«Darf ich Sie etwas fragen?«
«Mflz's certainement.«
«Warum tun Sie all das für mich?«
«Ach«, rief der Berater des Deuxieme Bureau aus.»Erstens habe ich wenig zu befürchten. Ich bin schon ein paar Jährchen dabei, das heißt, mein Gedächtnis ist meine beste Kreditkarte. Ich kenne die Geheimnisse. Und Alex auch.«
«Sie könnten ausgeschaltet, neutralisiert werden — einen Unfall haben.«
«Das wäre dumm, junger Mann. Was in unseren beiden Köpfen steckt, das ist aufgeschrieben, weggeschlossen, und wenn uns etwas Seltsames zustößt, wird es veröffentlicht… Natürlich alles Quatsch. Denn was wissen wir schon, was im Ernstfall nicht geleugnet und als Hirngespinst alter Männer abgetan werden könnte. Aber daran denken die nicht. Denn sie haben Angst, Monsieur. Die stärkste Waffe in unserem Beruf. Die zweitstärkste ist die Verwirrung. Der KGB zum Beispiel fürchtet Verwirrung mehr als alle Staatsfeinde zusammen. «Er lachte.
«Sie und Conklin sind aus demselben Holz, nicht wahr?«
«Bestimmt. Und das ist der andere Grund, warum ich Ihnen helfe. Weder ich noch Alex haben je eine Frau oder eine Familie gehabt, nur sporadische Affären und lauter langweilige Neffen und Nichten, keine wirklichen Freunde, nur hin und wieder einen Feind, den wir respektierten. Wir leben allein, verstehen Sie, wir sind Profis. Wir haben nichts mit der normalen Welt zu tun, die benutzen wir nur als couverture. Wir schleichen herum und operieren mit Geheimnissen, die letztlich unbedeutend sind, wenn es um Gipfelkonferenzen geht.«
«Warum tun Sie es dann? Warum hören Sie nicht auf, wenn Sie das alles für so sinnlos halten?«
«Es liegt im Blut. Wir sind dafür ausgebildet worden, für das tödliche Spiel gegen einen Feind — entweder schnappt er dich oder du ihn, und es ist besser, wenn du ihn schnappst.«
«Das ist dumm.«
«Aber natürlich. Es ist alles dumm. Warum jagt Jason Borowski den Schakal? Warum hört er nicht auf und sagt: Genug! Vollständiger Schutz wäre Ihnen sicher.«
«Wie im Gefängnis… Können Sie mich in die Stadt bringen?«
«Bevor Sie mit mir wieder Verbindung aufnehmen, rufen Sie Alex an.«
«Was?«
«Alex möchte es. Es ist etwas passiert.«
«Wo ist ein Telefon?«
«Nicht jetzt. Um zwei Uhr, Washingtoner Zeit. In gut einer Stunde. Vorher ist er nicht zurück.«
«Sagte er, was…?«
«Ich glaube, er versucht es gerade herauszufinden. Er war sehr aufgeregt.«
Das Zimmer am Pont-Royal in der Rue Montalembert war klein und befand sich im obersten Stock am Ende eines langen, schmalen Flurs. Man erreichte es über einen so langsamen wie lauten Fahrstuhl. Borowski war sehr zufrieden. Es erinnerte ihn an eine abgelegene, sichere Höhle.
Noch vor dem Telefonat mit Alex ging er den nahe gelegenen Boulevard Saint-Germain entlang und erledigte ein paar Einkäufe. Verschiedene Toilettenartikel, sportliche Baumwollhosen, Sommerhemden und eine leichte Safari-Jacke, dunkle Socken und Tennisschuhe, die er gleich noch» abnutzen «mußte. Auf der Fahrt von Orly in die Stadt hatte ihm der alte Bernardine bereits schweigend eine verschlossene braune Schachtel überreicht: Drinnen lag eine Automatic mit zwei Päckchen Munition und darunter, säuberlich geordnet, dreißigtausend Francs in größeren und kleinen Scheinen, etwa fünftausend amerikanische Dollar.
