«Wir sind keine Engel, Mr. DeSole, aber das sind die amerikanisch kontrollierten multinationalen Konzerne doch alle nicht«, sagte sein Werber.»Und es stimmt, daß wir das suchen, was man einen wirtschaftlichen Vorteil durch privilegierte Informationen nennen könnte. Geheimnisse, wenn Sie so wollen. Manche sagen, das sei unfair. Aber wir müssen es einfach tun, weil unsere Konkurrenten in Europa und dem Fernen Osten mit denselben Methoden arbeiten. Der Unterschied ist nur, daß die Regierungen dort solche Anstrengungen unterstützen — unsere tut das nicht… Handel, Mr. DeSole, Handel und Profit. Das sind die gesündesten Beschäftigungen auf Erden. Chrysler mag vielleicht Toyota nicht, aber der kluge Mr. Iacocca ruft nicht nach einem Luftangriff gegen Toyota. Zumindest noch nicht. Er findet Mittel und Wege, mit den Japanern gemeinsame Sache zu machen.«
Ja, dachte DeSole, als die Limousine drei Meter vor ihm zum Halten kam. Was er für die» Korporation «leistete, wie er sie gerne nannte, konnte man sogar wohltätig nennen, im Gegensatz zu dem, was er für die CIA tat. Profite sind schließlich wünschenswerter als Bomben… und seine Enkelkinder konnten auf die besten Schulen und Universitäten des Landes gehen. Zwei Männer stiegen aus der Limousine und kamen auf ihn zu.
«Wie sieht denn dieser Webb aus?«fragte Albert Armbruster, Vorsitzender der Bundeshandelskommission, als sie am Rand des Parkplatzes entlanggingen.
«Ich habe nur eine Beschreibung vom Gärtner, der sich hinter einem zehn Meter entfernten Zaun versteckt hielt.«
«Was hat er Ihnen gesagt?«Der Begleiter des Vorsitzenden, der sich nicht vorgestellt hatte, sah DeSole an. Er war klein und stämmig, mit durchdringenden dunklen Augen, dichten Augenbrauen und schwarzen Haaren.»Seien Sie bitte präzise«, fügte er hinzu.
«Nun mal halblang«, protestierte DeSole defensiv, aber bestimmt.»Ich bin präzise in allem, was ich tue, und offen gesagt, wer immer Sie sind, ich mag Ihren Ton nicht im geringsten.«
«Er ist einfach aufgeregt«, sagte Armbruster, als wäre sein Begleiter Luft.»Er ist ein Spaghetti-König aus New York und traut niemandem.«
«Wem kann man in New York denn trauen?«fragte der kleine, dunkle Mann, lachte und stieß Albert Armbruster seinen Ellbogen in den dicken Bauch.»Ihr seid doch die schlimmsten, ihr habt die Banken, amico!«
«Dabei soll es auch bleiben… die Beschreibung bitte. «Der Vorsitzende blickte DeSole an.
«Sie ist unvollständig, aber es gibt eine weit zurückliegende Verbindung zu Medusa, die ich Ihnen erklären werde — präzise.«
«Machen Sie schon, amico«, sagte der Mann aus New York.
«Er ist ziemlich groß, Ende Vierzig, Anfang Fünfzig und…«
«Hat er graue Schläfen?«fragte Armbruster.
«Ja, ich glaube, der Gärtner sagte so was.«
«Das ist Simon«, sagte Armbruster und sah den New Yorker an.»Wer?«DeSole blieb stehen, die beiden anderen ebenfalls.
«Er nannte sich Simon, und er wußte alles über Sie, Mr. CIA«, sagte der Vorsitzende.»Über Sie und Brüssel und die ganze Geschichte.«
«Wovon reden Sie eigentlich?«
«Über die gottverdammte Fax-Verbindung zwischen Ihnen und diesem Knallkopf in Brüssel.«
«Aber die ist top-geheim! Sie steht unter Verschluß!«
«Jemand hat den Schlüssel gefunden, Mr. Präzise«, sagte der New Yorker, ohne zu lächeln.
«Oh, mein Gott, das ist furchtbar! Was soll ich tun?«
«Das ist eine Geschichte zwischen Ihnen und Teagarten, aber rufen Sie ihn möglichst aus einer verdammten Telefonzelle an«, fuhr der Mafioso fort,»einer von euch muß sich was einfallen lassen.«
«Wissen Sie über… Brüssel Bescheid?«
«Es gibt wenig, was ich nicht weiß. «Diesmal lächelte er.
