«Aber sicher. Hab schon oft auf seiner Couch oben gepennt. Hat mich persönlich nach oben getragen.«
«Oben?«
«Er wohnt im ersten Stock über der Kneipe. Man sagt, daß er nie rausgeht, nie auf die Straße raus, nicht mal zum Markt. Er schickt andere, oder die Sachen werden geliefert.«
«Verstehe. «Jason zog sein Geld aus der Tasche und gab jedem noch mal fünfhundert Francs.»Geht in die Gasse zurück, und wenn Santos rauskommt, haltet ihn an und benehmt euch, als hättet ihr zuviel getrunken. Bittet ihn um Geld, um eine Flasche, was auch immer.«
Wie Kinder griffen Maurice-Rene und Ralph nach den Geldscheinen und sahen einander wie siegreiche Verschwörer an. Francois, der verrückte legionnaire, schmiß mit dem Geld um sich, als würde er es selber drucken! Ihr Enthusiasmus nahm zu.
«Wie lange sollen wir diesen Truthahn beschäftigen?«fragte der Amerikaner.
«Ich werde ihm die Ohren von seinem kahlen Schädel reißen!«
«Nein, nur lange genug, damit ich sehen kann, ob er allein ist«, sagte Borowski,»daß niemand bei ihm ist oder ihm folgt.«
«Kein Problem, Mann.«
«Wir werden nicht nur unser Geld verdienen, sondern deinen Respekt. Du hast das Wort eines Corporals der Legion.«
«Ich bin gerührt. Geht jetzt. «Die beiden betrunkenen Männer schlurften die Gasse hinunter, wobei die Armeejacke dem Panzerhemd triumphierend auf die Schulter klopfte. Jason drückte sich mit dem Rücken gegen die Ziegelsteinmauer, nur wenige Zentimeter von der Straßenecke entfernt, und wartete. Sechs Minuten vergingen, und dann hörte er die Worte, auf die er so gewartet hatte.
«Santos! Mein großer, guter Freund Santos!«
«Was machst du denn hier, Rene?«
«Mein junger amerikanischer Freund hat sich nicht gut gefühlt, aber es ist vorbei — er hat gekotzt.«
«Amerikaner?«»Laß mich ihn dir vorstellen, Santos. Er wird ein großer Krieger werden.«
«Gibt es irgendwo einen Kinderkreuzzug?«
Borowski schielte um die Ecke, als der Barkeeper Ralph ansah.
«Viel Glück, Babygesicht. Such dir einen Krieg auf einem Spielplatz.«
«Sie sprechen so schnell französisch, Mister, aber ein bißchen was hab ich verstanden. Sie sind eine gute Mutter, aber ich kann ein gemeiner Hurensohn sein!«
Der Barkeeper lachte und sprach jetzt mühelos englisch:»Such dir dafür aber 'ne andere Bar, Babygesicht. Wir lassen ins Le Coeur nur friedliche Leute rein… Ich muß jetzt gehen.«
«Santos!«schrie Maurice-Rene.»Leih mir zehn Francs. Ich habe mein Portemonnaie zu Hause vergessen.«
«Wenn du je ein Portemonnaie gehabt hast, dann hast du es in Nordafrika vergessen. Du kennst meine Politik, keinen Sou für einen von euch.«
«Das Geld, das ich hatte, hab ich für deinen lausigen Fisch ausgegeben! Davon mußte mein Freund kotzen!«
«Zum nächsten Essen fahrt ihr nach Paris und geht ins Ritz… Richtig. Ihr habt gegessen! Aber ihr habt noch nicht dafür bezahlt.«
Jason zog schnell seinen Kopf zurück, als der Barkeeper sich umdrehte und die Gasse hochsah.
«Gute Nacht, Rene. Und du auch, Babykrieger. Ich habe zu tun.«
Borowski rannte über das Pflaster hinunter zum Tor der alten Fabrik. Santos kam, um ihn zu treffen. Allein. Er überquerte die Straße, lief in den Schatten des geschlossenen alten Stahlwerks und verhielt sich ruhig. Er fühlte nur mit der Hand nach dem harten Stahl und der Sicherheit seiner Automatic. Mit jedem
Schritt, den Santos machte, kam der Schakal näher! Augenblicke später tauchte die riesige Figur aus der Gasse auf, überquerte die schwach erleuchtete Straße und näherte sich dem verrosteten Tor.
«Ich bin hier, Monsieur«, sagte Santos.
«Ich danke Ihnen.«
«Mir wäre lieber, Sie würden zuerst Ihr Wort halten. Ich glaube, Sie erwähnten fünftausend Francs auf Ihrem Zettel.«
«Hier sind sie. «Jason langte in seine Tasche, holte das Geld heraus und hielt es ihm hin.