«Morgen werde ich etwas für Sie arrangieren, damit Sie an Geld kommen, wann immer Sie es brauchen. In Grenzen natürlich.«
«Ohne Grenzen«, widersprach Borowski.»Ich werde Ihnen von Conklin hunderttausend anweisen lassen und nochmals hunderttausend, wenn es notwendig wird. Sie sagen ihm einfach, wohin.«»Aus dem Bereitschaftsfonds?«»Nein, aus meinem. Danke für die Pistole. «In beiden Händen Einkaufstüten, ging er zum Hotel zurück. In wenigen Minuten war es in Washington zwei Uhr nachmittags, acht Uhr abends in Paris. Er versuchte, nicht an Alex zu denken — vergeblich. Wenn Marie oder den Kindern etwas geschehen war! Er würde verrückt werden! Aber sie waren bereits wieder auf Tranquility. Es gab keinen sichereren Platz für sie! Als er den alten Fahrstuhl bestieg und die Taschen abstellte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Der Hals. Er schnappte nach Luft. Er hatte sich zu schnell bewegt, vielleicht war ein Faden gerissen. Er fühlte zwar kein Blut, doch er war gewarnt. Er rannte den schmalen Korridor hinunter zu seinem Zimmer, schloß die Tür auf, warf die Einkaufstüten aufs Bett und stürzte zum Telefon. Conklin hatte Wort gehalten: In Vienna, Virginia, wurde beim ersten Klingeln abgenommen.
«Alex, ich bin's. Was ist geschehen? Marie…?«
«Nein«, unterbrach Conklin.»Ich habe gegen Mittag mit ihr telefoniert. Sie und die Kinder sind wieder im Hotel, und sie will mich umbringen. Sie glaubt kein Wort von dem, was ich ihr gesagt habe, aber ich streiche das aus meinem Gedächtnis. Solche Ausdrücke habe ich seit Indochina nicht mehr gehört.«
«Sie ist aufgeregt…«
«Ich auch«, würgte Alex Jasons Beschwichtigungsversuch ab.»Mo ist verschwunden.«
«Was?«
«Du hast richtig gehört. Panov ist weg. Verschwunden.«
«Mein Gott, wie? Er wurde jede Minute bewacht.«
«Wir versuchen es herauszubekommen. Ich war gerade im Krankenhaus.«
«Krankenhaus?«
«Walter-Reed-Hospital. Er war bei einer therapeutischen Sitzung dort, und als die vorbei war, kam er nicht wieder zurück in seine Abteilung. Sie warteten zwanzig Minuten oder so und gingen dann ihn und seine Eskorte suchen, weil er wichtige Termine hatte. Und da sagte man ihnen, daß er weggegangen sei.«
«Das ist verrückt!«
«Es wird noch verrückter und schrecklicher. Die diensthabende Schwester erzählte, ein Armeearzt, ein Chirurg, sei an ihren Tisch gekommen, habe seinen Ausweis gezeigt und sie gebeten, Dr. Panov zu informieren, daß für ihn eine andere Route festgelegt worden sei, daß er den Ausgang am Ostflügel benutzen solle — wegen einer unerwarteten Demonstration vor dem Haupteingang. Die psychiatrische Abteilung liegt im Hauptgebäude. Und der Armeechirurg benutzte den Haupteingang.«
«Noch mal?«
«Er ging geradewegs an unserer Eskorte in der Eingangshalle vorbei.«
«Und offenbar auf demselben Weg hinaus und rüber zum Osteingang. Nichts Ungewöhnliches. Ein Arzt mit Passierschein kann sich frei im Sperrgebiet bewegen… Aber, lieber Gott, Alex, wer? Carlos ist auf dem Weg hierher nach Paris! Was er in Washington wollte, hat er bekommen. Er hat mich gefunden, uns gefunden. Mehr wollte er nicht!«
«DeSole«, sagte Conklin ruhig.»DeSole wußte von mir und Mo Panov. Ich drohte der CIA mit uns beiden, und DeSole saß im Konferenzzimmer.«
«Ich kapiere nicht. Was sagst du da?«
«DeSole, Brüssel… Medusa.«
«Ah, ja, ich bin langsam.«
«Aber nicht er, David. Sie! Medusa. DeSole wurde bereits ausgeschaltet.«
«Zum Teufel mit ihnen! Wir lassen die Finger davon!«
«Aber Medusa nicht von dir. Du hast die Nuß geknackt. Sie wollen dich.«
«Nichts könnte mir weniger Sorgen machen. Ich habe dir bereits gestern gesagt, daß mich nur eine Sache interessiert: Paris, Argenteuil.«
«Du hast es zu einem Idioten gesagt«, bekannte Alex mit schwacher, völlig niedergeschlagener Stimme.»Gestern abend war ich bei Mo zum Essen. Ich habe ihm alles erzählt. Tranquility, deinen Flug nach Paris, Bernardine… alles!«
Brendan Patrick P. Prefontaine stand zwischen den wenigen Trauergästen auf dem Friedhof der Insel Tranquility einem Plateau auf dem höchsten Hügel der Insel. Die zwei großartigen Särge, die der Besitzer des Tranquility Inn gestiftet hatte, wurden in ihr Grab hinuntergelassen, während die einheimischen Priester, die zweifellos einen toten Hühnerhals im Mund hatten, ihre unverständlichen Segnungen in der Voodoo-Sprache murmelten.»Jean Pierre Fontaine «und seine Frau ruhten in Frieden.