«Ich sagte dir ja, daß ich dich sofort zurückrufe. «Es war Alex Conklin.»Bernardine hat eine Idee, wie wir ihn finden
könnten.«
«Wer ist Bernardine?«
«Ein alter Kollege vom Deuxieme Bureau. Ein guter Freund, der David hilft.«
«Was für eine Idee?«
«Er hat Jason — David — einen Mietwagen besorgt und kennt natürlich das Nummernschild. Er könnte es an alle
Polizeifahrzeuge durchgeben… Wer ihn sieht, folgt ihm
unauffällig und benachrichtigt Bernardine.«
«Und du denkst, David — Jason — würde so etwas nicht merken? Du hast ein schlechtes Gedächtnis.«
«Es ist nur eine Möglichkeit. Es gibt mehrere.«
«Zum Beispiel?«»Nun… nun ja, er muß mich anrufen. Wenn er die Nachrichten über Teagarten hört, dann muß er mich anrufen.«
«Warum?«
«Wie du sagst: um rauszukommen.«
«Mit Carlos in Sichtweite? Gute Chance! Ich habe eine bessere Idee. Ich fliege nach Paris.«
«Das kannst du nicht!«
«Ich will das nicht mehr hören! Wirst du mir helfen, oder muß ich alles selber machen?«
«Ich könnte in Frankreich nicht mal 'ne Briefmarke kaufen, und Holland weiß gerade, wie man Eiffelturm schreibt.«
«Also allein. Offen gesagt, fühle ich mich in Anbetracht der Umstände allein sogar sicherer.«
«Was willst du tun, Marie?«
«Ich will dir das nicht alles aufzählen, aber ich werde überall dort hingehen, wo wir damals hingegangen sind, als David und ich auf der Flucht waren. Er wird die bekannten Orte wieder benutzen, irgendwie. Er muß, weil sie in eurem idiotischen Jargon sicher waren, und mit seinem idiotischen Gehirn wird er sie deswegen wieder aufsuchen.«
«Gott steh dir bei.«
«Er hat uns verlassen, Alex. Es gibt keinen Gott.«
Prefontaine verließ den Bostoner Flughafen durch den Haupteingang und winkte ein Taxi heran. Aber dann sah er sich um, senkte den Arm und stellte sich in die Warteschlange. Überall, selbst auf den Flughäfen, ging es mittlerweile zu wie in einer Cafeteria. Immerzu mußte man sich anstellen.
«Zum Ritz-Carlton«, sagte der Richter wenig später zum Fahrer.»Kein Gepäck?«fragte der Mann.»Nur kleine Tasche?«
«Nein, habe ich nicht«, antwortete Prefontaine.»Ich habe in jeder Stadt einen Koffer.«»Tutti-frutti«, sagte der Fahrer, fuhr sich mit einem großen, weißen Kamm durch's Haar und bog in den fließenden Verkehr ein.
«Haben Sie eine Reservierung, Sir?«fragte der befrackte Angestellte am Empfang im Ritz.
«Ich denke, daß es einer meiner Kanzleiangestellten für mich getan hat. Der Name ist Scofield, Richter William Scofield vom Obersten Gerichtshof. Es wäre mir sehr unangenehm, wenn das Ritz die Reservierung verlegt hätte, besonders jetzt, wo…«
«Richter Scofield…? Ich bin sicher, sie ist hier irgendwo, Sir. «Der Angestellte ließ den Gast vor lauter Beflissenheit nicht mal ausreden.»Die Suite Drei-C, ich bin sicher, daß es im Computer ist.«
«Drei-C… ist belegt.«
«Was?«
«Nein, nein, ich habe mich geirrt, Herr Richter. Sie sind noch nicht da… Ich meine, es ist ein Fehler… Diese Gäste sind in einer anderen Suite. «Er klingelte heftig mit der Glocke.»Hallo, Boy!«
«Ja, Sir.«
«Ich denke, Sie haben ein paar anständige Flaschen oben, wie gewöhnlich?«
«Sollten keine oben sein, werden gleich welche gebracht, Herr Richter. Bestimmte Marken?«
«Guter Bourbon und guter Brandy. Das weiße Zeug ist für Damen, richtig?«
«Richtig, Sir. Absolut richtig, Sir!«
Zwanzig Minuten später, das Gesicht gewaschen und einen Drink in der Hand, griff Prefontaine zum Telefon und wählte die Nummer von Dr. Randolph Gates.
«Hier bei Gates«, sagte die Frau am Telefon.
