ausgerechnet Sie kommen mir mit meinem Gewissen!«
«Da haben Sie recht. Aber ich habe etwas verloren, was mir sehr wichtig war. Vielleicht kann ich deshalb ein Gewissen in Ihnen wecken — in einem Teil von Ihnen.«
«Hören Sie endlich auf mit dem scheinheiligen Mist. «Jason ging zur Tür, wo die Militärjacke und die Offiziersmütze auf einem alten Kleiderständer hingen.»Sie langweilen mich!«
«Wollen Sie nicht beobachten, wie die Priester reagieren? Es wird sowieso noch etwas dauern, bis St. Jacques die Sachen besorgt hat.«
Borowski drehte sich um; kalt richtete er seinen Blick auf den Franzosen. Er wollte weg, weg von dem alten Mann, der zuviel redete, zuviel sagte! Aber Fontaine hatte recht. Es wäre dumm, nicht zu verfolgen, was da unten passierte. Eine unbeholfene, untypische Reaktion, ein abrupter, erschrockener Blick in eine unerwartete Richtung — es waren die kleinen, unfreiwilligen Dinge, die ungenauen kleinen Bewegungen, die so oft den verborgenen Faden verrieten, die Zündschnur, die zur Bombe führte. Schweigend ging Jason zurück zum Fenster, nahm das Fernglas und sah hindurch. Ein Polizeioffizier näherte sich etwas gehemmt der Prozession der vier Priester. Er nickte, als die vier stehenblieben, um ihn anzuhören, und machte eine höfliche Geste in Richtung der Glastür, die zur Lobby führte.
Borowskis Augen suchten das Bild, das sich ihm bot, genau ab, studierten die Züge jedes einzelnen der vier Priester.
«Sehen Sie, was ich sehe?«
«Der vierte, der ganz hinten«, antwortete Fontaine.»Er ist alarmiert, die anderen nicht. Er hat Angst.«
«Er wurde gekauft.«
«Dreißig Silberlinge«, stimmte der Franzose zu.»Gehen Sie hinunter und greifen Sie sich ihn.«
«Natürlich nicht«, korrigierte Jason.»Er ist genau da, wo ich ihn haben will. «Jason griff erneut nach dem Funkgerät.»Johnny?«
«Ja?… Ich bin noch im Laden. Ich komme gleich rauf.«
«Diese Priester, kennst du sie?«
«Nur einen von ihnen, den Vikar. Er kommt oft her, um Geld zu sammeln. Das sind keine richtigen Priester, David, es sind Prediger, sie gehören zu einem Orden hier von der Insel. Sehr religiös.«
«Welcher ist der Vikar?«
«Er geht immer vorweg.«
«Gut… Eine kleine Änderung der Pläne. Bring die Kleider in dein Büro und geh dann zu den Priestern. Sage ihnen, daß ein Regierungsbeamter sie sehen möchte, um ihnen für ihre Gebete einen Betrag zu überreichen.«
«Was?«
«Erklär ich dir später. Jetzt beeile dich. Ich treffe dich in der Lobby.«»Du meinst mein Büro, oder? Ich hab übrigens alles besorgt.«
«Das kommt später, wenn ich die Uniform wieder ausziehe. Hast du eine Kamera in deinem Büro?«
«Drei oder vier. Du glaubst nicht, was die Leute hier alles vergessen.«»Leg sie zu den Kleidern«, unterbrach Jason.»Mach schon!«
Borowski gab Fontaine das Funkgerät.»Hier, nehmen Sie. Ich besorge mir noch eins, und wir bleiben in Verbindung… Was passiert unten?«
«Sie gehen zur Glastür. Unser Mann sieht sich dauernd um. Er scheint wirklich Angst zu haben.«
«Wohin schaut er?«fragte Borowski und griff selbst wieder zum Fernglas.
«Das hilft nichts. In alle Richtungen.«
«Verdammt!«
«Jetzt sind sie am Eingang.«
«Ich mach mich fertig…«
«Ich helfe Ihnen. «Der alte Franzose stand auf und ging zum Kleiderständer.»Zeigen Sie ihnen nur nicht Ihren Rücken. Der Adjutant des Gouverneurs ist dicker als Sie, wir müssen die Jacke hinten etwas zusammenstecken.«
«Mit so was haben Sie wohl Erfahrung, wie?«fragte Jason und streckte die Arme aus, um sich in die Jacke helfen zu lassen.
«Die deutschen Soldaten waren immer viel fetter als wir, besonders die Unteroffiziere und die Feldwebel — das ganze Pack, Sie wissen schon. Da hatten wir unsere Tricks. «Plötzlich, als hätte er einen Herzschlag, schnappte Fontaine nach Luft und begann zu taumeln. »Mon Dieu!.. C'est terrible! Der Gouverneur…«
«Was?«
«Der Gouverneur der Krone!«
«Was ist mit ihm?«
«Am Flughafen, es ging alles so überstürzt, so schnell!«schrie der alte Franzose.»Und alles, was geschah — meine Frau, das Töten… nein, das ist unverzeihlich von mir!«
«Wovon reden Sie?«»Der Mann in der Villa, der Offizier, dessen Uniform Sie anhaben. Er ist sein Adjutant!«
«Das wissen wir.«
«Aber was Sie nicht wissen, Monsieur, ist, daß ich meine ersten Instruktionen vom Gouverneur erhielt.«