«Richtig, Lou.«
«Und dann ist Borowski in Paris, Frankreich, ein paar Ecken entfernt von einem wirklichen Hindernis, einem spinnerten General, den unsere Freunde auf der anderen Seite vom Fluß aus dem Verkehr haben wollen, genau wie die beiden Fettsäcke, die's schon erwischt hat. Capisci?«
«Ich verstehe, Lou«, sagte der gutfrisierte junge Mann in seinem Sessel.»Du bist wirklich intelligent.«
«Du hast keinen blassen Dunst, wovon ich rede, du zabaglione. Ich könnte auch mit mir selbst reden, warum auch nicht?… Also habe ich meine zwölf, und ich denke mir, jetzt wirfst du den gepfefferten Würfel auf den Filz, klar?«
«Klar, Lou.«
«Wir müssen dieses Arschloch von General eliminieren, weil er ein Hindernis für die verrückte Sippschaft ist, die uns braucht. Richtig?«
«Genau, Lou. Ein Hind… ein Hinter…«
«Laß nur, zabaglione. Ich sage mir also, wir pusten ihn weg und sagen, der Hebe Borowski hat es gemacht, kapiert?«
«Oh, jaa, Lou. Du bist wirklich intelligent.«
«So werden wir unser Hindernis los und machen diesen Jason Borowski, der gar nicht da war, zur Zielscheibe für alle, richtig? Wenn wir ihn nicht kriegen und der Schakal ihn auch nicht kriegt, dann kriegen ihn die FBI-ler, richtig?«
«He, das ist wahnsinnig, Lou. Ich muß schon sagen, ich bewundere dich richtig.«
«Vergiß die Bewunderung, bello ragazzo. In diesem Haus herrschen andere Regeln. Komm jetzt her und besorg's mir richtig.«
Marie saß hinten im Flugzeug und trank Kaffee. Sie versuchte verzweifelt, sich an alles zu erinnern — an alle Verstecke und Zufluchtsorte für Ruhepausen, die sie und David vor dreizehn Jahren benutzt hatten. Da waren die Kellercafes am Montparnasse, die billigen Hotels und ein Motel — wo nur genau war es gewesen? — rund zwölf Kilometer außerhalb von Paris und ein Gasthaus mit einem Balkon in Argenteuil, wo David — Jason — zum erstenmal zu ihr gesagt hatte, daß er sie liebe, aber nicht bei ihr bleiben könne, weil er sie liebe… Und da war Sacre-Cceur, ganz oben auf der Treppe, wo Jason — David — den Mann in einer dunklen Gasse traf, der ihnen die Information gab, die sie brauchten…
«Mesdames et messieurs«, kam die Stimme über den Lautsprecher an der Decke. »Je suis votre capitaine. Bienvenu.«Der Kapitän sprach französisch, ein Besatzungsmitglied wiederholte die Meldung dann auf englisch, deutsch und italienisch, und eine weibliche Stimme brachte schließlich auch noch die japanische Übersetzung.»Wir hoffen auf einen angenehmen Flug nach Marseilles. Die geschätzte Flugdauer beträgt sieben Stunden und vierzehn Minuten, und die voraussichtliche Landezeit wird sechs Uhr früh sein, Pariser Zeit. Angenehmen Flug.«
Als Marie St. Jacques zum Fenster hinausschaute, war der Ozean in Mondlicht getaucht. Sie war nach San Juan in Puerto Rico geflogen, um dort den Nachtflug nach Marseilles zu nehmen, wo die Kontrollformalitäten ein heilloses Durcheinander oder absichtlich lax waren. So war es zumindest vor dreizehn Jahren gewesen — eine Zeit, in die sie nun zurückkehrte. Dann wollte sie nach Paris fliegen, und sie würde ihn finden. Wie schon vor dreizehn Jahren, so würde sie ihn auch jetzt wieder finden. Sie mußte es ganz einfach! Sonst würde der Mann, den sie liebte, ein toter Mann sein.
Kapitel 21
Morris Panov saß teilnahmslos in einem Stuhl an einem Fenster, das auf die Weide einer Farm hinausging, die, wie er annahm, in Maryland lag. Er befand sich in einem kleinen Schlafzimmer im zweiten Stock, in ein Krankenhausnachthemd gekleidet, und sein nackter rechter Arm bestätigte die Story, die er nur zu gut kannte. Er war wiederholt unter Drogen gesetzt worden, hatte unkontrolliert in einer Sprache gesprochen, wie sie normalerweise von denen benutzt wird, die solche Narkotika verabreichen. Er war geistig vergewaltigt worden, man war in sein Hirn eingedrungen, seine Innersten Gedanken und Geheimnisse waren chemisch an die Oberfläche geholt und entwickelt worden.
