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Zwei Männer packten Bourne von hinten.

«Findet ihn!«, hörte er Annaka kreischen.»Findet Chan und legt ihn um!«

«Annaka, was…«

Bourne beobachtete sprachlos, wie die beiden Männer, die bereits geschossen hatten, an ihm vorbeirannten und über die von Kugeln durchsiebten Leichen sprangen.

«Vorsicht«, sagte Annaka warnend.»Er hat eine Pistole!«

Einer der Männer fesselte Bourne die Hände auf dem Rücken, während ein anderer ihn nach Waffen abtastete. Bourne riss sich los, warf sich herum und traf den zweiten Mann mit einem Kopfstoß, der ihm das Nasenbein brach. Blut spritzte, und der Mann schlug mit einem Aufschrei die Hände vors Gesicht und wich zurück.

«Verdammt, was machst du?«

Nun trat Annaka mit einer Maschinenpistole bewaffnet auf Bourne zu und rammte ihm den massiven Kolben in die Rippen. Er krümmte sich nach Luft schnappend zusammen und verlor das Gleichgewicht. Seine Knie waren weich wie aus Gummi, und die Schmerzen, die ihn peinigten, waren im Augenblick unerträglich. Die Faust eines Mannes krachte an seine Schläfe. Bourne klappte zusammen.

Die beiden Männer kamen von ihrer Erkundung in der Klinik zurück.»Keine Spur von ihm«, meldeten sie Annaka.

«Macht nichts«, sagte sie und deutete auf den Mann, der sich vor ihr auf dem Boden wand.»Schafft ihn in den Wagen. Beeilung!«

Bevor die anderen reagieren konnten, war der Mann mit dem gebrochenen Nasenbein heran. Er kauerte neben Bourne nieder, setzte ihm seinen Revolver an die

Schläfe. Aus seinen Augen blitzte Wut, und er schien abdrücken zu wollen.

«Weg mit der Waffe«, sagte Annaka ruhig, aber energisch.»Wir sollen ihn lebend abliefern. «Sie starrte ihn an, ohne einen Muskel zu bewegen.»Befehl von Spalko. Das weißt du. «Endlich nahm der Mann den Revolver weg.

«Los jetzt!«, befahl sie.»In den Wagen mit ihm!«

Bourne starrte sie an. Wegen ihres Verrats kochte er innerlich vor Wut.

Annaka feixte, als sie eine Hand ausstreckte. Einer der Männer gab ihr eine Injektionsspritze, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. Mit raschen, sicheren Bewegungen spritzte sie Bourne das Betäubungsmittel intravenös, und er merkte, wie sein Blick allmählich verschwamm.

Kapitel fünfundzwanzig

Hassan Arsenow hatte Sina die Zuständigkeit für das Erscheinungsbild des Teams übertragen, als sei sie die Maskenbildnerin eines Filmstudios. Sie nahm den Auftrag ernst, wie sie jede Arbeit ernst nahm — aber nicht ohne ein heimliches zynisches Kichern. Wie ein Planet zu seiner Sonne gehörte sie jetzt zu dem Scheich. Ihrem Wesen entsprechend war sie mental und emotional aus Hassans Einflussbereich ausgeschert. Das hatte in jener Nacht in Budapest begonnen — obwohl die Anfänge viel weiter zurückliegen mussten — und war unter der heißen kretischen Sonne zur Vollendung gereift.

An ihre gemeinsame Zeit auf der Ägäisinsel klammerte Sina sich, als sei das ihre eigene private Legende, die sie nur mit ihm teilte. Sie waren. wer?. Theseus und Ariadne gewesen. Der Scheich hatte ihr die Sage vom schrecklichen Leben und blutigen Tod des Minotaurus erzählt. Gemeinsam hatten sie ein reales Labyrinth betreten, gemeinsam hatten sie triumphiert. Im Fieber dieser kostbaren neuen Erinnerungen wurde ihr nie bewusst, dass sie sich damit in eine westliche Sage hineinversetzte, dass sie sich durch ihre Bindung an Stepan Spalko vom Islam entfernt hatte, von dem Glauben, der sie wie eine zweite Mutter genährt und umhegt hatte, der in den dunklen Tagen der russischen Besatzung ihr Beistand und einziger Trost gewesen war. Auf die Idee, ihr altes Leben hinter sich lassen zu müssen, um ein neues beginnen zu können, war sie nie gekommen. Und selbst wenn sie darauf gekommen wäre, hätte sie sich mit ihrem angeborenen Zynismus wahrscheinlich nicht anders entschieden.

