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«Und das wäre?«

«Die beiden Bootsleute, die er sonst immer mitnimmt, waren nicht bei ihm. Im Yachtclub hat er erzählt, daß er allein hinausfahren werde, aber zu Henry hatte er gesagt, er wollte auf große Fische gehen… «

«Was bedeutet, daß er eine Crew hätte haben müssen«, unterbrach der kanadische Arzt.»Oh, tut mir leid.«

«Ja, natürlich«, pflichtete St. Jacques bei.»Man kann keine großen Fische angeln und gleichzeitig ein Boot steuern — zumindest der Gouverneur konnte das nicht. Er hatte Angst, die Augen von der Karte zu nehmen.«

«Aber lesen konnte er sie, oder?«fragte Jason.»Die Karte?«

«Sagen wir, gut genug, um überall hinzukommen…«

«Irgendwas hat ihn veranlaßt, allein rauszufahren«, sagte Borowski.»Vielleicht hat ihn jemand zu einem Rendezvous eingeladen, zu einem Treffen in Gewässern, die ihn wirklich zwangen, die Augen nicht von der Karte zu nehmen. «Jason merkte plötzlich, daß die flinken Finger des Doktors nicht mehr an seinem Nacken beschäftigt waren. Statt dessen war sein Hals wieder bandagiert. Der Arzt stand neben ihm und sah auf ihn herab.

«Sind Sie zufrieden?«fragte Borowski, und ein anerkennendes Lächeln kräuselte seine Lippen.

«Wir sind fertig«, sagte der Kanadier.

«Gut… dann glaube ich, daß wir uns besser später noch mal treffen, auf einen Drink, in Ordnung?«

«Schade. Wo es gerade spannend wird.«

«Es ist nicht spannend, Doktor, gar nicht, und ich wäre ein sehr undankbarer Patient, wenn ich Sie gleichsam aus Versehen Dinge hören ließe, die Sie nicht hören sollten…«

Der Kanadier sah Jason ernst an.»Sie machen sich also wirklich Sorgen und wollen mich, trotz allem, was passiert ist, tatsächlich nicht einweihen. Und dabei geht es offensichtlich nicht um melodramatische Geheimniskrämerei ein alter Trick von weniger guten Ärzten übrigens —, sondern um etwas sehr Ernstes, oder?«

«Ja.«

«In Anbetracht dessen, was Ihnen zugestoßen ist — und ich meine nicht nur die vergangenen paar Stunden, die ich miterlebt habe, sondern das, was mir die Narben auf Ihrem Körper erzählen —, ist es bemerkenswert, daß Sie sich überhaupt noch um einen anderen Menschen Sorgen machen können. Sie sind seltsam, Mr. Webb. Manchmal scheint mir, Sie haben zwei Seelen in ihrer Brust.«

«Ich bin nicht seltsam, Doktor. «Jason preßte kurz und heftig seine Augen zu, als er antwortete.»Ich möchte nicht seltsam oder anders oder irgendwie exotisch sein. Ich möchte genauso normal und gewöhnlich sein wie jeder andere. Keine Spiele, nein. Ich bin Dozent an einer Hochschule, und das ist alles, was ich sein möchte. Aber unter den gegenwärtigen Umständen muß ich ein paar Dinge erledigen, auf meine Weise.«

«Wollen Sie damit sagen, es ist nur zu meinem Besten, wenn ich jetzt gehe?«

«Genau.«

«Sie sind nicht nur seltsam, Sie sind auch noch ein guter Pädagoge.«

«Das zweite hoffe ich.«

«Ich wette, daß Sie ein verdammt guter Lehrer sind, Mr. Webb.«

«Dr. Webb«, warf St. Jacques spontan ein, als wäre diese Klärung notwendig.»Er ist auch ein Doktor. Er spricht mehrere orientalische Sprachen und ist ordentlicher Professor. Unis wie Harvard, McGill und Yale wollen ihn seit Jahren haben, aber er rührt sich nicht…«

«Sei still«, sagte Borowski freundlich und mit dem Anflug eines Lächelns.»Mein junger Unternehmerfreund ist von allen Buchstaben vor einem Namen beeindruckt, ungeachtet der Tatsache, daß ich, wäre ich auf mich allein gestellt, mir eine von diesen Villen nur ein paar Tage leisten könnte.«

«Blödsinn.«

«Ich sagte, allein auf mich gestellt.«

«Na ja, gut.«

«Ich habe eine reiche Frau… Verzeihen Sie, Doktor, das ist ein alter Familienstreit.«

«Nicht nur ein guter Lehrer«, wiederholte der Arzt,»sondern auch noch sehr engagiert. «An der Tür drehte er sich noch einmal um und fügte hinzu:»Ich komme später auf den Drink zurück, würde mir wirklich Spaß machen.«