Der Schaden, den er angerichtet hatte, war nicht abzusehen, das begriff er. Was er aber nicht begriff, war, warum er noch lebte. Und was noch verwirrender war, warum er so rücksichtsvoll behandelt wurde. Warum war sein Wächter mit der schwarzen Gesichtsmaske so höflich, die Nahrung so ausreichend und anständig? Es war, als wollte man ihn wieder zu Kräften kommen lassen und es ihm unter den außerordentlich schwierigen Umständen so angenehm wie möglich machen. Warum? Die Tür ging auf, und sein maskierter Wächter kam herein, ein kleiner, untersetzter Mann mit einer rauhen Stimme, die Panov irgendwo im Nordosten ansiedelte, möglicherweise Chicago. In einer anderen Situation wäre er komisch erschienen mit seinem großen Kopf, aber so, wie die Dinge standen, wirkte selbst seine Unterwürfigkeit schon bedrohlich. Über seinem linken Arm trug er die Kleider des Psychiaters.
«Okay, Doktor. Ziehen Sie sich an. Ich habe dafür gesorgt, daß alles gereinigt und gebügelt ist, sogar die Unterhosen.«
«Sie meinen, daß Sie hier eine eigene Wäscherei und Reinigung haben?«
«Quatsch, wir bringen sie rüber nach… Oh, nein, so bekommen Sie mich nicht dran, Doktor!«Der Wächter grinste und bleckte dabei seine leicht gelben Zähne.»Ganz clever, wie? Sie denken, ich sage Ihnen, wo wir sind, wie?«
«Ich war nur neugierig.«
«Ja, klar. Wie mein Neffe, das Kind meiner Schwester, das immer neugierig ist und mir Fragen stellt, die ich nicht beantworten möchte. He, Onkel, wie hast du mich nur durch die Uni gebracht? Ja! Er ist ein Doktor wie Sie. Wie gefällt Ihnen das?«
«Ich würde sagen, der Bruder seiner Mutter ist eine sehr großzügige Person.«
«Ja, na ja, was soll man denn machen? Kommen Sie schon, ziehen Sie die Klamotten an, Doktor, wir machen eine kleine Reise.«
«Ich nehme an, es wäre dumm zu fragen, wohin«, sagte Panov. Er stand vom Stuhl auf, zog sein Krankenhaushemd aus und stieg in die Unterhose.
«Sehr dumm.«
«Ich denke aber, nicht so dumm wie Ihr Neffe, der Ihnen nichts über ein Symptom sagt, daß ich, wäre ich Sie, beunruhigend finden würde. «Mo zog lässig die Hosen hoch.
«Wovon reden Sie?«
«Vielleicht nichts«, antwortete Panov, streifte sein Hemd über und setzte sich, um sich die Socken anzuziehen.»Wann haben Sie Ihren Neffen zuletzt gesehen?«
«Vor ein paar Wochen. Ich habe ihm ein bißchen Kohle gebracht, damit er seine Versicherung bezahlen kann. Mann, diese Mütter sind Blutegel…! Was meinen Sie damit, wann ich ihn gesehen habe?«
«Ich fragte mich nur, ob er Ihnen etwas gesagt hat.«
«Worüber?«
«Über Ihren Mund. «Mo schnürte seine Schuhe und schüttelte den Kopf.»Dort über der Kommode hängt ein Spiegel, sehen Sie mal rein.«
«Wieso?«
«Lächeln Sie.«
«Warum?«
«Lächeln Sie… Sehen Sie das Gelbe auf Ihren Zähnen, das blasse Rot Ihres Zahnfleisches und wie es immer höher dringt?«
«So? Das ist schon immer so…«
«Vielleicht ist es nichts, aber er hätte es sehen müssen.«
«Was sehen, um Himmels willen?«
«Orale Arneloblastomie. Wahrscheinlich.«
«Was ist das? Ich putze mir nicht gut die Zähne, und ich mag keine Zahnärzte. Das sind Metzger.«
«Sie wollen also sagen, daß Sie ziemlich lange keinen Zahnarzt oder Hals-Nasen-Ohrenarzt aufgesucht haben?«
«Und?«Der Capo bleckte wieder die Zähne vor dem Spiegel.
«Das könnte erklären, weshalb Ihr Neffe nichts sagt.«
«Warum?«
«Er denkt sicher, daß Sie regelmäßig zum Zahnarzt gehen, und will dem die Sache überlassen. «Panov stand auf.
«Ich verstehe nicht.«
«Na ja, er ist dankbar für alles, was Sie für ihn getan haben, er schätzt Ihre Großzügigkeit. Ich kann verstehen, daß er Hemmungen hat, es Ihnen zu sagen.«