«Komm schon, Edie, ich würde deine Stimme auch unter Wasser wiedererkennen, obwohl es dreißig Jahre her ist.«
«Ich kenne Ihre auch, aber ich kann sie nicht einordnen.«
«Versuch mal, an einen großen Professor zu denken, der versucht hat, deinem Mann den Teufel auszutreiben, was aber keinen Eindruck auf ihn machte. Und dann war ich es, der im Gefängnis landete — und zu Recht — nicht er.«
«Brendan? Lieber Gott, du bist's! Ich habe niemals all die Dinge geglaubt, die man über dich erzählt hat.«
«Glaub mir, meine Süße, sie stimmen. Aber jetzt muß ich mit dem Lord of Gates sprechen. Ist er da?«
«Ich glaube schon, ich weiß es aber nicht. Er spricht mit mir nicht mehr besonders viel.«
«Geht es dir nicht gut, meine Liebe?«
«Ich würde gerne mit dir reden, Brendan. Er hat ein Problem, ein Problem, von dem ich nie was wußte.«
«Ich fürchte, das hat er, Edie, und natürlich werden wir miteinander reden. Aber im Augenblick muß ich mit ihm sprechen. Sofort.«
«Ich werde ihn über das Haustelefon anrufen.«
«Sag ihm nicht, daß ich es bin, Edie. Sag ihm, es sei ein Mann aus Blackburne, von der Karibikinsel Montserrat.«
«Was?«
«Tu, was ich dir sage, liebe Edie. Es ist zu seinem Besten, aber auch zu deinem — vielleicht mehr zu deinem, ehrlich gesagt.«
«Er ist krank, Brendan.«
«Ja, das ist er. Laß uns versuchen, ihn gesund zu machen. Hol ihn mir ans Telefon.«
«Warte einen Augenblick.«
Das Schweigen war endlos, bis die verlegene Stimme von Randolph Gates zu hören war.
«Wer sind Sie?«flüsterte der berühmte Anwalt.
«Ruhig, Randy, es ist Brendan. Edith hat meine Stimme nicht gleich erkannt, aber ich die ihre. Du bist ein glücklicher Knabe.«
«Was willst du? Was ist mit Montserrat?«
«Ja, ich komme gerade von dort…«
«Was?«
«Ich dachte, ich brauchte mal Urlaub.«
«Du hast doch nicht…?!«Gates' Flüstern wurde panisch.
«Oh, doch, ich habe. Und weil ich habe, wird sich dein ganzes Leben ändern. Verstehst du, ich traf die Frau und ihre beiden Kinder, an denen du so interessiert warst. Du erinnerst dich? Es ist eine lange Geschichte, und ich möchte sie dir in all ihren faszinierenden Details schildern… Du hast sie an den Teufel verkauft, Dandy Randy, und so was sollte man nicht tun. Nein, das sollte man nicht«, flötete Prefontaine.
«Ich weiß nicht, wovon du überhaupt redest! Ich habe nie etwas von Montserrat gehört oder von einer Frau mit zwei Kindern. Du bist ein verdammter, rotznäsiger Saufbold, und ich werde deine schwachsinnigen Unterstellungen zurückweisen als Ausgeburten eines delirierenden Alkoholikers, der dazu noch ein vorbestrafter Krimineller ist!«
«Gut gesprochen, Herr Berater. Natürlich kannst du deine Beihilfe leugnen. Aber das ist nicht dein eigentliches Problem. Nein, das liegt in Paris.«
«Paris…«
«Dein Problem ist ein gewisser Mann in Paris, jemand, von dem ich nicht dachte, daß es ihn tatsächlich gibt — aber das tut es. Es ist ein bißchen düster zugegangen in Montserrat. Man hielt mich für dich.«
«Man hielt… was?«Gates war kaum noch hörbar, seine Stimme zitterte.
«Ja. Komisch, nicht? Ich kann mir denken, daß dieser Mann in Paris dich hier in Boston erreichen wollte und daß ihm jemand sagte, daß Seine Königliche Hoheit nicht im Hause sei — und so begann die Verwechslung. Zwei brillante juristische Köpfe, beide mit einer verschwommenen Beziehung zu einer Frau mit zwei Kindern. Und unser Mann dachte, ich sei du.«
«Was ist auf der Insel passiert?«
«Laß mich ausreden, Randy. Im Moment glaubt er wahrscheinlich, du seist tot.«
«Was?«
«Er hat versucht, mich umzubringen — dich umzubringen. Wegen Ungehorsams.«
«Oh, mein Gott!«
«Und wenn er herausfindet, daß du ganz lebendig bist und in Boston, wird er einen zweiten Versuch nicht fehlschlagen lassen.«
«Herr im Himmel…!«
«Aber es gibt vielleicht einen Ausweg, Randy-Boy, und deshalb mußt du mich besuchen. Zufällig bin ich in derselben Suite im Ritz, wo du warst, als ich dich besuchte: Drei-C, nimm einfach den Fahrstuhl. Sei in dreißig Minuten hier und denk dran, daß ich wenig Geduld mit Klienten habe, die sich verspäten, denn ich bin sehr beschäftigt. Nebenbei bemerkt, mein Honorar beträgt zwanzigtausend Dollar die Stunde. Bring also Geld mit, Randy. Viel Geld, in bar.«