«Danke«, sagte Jason.»Danke für alles. «Der Doktor nickte und verließ den Raum. Borowski wandte sich an seinen Schwager.»Er ist ein guter Freund, Johnny.«

«Eigentlich ist er ein kalter Fisch, aber ein verteufelt guter Arzt. So menschlich habe ich ihn noch nie erlebt. Du meinst also, daß der Schakal den Gouverneur zu einem Treffen bestellt hat und daß er ihn, als er meine Informationen hatte, umgebracht und den Haifischen vorgeworfen hat.«

«Bootsunfälle sind ja nicht selten in Riffgewässern«, vervollständigte Jason.»Eine Tragödie auf See und einer weniger, der eine Spur zu Carlos sein könnte. Das ist nicht unwichtig für ihn.«

«Da ist noch etwas, womit ich meine Schwierigkeiten habe«, sagte St. Jacques.»Ich war noch nicht dort, aber das Riffgebiet nördlich von Falmouth, wo es ihn erwischt hat, nennt man Teufelsmaul, und es ist nicht gerade ein Gebiet, für das Werbung gemacht wird. Die Fischerboote und die

Charterschiffe bleiben ihm fern. Denn keiner kennt die Zahl der Boote und Menschenleben, die es schon gefordert hat.«

«Und?«

«Also angenommen, es war der Schakal, der dem Gouverneur den Treffpunkt angegeben hat, woher, verdammt, wußte er, daß es dort so gefährlich ist?«

«Haben die beiden Wächter es dir nicht erzählt?«

«Was erzählt? Ich habe sie gleich zu Henry rübergeschickt, um ihm Nachricht zu geben, während ich mich um dich kümmerte. Es war keine Zeit, sich hinzusetzen und zu reden. Ich dachte, jeder Augenblick zählt.«

«Dann weiß es Henry jetzt. Das wird ein Schock für ihn sein. Erst verliert er innerhalb von zwei Tagen zwei Patrouillenboote, wovon ihm wohl nur eines bezahlt wird, und dann stirbt auch noch sein Boss, der ehrenwerte Gouverneur der Krone, der Lakai des Schakals, der das Außenministerium auf den Arm genommen hat, indem er einen Pariser Amateurkiller als Held von Frankreich empfing. Die Telefone zwischen dem Regierungsgebäude und Whitehall werden heute nacht heißlaufen.«

«Noch ein Boot? Was erzählst du da? Was weiß Henry jetzt? Was konnten ihm meine Wachen erzählen?«

«Deine Frage vor einer Minute war, woher der Schakal über das Teufelsmaul vor der Küste von Antigua Bescheid wußte.«

«Glaube mir, Dr. Webb, ich kann mich an meine Frage erinnern. Und, woher wußte er davon?«

«Weil er einen dritten Mann hier hatte, und das werden deine Wachen Henry jetzt erzählt haben. Einen blondgelockten Hurensohn, Chef der Drogenfahndung von Montserrat.«

«Er? Rickman? Der britische Ein-Mann-Ku-Klux-Klan? Paragraphenreiter-Rickman? Der Schrecken für jeden, der es

nicht wagte, zurückzubellen? Heilige Maria, Henry wird es nicht glauben!«

«Warum nicht? Du hast gerade den idealen Schüler des Schakals beschrieben.«

«Ja, wahrscheinlich. Aber es scheint so unwirklich. Er ist bigotter als ein Pfaffe: Gebet vor der Arbeit, am Morgen, damit Gott ihm beisteht in seiner Schlacht gegen den Satan. Kein Alkohol, keine Frauen…«

«Ich würde sagen, ein erstklassiges Opfer für den Schakal. Und Henry wird es glauben, wenn das Boot nicht nach Plymouth zurückkehrt und wenn die Leichen der restlichen Besatzung an die Küste gespült werden.«

«So ist Carlos davongekommen?«

«Ja. «Borowski nickte und machte eine Geste in Richtung Couch, vor der ein Tisch mit Gläsern stand.»Setz dich, Johnny, wir müssen reden.«

«Über das, was passiert ist?«

«Nein. Sondern darüber, was jetzt zu geschehen hat.«

«Und was ist das?«fragte St. Jacques und setzte sich.»Ich reise ab.«

«Nein!«schrie der Jüngere.»Du kannst nicht!«

«Ich muß. Er kennt unsere Namen, weiß, wo wir leben. Alles.«

«Wohin gehst du?«

«Nach Paris.«

«Verdammt, nein! Das kannst du Marie nicht antun! Auch nicht den Kindern, um Himmels willen. Ich laß dich nicht.«

«Du kannst mich nicht aufhalten.«