Reserve.
Der Besitzer, die beiden Kenner wie verängstigte Pinguine im Schlepptau, flog praktisch zwischen den Tischen hindurch, um seine erlesenen Gäste zu begrüßen. Nachdem eine eisgekühlte Flasche Corton-Charlemagne serviert worden war, diskutierte man das Menü. Ein kleiner belgischer Junge von fünf oder sechs Jahren kam schüchtern zum Tisch des Generals und salutierte. Dann lächelte er. Teagarten stand auf, nahm seinerseits Haltung an und grüßte das Kind zurück.
«Vous etes un soldat distingue, mon camarade«, sagte der General. Seine Kasernenstimme hallte durch den Garten, sein breites Lächeln gewann die Gäste, die beifällig applaudierten. Das Kind zog sich zurück, und die Vorspeisen wurden aufgetragen.
Eine gute Stunde später trat der Chauffeur an den Tisch, ein Feldwebel, dessen Gesichtsausdruck Angst verriet. Ein dringender Anruf über das Sicherheitstelefon. Er reichte Teagarten einen Zettel.
Der General stand auf. Sein gebräuntes Gesicht war blaß geworden. Er sah sich im mittlerweile halbleeren Restaurantgarten um. Seine Augen waren schmal, wütend und ängstlich. Er griff in seine Tasche, holte einen gefalteten Packen belgischer Banknoten heraus und legte einige große Scheine auf den Tisch.»Komm«, sagte er zu seiner weiblichen Begleitung,»laß uns gehen… Fahren Sie«, wandte er sich an den Chauffeur,»fahren Sie den Wagen vor.«
«Was ist denn?«fragte die Dame.
«London. Über Funk. Armbruster und DeSole sind tot.«
«Oh, mein Gott! Wie?«
«Spielt keine Rolle. Was immer sie sagen, es ist gelogen.«
«Was ist denn passiert?«
«Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß wir hier weg müssen. Komm!«
Der General und sein» Major «eilten davon, durch den Garteneingang — es war ein Gitterbogen mit roten Buschrosen — und zum Wagen. Zu beiden Seiten des Kühlers fehlte etwas. Der Feldwebel hatte die beiden rot-goldenen Raggen entfernt, die den beeindruckenden Rang seines Vorgesetzten anzeigten. Oberkommandierender der NATO. Der Wagen schoß davon, und keine fünfzig Meter weiter passierte es.
Eine gewaltige Explosion blies das Fahrzeug in den Himmel. Glassplitter, Blechteile, Fleischfetzen und Blutspritzer verteilten sich über die schmale Straße in Anderlecht.
«Monsieur!«schrie der versteinerte Kellner, als Horden von Polizisten, Feuerwehrleuten und Sanitätern mit ihrer scheußlichen Arbeit auf der Straße begannen.
«Was ist los?«antwortete der Besitzer des Straßencafes. Er zitterte immer noch. Das barsche Verhör der Polizei und die aufdringlichen Fragen der Journalisten hatten ihm den Rest gegeben.»Ich bin ruiniert. Wir werden als Cafe de la Mort bekannt werden — das Cafe des Todes.«
«Monsieur, sehen Sie nur!«Der Kellner zeigte auf den Tisch, wo der General mit seiner Begleiterin gesessen hatte.
«Die Polizei hat schon alles untersucht.«
«Nein, Monsieur. Jetzt!«
Quer über die Marmorplatte des Tisches stand mit rotem Lippenstift in Großbuchstaben ein Name geschrieben: JASON BOROWSKI.
Kapitel 20
Wie betäubt starrte Marie auf den Fernseher; sie sah die von Miami per Satellit ausgestrahlten Nachrichten. Als die Kamera auf einen Gartentisch schwenkte, auf einen rot geschriebenen Namen, schrie sie auf.»Johnny!«schluchzte Marie.
