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In diesem Augenblick war Annaka so leichtsinnig, ihn in den Magen zu treten. McColl bekam das erhobene Bein zu fassen, ruckte gewaltig daran und riss sie an sich. Er schlang den linken Arm von hinten um ihren Hals, legte die Handkante seiner Rechten seitlich an ihren Kopf. Er war drauf und dran, ihr das Genick zu brechen.

Chan, der dies alles aus einem abgedunkelten kleinen Büro schräg gegenüber der offenen Tür des Lagerraums beobachtete, sah jetzt, wie Bourne in seiner Verzweiflung die Nylonschnur losließ, die er so geschickt um McColls Hals geworfen hatte. Er knallte den Kopf des Attentäters gegen das Regal, dann rammte er ihm einen Daumen ins linke Auge.

Als McColl aufschreien wollte, hatte er plötzlich Bournes Unterarm zwischen den Zähnen, sodass der Aufschrei zu einem Gurgeln wurde, das in ihm erstarb. Er schlug und trat weiter um sich, wollte nicht sterben, ja nicht einmal zu Boden gehen. Bourne zog seine Keramikpistole, traf mit dem Griff die empfindliche Stelle hinter McColls rechtem Ohr. Der Agent lag jetzt auf den Knien, schüttelte den Kopf und hielt beide Hände fest auf sein auslaufendes Auge gedrückt. Aber das war nur eine Kriegslist. Er gebrauchte seine Hände, um Annaka zu Fall zu bringen, sie zu sich herabzureißen. Die Mörderhände packten sie, und Bourne, dem keine andere Möglichkeit mehr blieb, drückte ihm die Pistolenmündung in den Nacken und betätigte den Abzug.

Der Schuss knallte nicht sehr laut, aber das Loch in McColls Nacken war eindrucksvoll. Selbst im Tod hielt er Annaka weiter umklammert, sodass Bourne die Pistole einstecken und seine Finger einzeln aufbiegen musste.

Bourne bückte sich und zog Annaka hoch, aber Chan beobachtete seine Grimasse, sah die an seine Seite gepresste Hand. Seine Rippen. Waren sie geprellt, gebrochen oder irgendwas dazwischen? fragte er sich.

Chan trat in den Schatten des leeren Büros zurück. Diese Verletzung hatte er ihm beigebracht. Er konnte sich noch sehr lebhaft an die Kraft erinnern, die er in die-sen Schlag gelegt hatte, an das Gefühl in seiner Faust, als sie getroffen hatte, und an eine Art Stromstoß, der ihn, wie von Bourne kommend, durchzuckt hatte. Aber seltsamerweise war die erwartete heiße Befriedigung ganz ausgeblieben. Stattdessen hatte er bewundern müssen, mit welcher Kraft und Zähigkeit dieser Mann durchgehalten, wie er den Titanenkampf mit McColl fortgesetzt hatte, obwohl sein Gegner unaufhörlich auf seine verwundbarste Stelle getrommelt hatte.

Wieso denkst du diese Gedanken überhaupt? fragte er sich wütend. Bourne hatte ihn stets nur abgewiesen. Obwohl die Beweise unwiderlegbar waren, weigerte er sich strikt, Chan als seinen Sohn anzuerkennen. Was sagte das über ihn? Aus irgendwelchen Gründen zog er es vor, hartnäckig zu glauben, sein Sohn sei tot. Bedeutete das nicht, dass er ihn von Anfang an nicht hatte haben wollen?

«Die Delegationen sind vor ein paar Stunden eingetroffen«, berichtete Jamie Hull dem CIA-Direktor über die abhörsichere Videoverbindung.»Wir haben sie gründlich eingewiesen. Jetzt fehlen nur noch die Hauptdarsteller.«

«Der Präsident ist schon in der Luft«, sagte der Direktor, indem er Martin Lindros mit einer Handbewegung aufforderte, Platz zu nehmen.»In ungefähr fünf Stunden und zwanzig Minuten betritt der Präsident der Vereinigten Staaten isländischen Boden. Ich kann bloß hoffen, dass Sie für ihn bereit sind.«

«Hundertprozentig, Sir. Das sind wir alle.«

«Ausgezeichnet. «Aber sein Stirnrunzeln verstärkte sich, als er einen Blick auf die Notizen auf seinem Schreibtisch warf.»Wie kommen Sie nach neuestem Stand mit dem Genossen Karpow zurecht?«

«Keine Sorge«, sagte Hull.»Die Situation mit Boris habe ich unter Kontrolle.«

«Das beruhigt mich. Das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und seinem russischen Amtskollegen ist schon gespannt genug. Sie machen sich keinen Begriff davon, was es an Blut, Schweiß und Tränen gekostet hat, Alexander Jewtuschenko an den Verhandlungstisch zu locken. Können Sie sich seinen Wutanfall vorstellen, wenn er hört, dass sein oberster Sicherheitsexperte und Sie drauf und dran sind, einander an die Gurgel zu gehen?«

«Dazu kommt’s nicht, Sir.«

«Das will ich schwer hoffen«, knurrte der Alte.»Halten Sie mich auf dem Laufenden — vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.«

«Wird gemacht, Sir«, versicherte Hull und beendete die Verbindung.

