«Die Legion ist unser Vaterland!«
«Das ist verrückt!«
«Wir hauen damit nicht groß auf die Pauke. Natürlich nicht. Es gibt viel Eifersucht, natürlich, weil wir die Besten waren und dafür bezahlt wurden, aber dennoch sind das hier unsere Leute. Soldaten!«
«Wann hast du die Legion verlassen?«fragte Borowski Er mußte aufpassen, daß er sich nicht auf Glatteis begab.
«Vor neun Jahren! Haben mich vor der zweiten Verlängerung wegen Übergewicht hinausgeworfen. Sie hatten recht und haben dadurch wahrscheinlich mein Leben gerettet. Ich bin aus Belgien, Corporal.«
«Ich wurde vor einem Monat entlassen, bevor meine erste Zeit herum war. Verwundung in Angola und weil sie meinten, ich sei älter, als es in meinen Papieren steht. Sie bezahlen nicht für längere Heilungsprozesse. «Wie leicht die Worte flössen.
«Angola? Das waren wir? Was hat sich der Quai d'Orsay dabei gedacht?«
«Weiß ich nicht. Ich bin Soldat, ich folge Befehlen und frage nicht nach allem, was ich nicht verstehe.«
«Setz dich! Meine Blase platzt. Ich bin gleich zurück. Hab nie von einer Angola-Operation gehört.«
Jason lehnte sich über die erhöhte Bar und bestellte »une biere«, dankbar, daß der Barmann zu beschäftigt war und die Musik zu laut, als daß er die Unterhaltung mitbekommen hätte. Er war jedoch dem heiligen Alex von Conklin unendlich dankbar, dessen erster Rat an einen Agenten immer war,»bei einem Opfer zuerst einen schlechten Einstieg machen, dann im guten weiter«, eine Theorie, die besagte, daß die Verwandlung von Feindseligkeit in Freundschaft viel besser war als umgekehrt. Borowski trank sein Bier, er war erleichtert. Er hatte einen Freund im Coeur du Soldat gewonnen. Das war ein kleiner Sieg, vielleicht war er aber auch gar nicht so klein.
Das Panzerhemd kam zurück, seinen dicken Arm um die Schultern eines jüngeren Mannes Anfang zwanzig gelegt, der von mittlerer Größe war und vom Bau eines Panzerschranks. Er trug eine amerikanische Armeejacke. Jason wollte sich von seinem Stuhl erheben.
«Sitz! Sitz!«schrie sein neuer Freund und beugte sich vor, damit er den Lärm der Menge und der Musik übertönte.»Ich hab uns eine Jungfrau gebracht.«»Was?«
«Hast du so schnell vergessen? Er ist dabei, ein Rekrut der Legion zu werden.«
«Ach so«, lachte Borowski.»Ich dachte, an einem Ort wie hier…«
«An einem Ort wie hier?«unterbrach ihn das Panzerhemd.»Das mögen sie, wenn's rauh zugeht. Ich dachte, er sollte mal mit dir reden. Er ist Amerikaner, und sein Französisch ist grotesque, aber wenn du langsam sprichst, versteht er es.«
«Brauch ich nicht«, sagte Jason auf englisch mit französischem Akzent.»Ich bin in Neufchätel aufgewachsen und war ein paar Jahre in den Staaten.«
«Schön zu hören. «Die Aussprache des Amerikaners hörte sich nach tiefem Süden an. Sein Lachen war echt, seine Augen aufmerksam, furchtlos.
«Dann laß uns noch mal anfangen«, sagte der Belgier in stark fremdländischem Englisch.»Mein Name ist… Maurice, so gut wie jeder andere. Mein junger Freund hier heißt Ralph, zumindest sagt er das. Und wie heißt du, verwundeter Held?«
«Francois«, antwortete Jason, wobei er kurz an Bernardine dachte, und wie es wohl am Flughafen lief.»Und ein Held bin ich nicht. Die sterben zu schnell… Bestellt was zu trinken, ich bezahle. «Borowski versuchte fieberhaft, das wenige, das er über die Legion wußte, in seinem Hirn zusammenzukratzen.»In neun Jahren hat sich viel verändert, Maurice. «Wie leicht die Worte dahinflössen, dachte das Chamäleon.»Warum hast du dich einschreiben lassen, Ralph?«
«Denke, daß es das Schlaueste war, was ich tun konnte — 'n paar Jahre verschwinden, und soweit ich es blicke, mindestens fünf Jahre.«
«Wenn du das erste überlebst, man ami«, warf der Belgier ein.