Armbruster lief wütend am Rand des Parkplatzes weiter.»Dieser verdammte Hurensohn ließ mich glauben, er sei einer von uns, und schon hatte er mich am Sack!«Die beiden anderen holten ihn ein, DeSole nur zögernd und ängstlich.»Er schien alles zu wissen, aber wenn ich es mir überlege, warf er mir nur Teile und Brocken zu, ziemlich große Teile und Brocken allerdings: Burton, Sie, Brüssel und ich habe ihm wie ein Idiot den Rest erzählt. Scheiße!«
«Moment mal!«schrie der CIA-Analytiker und zwang die anderen beiden, wieder stehenzubleiben.»Ich verstehe das nicht, ich bin Stratege, aber das verstehe ich nicht. Was hatte David
Webb — oder Jason Borowski — eigentlich letzte Nacht in Swaynes Haus zu suchen?«
«Wer, zum Teufel, ist Jason Borowski?«brüllte Armbruster.
«Der alte Verbindungsmann zu Medusa, den ich gerade erwähnte. Vor dreizehn Jahren hat die CIA David Webb den Namen Jason Borowski gegeben, der ursprüngliche Borowski war damals schon tot. Er wurde auf eine Vier-Null getarnte Mission geschickt. Die ging schief, aber er überlebte.«
«Lieber Gott, was für ein Salat!«
«Was können Sie uns über diesen Webb erzählen… oder Borowski oder Simon oder Cobra? Hört sich ja an wie die reinste Variete-Nummer?«
«Er hat offenbar schon vorher mit verschiedenen Namen und verschiedenen Erscheinungen gearbeitet. Als Borowski wurde er auf einen Mörder angesetzt, den sie Schakal nannten. Er sollte ihn provozieren, ihn hervorlocken und ausschalten.«
«Den Schakal?«fragte der capo supremo der Cosa Nostra erstaunt.»Wie im Film?«
«Nein, nicht im Film, Sie Idiot…«, bellte DeSole ihn an.
«He, langsam, amico.«
«Ilich Ramirez Sanchez, auch als Carlos oder der Schakal bekannt, ein professioneller Killer, der seit einem Vierteljahrhundert von den internationalen Behörden gejagt wird. Es geht sogar das Gerücht, daß er der wirkliche Killer von John F. Kennedy war.«
«Na ja…«, Armbruster war skeptisch.
«Wie auch immer, aus allergeheimster Quelle habe ich jedenfalls erfahren, daß Carlos nach all den Jahren den einzigen lebenden Menschen aufgespürt hat, der ihn identifizieren könnte: Jason Borowski, das heißt David Webb.«
«Woher wissen Sie das?«explodierte Armbruster.
«Oh, ja. Es kam alles ziemlich plötzlich. Es war verwirrend… Ich weiß es von einem pensionierten CIA-Agenten mit einem verkrüppelten Bein — Conklin, Alexander Conklin. Er und ein Psychiater — Panov, Morris Panov — sind enge Freunde von Webb… oder Borowski.«
«Wo sind sie?«fragte der Capo grimmig.
«Sie könnten keinen von ihnen erreichen. Sie stehen beide unter maximum security.«
«Ich habe nicht nach den Verlobungsregeln gefragt, sondern danach, wo sie sind.«
«Gut, Conklin befindet sich auf einer Enklave in Vienna, einem Grundstück, das uns gehört, wo niemand hinkommt. Und Panovs Appartement und Büro werden rund um die Uhr bewacht.«
«Sie geben mir die Adressen, ja?«
«Sicher, aber sie werden garantiert nicht mit Ihnen sprechen.«
«Oh, das wäre aber schade.«
«Aber warum, verdammt«, schrie Armbruster senkte aber sofort seine Stimme,»warum war dieser Webb oder Borowski oder wie auch immer in Swaynes Haus?«
«Das ist eine Lücke, die ich nicht füllen kann«, sagte DeSole.
«'ne was?«
«Das ist ein CIA-Ausdruck für >Weiß ich nicht!««
«Kein Wunder, daß dieses Land in der Scheiße steckt!«spottete der Mafioso.
«Das ist nicht wahr…«
Der Mann aus New York winkte bloß ab, griff in seine Tasche und zog einen kleinen Notizblock mit einem Kugelschreiber hervor.»Schreiben Sie die Adressen von diesem pensionierten Gespenst und dem Schrumpfkopf auf. Jetzt gleich.«»Man kann hier schlecht sehen«, sagte DeSole und wandte sich zum Neonlicht.»Hier. Die Nummer des Appartements könnte falsch sein, aber sein Name steht an der Tür. Aber, wie gesagt, er wird nicht mit Ihnen sprechen.«
«Na, dann entschuldigen wir uns, daß wir ihn gestört haben.«