Der CIA-Direktor drehte sich halb um, fuhr sich mit einer Hand durch seine schlohweiße Mähne.»Wir sind auf der Zielgeraden, Martin. Tut’s Ihnen so weh wie mir, hier im Büro sitzen zu müssen, während Hull draußen im Einsatz die Verantwortung trägt?«

«Allerdings, Sir. «Lindros hatte sein Geheimnis die ganze Zeit für sich behalten und konnte sich fast nicht mehr beherrschen, aber Pflichtbewusstsein siegte über Mitgefühl. Er wollte den Alten nicht verletzen, auch wenn dieser ihm in letzter Zeit übel mitgespielt hatte.

Er räusperte sich.»Sir, ich komme gerade von meinem Gespräch mit Randy Driver zurück.«

«Und?«

Lindros atmete tief durch, dann berichtete er dem Alten, was Driver gestanden hatte: Conklin hatte Dr. Felix Schiffer aus allein ihm bekannten, sehr dunklen Gründen von der DARPA zur Agency geholt, um ihn anschließend» verschwinden «zu lassen, und da Conklin jetzt tot war, wusste niemand, wo Schiffer geblieben war.

Der Direktor hämmerte mit einer Faust auf seinen Schreibtisch.»Verdammt noch mal, dass ein Wissenschaftler aus der Entwicklungsabteilung unmittelbar vor dem Terrorismusgipfel verschwindet, ist eine Katastrophe ersten Ranges! Erfährt das Hexenweib davon, kostet mich das auf der Stelle meinen Job!«

Einen Augenblick lang herrschte in dem weitläufigen Eckbüro betroffenes Schweigen. Die Fotos einstiger und jetziger Spitzenpolitiker schienen die beiden Männer mit stummem Tadel anzustarren.

Endlich sprach der Alte weiter.»Soll das heißen, dass Alex Conklin dem Verteidigungsministerium einen Wissenschaftler abgeworben und bei uns untergebracht hat, um ihn aus unbekannten Gründen verschwinden und an einen unbekannten Ort bringen zu lassen?«

Lindros, der die Hände auf den Knien gefaltet hielt, sagte nichts, aber er hütete sich, dem Blick des Alten auszuweichen.

«Nun, das wäre… Ich meine, so was tun wir in der Agency nicht, und Alexander Conklin hätte es erst recht nicht getan. Das wäre ein eklatanter Verstoß gegen sämtliche Spielregeln gewesen.«

Lindros zog die Augenbrauen hoch, weil er an seine gründlichen Recherchen in dem streng geheimen VierNull-Archiv dachte.»Im Einsatz hat er’s oft genug getan, Sir. Das wissen Sie.«

Tatsächlich wusste der CIA-Direktor das nur allzu gut.»Dieser Fall liegt anders«, widersprach er.»Diese Sache ist praktisch vor unserer Nase passiert. Das ist ein Affront gegen die Agency und mich persönlich. «Der Alte schüttelte sein weißes Haupt mit dem zerfurchten Gesicht.»Ich weigere mich, das zu glauben, Martin. Es muss eine andere Erklärung geben, verdammt noch mal!«

Aber Lindros ließ nicht locker.»Sie wissen, dass es keine gibt. Tut mir Leid, dass ich Ihnen diese Nachricht bringen musste, Sir.«

In diesem Augenblick kam die Sekretärin des Alten herein, gab ihm eine Telefonnotiz und ging wieder hinaus. Der Direktor faltete den Zettel auseinander.

Ihre Frau lässt Sie bitten, sie anzurufen, las er. Sie sagt, es sei dringend.

Der Alte zerknüllte den Zettel, dann sah er auf.»Natürlich gibt’s eine andere Erklärung. - Ich denke an Jason Bourne.«

«Sir?«

Der Direktor sah Lindros in die Augen und sagte trübselig:»Die Sache mit Schiffer hat nicht Alex, sondern Bourne veranlasst. Das ist die einzig vernünftige Erklärung.«

«Lassen Sie mich eines gleich feststellen, Sir: Ich glaube, dass Sie sich irren«, sagte Lindros, der sich für eine schwierige Auseinandersetzung wappnete.»Bei allem Respekt denke ich, dass Sie sich durch Ihre persönliche Freundschaft mit Alex Conklin in Ihrem Urteil beeinflussen lassen. Seit meinen Recherchen im Vier-NullArchiv bin ich der Überzeugung, dass niemand — auch Sie nicht — Conklin näher gestanden hat als Jason Bour-ne.«