«Nein«, antwortete der Verbindungsmann des Schakals.»Es wäre möglich gewesen, wenn Sie meine einfachen Fragen beantwortet hätten, aber Sie sagen mir, daß Ihre Konditionen — oder sollte ich sagen, Ihre Restriktionen? Ihnen das verbieten… Nun gut, auch ich habe meine Konditionen, und Sie werden mit ihnen leben oder sterben.«»Das ist keine große Auswahl.«»Kein Grund, weshalb es anders sein sollte.«»Natürlich: Sie verscherzen sich jede Chance, eine Million zu kassieren — oder, wie Sie vorgeschlagen haben, eine Menge mehr.«
«Man möchte meinen«, sagte Santos und kreuzte seine dicken Arme über der Brust, wobei er abwesend seine großen Tätowierungen betrachtete,»daß ein Mann mit derartigen Mitteln bereitwillig Auskünfte geben wird, um unnötige und quälende Schmerzen zu vermeiden. «Der Mann des Schakals schlug plötzlich mit der rechten Faust auf die Stuhllehne und brüllte:»Was wissen Sie über eine Amsel? Wer hat Ihnen vom Coeur du Soldat erzählt? Wo kommen Sie her, und wer sind Sie, und wer ist Ihr Kunde?«Borowski lief es kalt über den Rücken, aber sein Hirn arbeitete rasend schnell. Er mußte hier rauskommen! Er mußte Bernardine erreichen — wie viele Stunden war sein Anruf schon überfällig? Wo war Marie? Doch an dem Riesen ihm gegenüber war kein Vorbeikommen. Santos war weder ein Lügner noch ein Idiot. Er würde und konnte seinen Gefangenen spielend und ohne Zögern ermorden… und er würde sich nicht durch irgendwelche falschen oder zusammengeflickten Informationen düpieren lassen. Der Mann des Schakals hatte zwei Besitztümer zu verteidigen — sein eigenes und das seines Mentors. Dem Chamäleon blieb nur ein Ausweg: einen gefährlich großen Teil der Wahrheit zu enthüllen, so groß, daß es glaubhaft war, die Authentizität so plausibel, daß das Risiko der Ablehnung für Santos unannehmbar war. Jason legte den Eisbeutel auf das Tablett zurück und sprach langsam aus dem Schatten der Couch heraus.
«Es ist klar, daß ich keine Lust habe, für einen Kunden zu sterben oder gefoltert zu werden, um seine Information zu schützen, also sage ich Ihnen, was ich weiß, was nicht so viel ist, wie ich unter diesen Umständen gerne wissen würde. Ich werde Ihre Punkte der Reihe nach durchgehen, es sei denn, ich bringe vor lauter Angst die Abfolge durcheinander. Als erstes: Über das Geld kann ich nicht persönlich verfügen. Ich treffe mich mit einem Mann in London, dem ich die Information übergebe, und er überweist es von einem Konto in Bern — auf das Konto und den Inhaber, den ich ihm nenne, wer auch immer es ist… Wir übergehen meinen Tod und die quälenden Schmerzen, das habe ich beides beantwortet. Mal sehen, was ich über die Amsel weiß… Das Coeur du Soldat ist zufällig ein Teil der Frage. Mir wurde gesagt, daß ein alter Mann — Name und Nationalität unbekannt, zumindest mir, aber ich nehme an, ein Franzose — an eine bekannte Person des öffentlichen Lebens herangetreten sei und ihm gesagt habe, er sei das Ziel eines geplanten Mordanschlags. Wer glaubt schon einem alten Trunkenbold, besonders, wenn er ein langes Polizeiregister hat und auf eine Belohnung aus ist? Unglücklicherweise fand der Mord statt, aber glücklicherweise war ein Berater des Verstorbenen dabei, als der alte Mann ihn gewarnt hatte. Noch günstiger, daß der Berater ein sehr enger Freund meines Kunden ist und die Ermordung für beide ein sehr erfreuliches Ereignis war. Der Berater gab heimlich die Information weiter. Einer Amsel wird eine Botschaft durch eine Kneipe mit Namen Le Coeur du Soldat in Argenteuil geschickt. Diese Amsel muß ein außergewöhnlicher Mann sein, und jetzt will mein Kunde ihn kontaktieren… Was mich angeht, meine Büros sind Hotelzimmer in verschiedenen Städten. Gegenwärtig bin ich unter dem Namen Simon im Pont-Royal eingetragen, wo ich meinen Paß und meine anderen Papiere habe. «Borowski machte eine Pause und öffnete seine Hände.»Ich habe Ihnen die ganze Wahrheit gesagt, alles, was ich weiß.«
«Nicht die ganze Wahrheit«, korrigierte Santos mit leiser, gutturaler Stimme.»Wer ist Ihr Kunde?«
«Ich werde umgebracht, wenn ich es Ihnen sage.«
«Ich bringe Sie sofort um, wenn Sie es nicht tun«, sagte der Mittelsmann des Schakals und zog Jasons Jagdmesser aus seiner Scheide. Das Blatt glitzerte im Schein der Lampe.