St. Jacques kam hereingestürzt.»Mein Gott, was ist?«Mit tränenüberströmtem Gesicht zeigte Marie entsetzt auf den Fernseher. Ein Sprecher las mit typisch monotoner Nachrichtenstimme:»… Der international bekannte
Auftragsmörder Jason Borowski hat die Verantwortung für die Explosion übernommen, die das Leben von General James Teagarten und seiner Begleiter gefordert hat. Geheimdienst- und Polizeikreise in Washington und London sind offenbar
unterschiedlicher Ansicht, was die Person Borowskis betrifft. Quellen in Washington behaupten, daß der Mann in einer gemeinsamen britisch-amerikanischen Operation in Hongkong vor fünf Jahren gestellt und erschossen worden sei. Sprecher des britischen Außenministeriums und des britischen Geheimdienstes jedoch bestreiten jede Kenntnis von solch einer Operation. Aus dem Hauptquartier von Interpol in Paris war zu hören, daß das Interpol-Büro in Hongkong vom angeblichen Tod des Jason Borowski Kenntnis habe. Die vorhandenen Berichte und Fotos seien aber derart ungenau und
verschwommen, daß man nicht mit Sicherheit davon ausgehen könne, daß Borowski tatsächlich tot sei. Anderen Annahmen zufolge wurde Jason Borowski bei einem Auftrag in der
Volksrepublik China getötet. Was bislang einzig feststeht ist, daß in dem malerischen Städtchen Anderlecht in Belgien General James Teagarten, Oberkommandierender der NATO, ermordet wurde und jemand, der sich Jason Borowski nennt, die Verantwortung für die Ermordung des großen und populären Soldaten übernommen hat… Wir zeigen Ihnen jetzt ein
Phantom-Foto des mutmaßlichen Killers aus den Archiven von Interpol.«
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Mannes, ungleichmäßig und unbestimmt.
«Das ist nicht David!«sagte John St. Jacques.
«Er könnte es sein!«
«Und nun zu unseren weiteren Nachrichten. Die Dürre, die seit langem weite Teile von Äthiopien heimsucht…«
«Mach das verdammte Ding aus!«schrie Marie, schoß aus dem Stuhl und rannte zum Telefon, während ihr Bruder das Gerät ausstellte.»Wo ist die Nummer von Conklin? Ich habe sie irgendwo aufgeschrieben… Hier steht sie, auf dem Block. Der heilige Alex wird mir verdammt viel erklären müssen, dieser Mistkerl!«Sie wählte wütend, aber exakt. Sie trommelte mit der Fast auf den Tisch. Immer noch rollten Tränen über ihre Wangen. Tränen der Wut und Sorge.»Ich bin es… Du bringst ihn um! Du hast ihn gehen lassen, hast ihm geholfen zu gehen… und du bringst ihn um.«
«Ich kann jetzt nicht mit dir reden, Marie«, sagte die kalte, kontrollierte Stimme Conklins.»Ich habe Paris auf der anderen Leitung.«
«Scheiß auf Paris! Wo ist er? Hol ihn raus!«
«Glaube mir, wir versuchen, ihn zu finden. Da ist die Hölle los. Die Briten wollen Peter Hollands Arsch, weil er eine bloße Andeutung von der Fernost-Connection gemacht hat, und die Franzosen sind in Aufruhr wegen einer Sache, die sie zwar nicht wissen, aber vermuten, nämlich der Spezialladung in einem Flugzeug aus Martinique, die ursprünglich vom Deuxieme Bureau abgelehnt worden war. Ich rufe dich zurück, ich schwöre es!«
Die Leitung wurde unterbrochen, und Marie warf den Hörer auf die Gabel.»Ich fliege nach Paris, Johnny«, sagte sie. Sie holte tief Atem und wischte sich die Tränen vom Gesicht.
«Was willst du?«
«Du hast mich gehört. Bring Mrs. Cooper her, Jamie liebt sie, und sie sorgt wundervoll für Alison. Sie hat schließlich selbst sieben Kinder gehabt, alle erwachsen, die immer noch jeden Sonntag zu ihr kommen.«»Du bist verrückt! Ich lasse dich nicht gehen!«»Wahrscheinlich hast du zu David etwas Ähnliches gesagt, als er dir erzählt hat, daß er nach Paris geht. Ihn hast du nicht aufhalten können, und mich kannst du auch nicht aufhalten.«
«Aber warum willst du dorthin?«»Weil ich jeden Ort in Paris kenne, den er kennt, jedes Cafe, jede Straße, jede Gasse, von Sacre-Coeur bis zum Eiffelturm. Ich werde ihn vor dem
Deuxieme oder der Sürete finden. «Das Telefon klingelte. Marie nahm ab.