«Maurice hat recht. Hör auf ihn. Die Offiziere sind hart…«
«Alles Franzosen!«fügte der Belgier hinzu.»Neunzig Prozent wenigstens. Nur ein Ausländer auf vielleicht dreihundert wird Offizier. Mach dir keine Illusionen.«
«Aber ich bin vom College, bin Ingenieur.«
«Dann wirst du hübsche Latrinen in den Lagern bauen und schöne Scheißlöcher im Feld zeichnen«, lachte Maurice.»Erzähl's ihm, Francois. Erklär ihm, wie die Gebildeten behandelt werden.«
«Sie müssen zuerst lernen zu kämpfen«, sagte Jason und hoffte, daß es stimmte.
«Eine gute Ausbildung ist verdächtig«, rief der Belgier aus.»Haben sie Zweifel? Denken sie daran, wenn sie bezahlt werden, allein den Befehlen zu gehorchen?… Ich würde deine Ausbildung nicht zu sehr raushängen lassen.«
«Laß es sie erst allmählich wissen«, fügte Borowski hinzu.»Wenn Not am Mann ist, wenn du helfen kannst.«
«Bien!« rief Maurice.»Er weiß, wovon er redet. Ein echter legionnaire!«
«Kannst du kämpfen?«fragte Jason.»Könntest du jemanden jagen, um ihn zu töten?«
«Ich hab meine Verlobte umgebracht, und ihre beiden Brüder und einen Cousin, alle mit einem Messer und meinen bloßen Händen. Sie ließ sich von einem Bankier aus Nashville ficken, und sie alle wußten Bescheid — er hat 'ne Menge Kohle springen lassen. Jaa, ich kann töten, Mr. Francois.«
Jagd auf wahnsinnigen Mörder in Nashville.
Junger Ingenieur mit vielversprechender Zukunft dem Netz entgangen.
Borowski erinnerte sich an die Überschriften in den Zeitungen vor ein paar Wochen, als er in das Gesicht des jungen Amerikaners starrte.»Geh zur Legion«, sagte er.
«Wenn's drauf ankommt, Mr. Francois, kann ich mich auf Sie berufen?«
«Das würde dir nicht helfen, ganz im Gegenteil. Wenn du unter Druck stehst, sag einfach die Wahrheit. Das ist das beste.«
«Aussi bien! Er kennt die Legion. Sie nehmen keine Verrückten, wenn es irgend geht, aber sie — wie sagt man, Francois?«
«Sehen nicht immer so genau hin, denke ich.«
«Oui. Vor allem, wenn es… Francois?«
«… wenn es mildernde Umstände gibt.«
«Siehst du? Mein Freund Francois hat auch Verstand. Ich frage mich, wie er überlebt hat.«
«Indem ich es nicht gezeigt habe, Maurice.«
Ein Kellner mit der dreckigsten Schürze, die Jason je gesehen hatte, klopfte dem Belgier auf die Schulter. »Votre table, Rene.«
«So?«Panzerhemd zuckte mit den Schultern.»Noch ein Name. Was macht das schon? Wir essen jetzt was, und wenn wir Glück haben, werden wir nicht vergiftet.«
Zwei Stunden später, nach vier Flaschen herbem Wein, die Maurice und Ralph zu ihrem äußerst verdächtigen Fisch getrunken hatten, bereitete sich das Le Coeur du Soldat auf das allnächtliche Durchhalteritual vor: Keilereien, die immer wieder ausbrachen, wurden von muskulösen Kellnern beendet. Die lärmende Musik lieferte Erinnerungen an gewonnene und verlorene Schlachten, die Diskussionen auslösten, besonders unter denen, die immer nur zum Kanonenfutter gehört hatten. Es war das kollektive Gebrüll des unterprivilegierten Fußvolks, das es schon zu Zeiten der Pharaonen gegeben hatte, das man von Korea- und Vietnam Veteranen hören konnte. Die sauber gekleideten Offiziere gaben ihre Befehle weit hinter den Linien, und das Fußvolk starb, um die Weisheit seiner Vorgesetzten zu bewahrheiten. Borowski dachte an Saigon und machte der Existenz des Coeur du Soldat keinen Vorwurf.
Der Chefbarkeeper, ein massiger, kahlköpfiger Mann mit Stahlrandbrille, griff nach dem Telefon, das am anderen Ende unter der Theke verborgen war, und hob den Hörer an sein Ohr.
Jason beobachtete ihn zwischen den hin- und herwogenden Gestalten. Die Augen des Mannes sahen sich im Raum um — was er hörte, schien wichtig zu sein, nicht, was er sah. Er sprach kurz, langte mit der Hand unter die Theke und behielt sie dort für einige Augenblicke. Er hatte eine neue Nummer gewählt. Wieder sprach er schnell und stellte dann ruhig das Telefon außer Sichtweite. Es war genau, wie es ihm der alte Fontaine auf Tranquility Island beschrieben hatte: Botschaft erhalten, Botschaft weitergegeben. Und am Ende der Empfängerleitung saß der Schakal.