Sinas Wissen und Geschick sorgten dafür, dass die Männer des Teams, die auf dem im Dämmerlicht liegenden Flughafen Keflavik ankamen, glatt rasiert waren, westliche Haarschnitte hatten und dunkle Geschäftsanzüge mit europäischem Schnitt trugen, in denen sie so farblos wirkten, dass sie buchstäblich anonym waren. Die Frauen mussten auf den traditionellen hidschab, der Gesicht und Körper bedeckt, verzichten. Ihre nackten Gesichter waren wie bei Westeuropäerinnen dezent geschminkt, und sie waren nach der neuesten Pariser Mode gekleidet. Die Passkontrolle passierten sie ohne Schwierigkeiten mit den gefälschten französischen Reisepässen, mit denen Spalko sie ausgestattet hatte.

Auf Arsenows Befehl achteten sie jetzt darauf, nur noch Isländisch zu sprechen, selbst wenn keine Fremden zugegen waren. Bei einem Autoverleih auf dem Flughafen mietete Arsenow eine Limousine und drei Vans für das aus sechs Männern und vier Frauen bestehende Team. Während Arsenow und Sina mit der Limousine nach Reykjavik fuhren, überführten die restlichen Teammitglieder die Vans in das südlich von Reykjavik gelegene Hafenstädtchen Hafnarfjördur, den ältesten Handelshafen Islands, wo Spalko ein großes Holzhaus auf einer Felsklippe über dem Hafen gemietet hatte. Das malerische Städtchen mit seinen bunten Holzhäusern war zum Land hin von erstarrten Lavaströmen abgeriegelt und voller Nebel, sodass man das Gefühl hatte, hier sei die Zeit stehen geblieben. Zwischen den bunt gestri-chenen Fischerbooten, die zusammengedrängt im Hafen lagen, konnte man sich leicht vorstellen, hier lägen mit Schilden behängte Langboote von Wikingern, die sich auf ihren nächsten blutigen Raubzug vorbereiteten.

Arsenow und Sina fuhren durch Reykjavik, machten sich mit Straßen vertraut, die sie bisher nur vom Stadtplan kannten, und verschafften sich einen Eindruck von der Fahrweise der Einheimischen. Die Großstadt lag malerisch auf einer Halbinsel, sodass von fast jedem Punkt aus entweder verschneite Berggipfel oder der grimmige blauschwarze Nordatlantik zu sehen war. Die Insel selbst war durch eine Verschiebung tektonischer Platten entstanden, als die Landmassen Amerikas und Eurasiens auseinander gedriftet waren. Weil die Insel relativ jung war, war die Erdkruste hier dünner als auf den umliegenden Kontinenten, was die bemerkenswerte Häufigkeit von geothermischer Aktivität erklärte, die zur Heizung isländischer Häuser diente. Die gesamte Hauptstadt hing an der Heißwasserleitung von Reykjavik Energy.

In der Innenstadt kamen sie an der modernen, eigenartig beunruhigenden Hallgrimskikja vorbei, die wie ein Raumschiff aus einem Science-Fiction-Roman aussah. Diese Kirche war das bei weitem höchste Bauwerk in einer Großstadt ohne Hochhäuser. Sie fanden das Gebäude des Gesundheitsdiensts und fuhren von dort aus zum Hotel Oskjuhlid weiter.

«Bist du sicher, dass sie diese Route benützen werden?«, fragte Sina.

«Absolut«, sagte Arsenow nickend.»Sie ist der kürzeste Weg, und sie werden möglichst schnell ins Hotel wollen.«

Entlang der Peripherie des Hotels wimmelte es von amerikanischen, russischen und arabischen Sicherheitsbeamten.

«Sie haben das Hotel in eine Festung verwandelt«, stellte Sina fest.

«Genau wie die Fotos des Scheichs uns gezeigt haben«, bestätigte Arsenow mit schwachem Lächeln.»Wie viele Leute sie aufbieten, macht für uns keinen Unterschied.«

Sie parkten und gingen von Geschäft zu Geschäft, um ihre Einkäufe zu machen. Arsenow hatte sich in dem Stahlkokon ihres Leihwagens entschieden wohler gefühlt. Er war sich der Fremdheit peinlich bewusst, als sie sich durch die Menge bewegten. Wie anders diese schlanken, hellhäutigen, blauäugigen Menschen waren! Mit seinem schwarzen Haar und seinen dunklen Augen, seinem massigen Körper und dunklen Teint fühlte er sich wie ein Neandertaler unter Cro-Magnon-Menschen. Sina, das merkte er, hatte dieses Problem nicht. Sie ließ sich mit erschreckender Begeisterung auf neue Orte, neue Leute, neue Ideen ein. Er machte sich Sorgen um sie, war besorgt wegen ihres Einflusses auf die Kinder, die sie eines Tages haben würden.