«Danke«, sagte Santos, kam näher und nahm die Scheine in Empfang.»Greift ihn!«fügte er hinzu.
Plötzlich wurde hinter Borowski das alte Tor aufgerissen. Zwei Männer stürzten heraus, und bevor Jason zur Waffe greifen konnte, krachte ein schweres, dumpfes Instrument auf seinen Schädel.
Kapitel 23
«Wir sind allein«, sagte die Stimme, als Borowski die Augen öffnete. Die riesige Gestalt von Santos ließ den großen Sessel, in dem er saß, klein erscheinen, und die schwache Birne der einzigen Deckenlampe erhöhte die Blässe seines riesigen kahlen Schädels. Jason schmerzte der Hals, und er spürte die starke Schwellung auf seinem Kopf. Er war in die Ecke des Sofas gelehnt.
«Kein Bruch, kein Blut, ich schätze nur eine etwas schmerzhafte Beule«, gab der Mann des Schakals zum besten.
«Ihre Diagnose ist genau, insbesondere der zweite Teil.«
«Es war umwickeltes Hartgummi. Das Ergebnis ist vorhersehbar, es sei denn, es handelt sich um eine Gehirnerschütterung. Neben Ihnen, auf dem Tablett, liegt ein Eisbeutel. Könnte nützlich sein. «Borowski ergriff in dem schwachen Licht den großen, kalten Beutel und legte ihn sich auf den Kopf.»Sie sind sehr rücksichtsvoll«, sagte er tonlos.
«Warum nicht? Wir haben mehrere Dinge zu besprechen… eine Million…«
«Sie gehört Ihnen unter den genannten Bedingungen.«
«Wer sind Sie?«fragte Santos scharf.»Das ist keine der Bedingungen.«
«Sie sind kein junger Mann mehr.«
«Nicht, daß es wichtig wäre, aber Sie sind es auch nicht.«
«Sie hatten eine Pistole und ein Messer bei sich. Letzteres taugt eher für junge Heißsporne.«
«Wer hat das gesagt?«
«Unsere Reflexe… Was wissen Sie über die Amsel?«
«Sie könnten mich ebenso fragen, woher ich Le Coeur kenne.«
«Woher?«
«Hat mir jemand gesagt.«
«Wer?«
«Tut mir leid, gehört nicht zu den Bedingungen. Ich bin ein Vermittler, und das ist meine Arbeitsweise. Das erwarten meine Kunden.«
«Erwarten sie auch, daß Sie sich das Knie verbinden, um eine Verwundung vorzutäuschen? Als Sie die Augen öffneten, habe ich draufgedrückt. Keine Anzeichen von Schmerz, keine Verstauchung, kein Bruch. Sie haben auch keinen Ausweis bei sich, nur einen Haufen Geld.«
«Sind nun mal meine Methoden… Ich habe Ihnen doch meine Botschaft überbracht, oder? Ich bezweifle ich, daß ich es ebenso erfolgreich hätte tun können, wenn ich in Ihrem Laden im Anzug und mit Aktentasche erschienen wäre.«
Santos lachte.»Da wären Sie gar nicht reingekommen. Sie wären schon in der Gasse ausgezogen worden.«
«Den Gedanken hatte ich auch… Machen wir ein Geschäft. Sagen wir eine Million?«
Der Mann des Schakals zuckte die Schultern.»Mir scheint, daß ein Käufer, wenn er auf Anhieb eine solche Summe nennt, noch höher geht. Sagen wir anderthalb Millionen. Vielleicht auch zwei.«
«Aber ich bin nicht der Käufer, ich bin der Vermittler. Ich bin autorisiert, eine Million zu zahlen, was meiner Meinung nach schon viel zuviel ist. Aber Zeit ist Geld. Nehmen Sie's oder lassen Sie's. Ich habe noch andere Möglichkeiten.«
«Haben Sie wirklich?«»Gewiß.«
«Nicht, wenn Sie eine Leiche sind, die ohne Ausweis in der Seine schwimmt.«
«Ich verstehe. «Jason sah sich in der dunklen Wohnung um; sie hatte wenig Ähnlichkeit mit der schäbigen Kneipe darunter. Die Möbel waren groß, aber geschmackvoll ausgewählt, nicht elegant, doch gewiß auch nicht billig. Was einigermaßen erstaunlich war, das waren die Bücherregale, die zwischen den beiden Vorderfenstern die ganze Wand bedeckten. Der Akademiker in Borowski wünschte, er könnte die Buchtitel lesen. Sie könnten ihm ein klareres Bild von diesem seltsamen Riesen verschaffen, der sprach, als wäre er an der Sorbonne gewesen — äußerlich ein Rohling und innerlich… wer weiß. Seine Augen kehrten zu Santos zurück.»Dann kann ich hier also nicht ganz einfach wieder rausspazieren?«