«Warum geben Sie mir nicht die Information, die mein Kunde möchte, zusammen mit einem Namen und einer Nummer — irgendein Name, irgendeine Nummer —, und ich garantiere Ihnen zwei Millionen Francs. Alles, worum mein Kunde gebeten hat, ist, daß ich der einzige Mittelsmann bin. Was schadet es? Die Amsel kann ablehnen und mir sagen, mich zum Teufel zu scheren… Drei Millionen!«
Santos' Augen flackerten, als wäre die Versuchung beinahe zuviel für seine Vorstellung.»Vielleicht machen wir das Geschäft später…«
«Jetzt.«
«Nein!«Der Mann des Schakals ließ seinen riesigen Körper aus dem Sessel schnellen und kam auf die Couch zu, wobei er das Messer drohend vor sich hielt.»Ihr Kunde.«
«Mehrere«, antwortete Borowski.»Eine Gruppe von mächtigen Männern in den Vereinigten Staaten.«
«Wer?«
«Sie hüten ihre Namen wie atomare Geheimnisse, ich kenne nur einen, aber der sollte Ihnen reichen.«
«Wer?«
«Sie müssen es selbst herausfinden — versuchen Sie doch mindestens das Enorme dessen zu begreifen, was ich Ihnen sage. Schützen Sie die Amsel in jeder Hinsicht! Vergewissern Sie sich, daß ich die Wahrheit sage, und dabei können Sie sich so reich machen, daß Sie tun können, was Sie wollen, alles, für den Rest Ihres Lebens. Sie können reisen, verschwinden, vielleicht Zeit gewinnen für Ihre Bücher, statt sich um diesen Abschaum da unten zu kümmern. Wie Sie sagten, wir sind beide nicht mehr jung. Ich mache ein großzügiges Vermittlungsangebot, und Sie sind ein reicher Mann, frei von Sorgen, von unangenehmer Schinderei… Was kann es denn schaden? Man kann es mir abschlagen, meinem Kunden abschlagen. Da ist keine Falle. Mein Kunde will ihn nicht einmal sehen. Sie wollen ihn anheuern.«
«Wie ließe sich das anstellen? Wie könnte ich zufriedengestellt werden?«
«Erfinden Sie sich selbst eine hohe Stellung, und rufen Sie den amerikanischen Botschafter in London an — sein Name ist Atkinson. Sagen Sie ihm, daß sie eine vertrauliche Botschaft von der Schlangenlady erhalten haben. Fragen Sie ihn, ob sie ausgeführt werden soll.«
«Schlangenlady? Was ist das?«
«Medusa. Sie nennen sich selbst Medusa.«
Mo Panov entschuldigte sich und rutschte aus der Sitzecke. Er lief durch das Gedränge zur Herrentoilette des Autobahnrestaurants und suchte verzweifelt nach einem Münztelefon. Es gab keines! Das einzige verdammte Telefon war nur ein paar Schritte von ihrem Platz entfernt und lag genau im Blickfeld der Platinblonden mit den wilden Augen, deren
Paranoia ebenso tief saß wie ihre dunkelroten Haaransätze auf der Kopfhaut. Er hatte nebenbei bemerkt, daß er sein Büro anrufen und seinen Leuten über den Unfall und seinen Aufenthaltsort berichten müsse, wurde aber sofort mit Beleidigungen überhäuft.
«Und ein Schwärm von Bullen, die losziehen, um dich aufzulesen! Nicht ums Verrecken, Medizinmann. Dein
Büro ruft die Fuzzis an, die rufen meinen verehrten Häuptling an, und mein Arsch bleibt an jedem Stachel drahtzaun in der Gegend hängen. Er steht mit jedem Bullen hier in der Gegend auf du und du. Ich glaube, er steckt ihnen, wo es die besten Ficks zu holen gibt.«
«Es gäbe keinen Grund für mich, Sie zu erwähnen, und das würde ich auch nicht tun. Erinnern Sie sich, daß Sie sagten, er könnte möglicherweise nicht gut auf mich zu sprechen sein.«
«Nicht gut zu sprechen? Er würde dir deine kleine Nase abschneiden. Ich will kein Risiko eingehen, und du siehst auch nicht so aus. Du würdest das mit deinem Unfall ausplappern — und als nächstes die Bullen.«»Sie wissen, daß das nicht sinnvoll ist.«»Gut, dann werde ich sinnvoll sein: Ich schreie Vergewaltigung! und sag diesen nicht so zimperlichen Lastwagenfahrern hier, daß ich dich vor zwei Tagen mitgenommen habe und seither deine Sex-Sklavin gewesen bin. Wie schmeckt dir das?«