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Er war so verblüfft, dass er gar nicht versuchte zu leugnen. Was hätte er damit auch erreicht? fragte er sich. Sie hatte ihn gesehen, obwohl er sehr vorsichtig gewesen war. Hearn starrte sie an. Sie war wirklich eine Schönheit, aber vor allem auch beeindruckend scharfsinnig.

Sie legte den Kopf leicht schief.»Für Interpol arbeiten Sie nicht — Sie haben nicht die albernen Angewohnheiten dieser Leute. CIA? Nein, das glaube ich nicht. Stepan würde es erfahren, falls die Amerikaner versuchen sollten, seine Organisation zu unterwandern. Für wen also, hmmm?«

Hearn wollte es nicht sagen; er brachte kein Wort heraus. Er fürchtete nur, dass sie es schon wusste — sie wusste alles.

«Starren Sie mich nicht so kreidebleich an, Ethan. «Annaka stand auf.»Mir ist das herzlich egal. Ich will nur eine Versicherungspolice für den Fall, dass die Dinge hier schief gehen. Diese Versicherungspolice sind Sie. Deshalb wollen wir Ihren Verrat vorläufig als unser kleines Geheimnis betrachten.«

Sie hatte den Raum durchquert und war hinausgegangen, bevor er sich eine Antwort einfallen lassen konnte. Er blieb noch einen Augenblick lang wie gelähmt sitzen.

Endlich stand er auf, öffnete die Tür und sah nach beiden Richtungen den Flur entlang, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich gegangen war.

Dann schloss er die Tür, trat an das Schlafsofa und sagte:»Okay, Sie können rauskommen.«

Die Polster wurden hochgehoben, und er legte sie auf den Teppichboden. Als die Sperrholzplatten, die den Bettmechanismus verbargen, sich zu bewegen begannen, griff Hearn nach ihnen und hob sie heraus.

Statt Bettgestell und Matratze lag darunter Chan.

Hearn merkte, dass er schwitzte.»Sie haben mich vor ihr gewarnt, aber.«

«Still!«Chan stemmte sich aus dem beengten Raum hoch, der schmaler als ein Sarg war. Hearn wich ängstlich zurück, aber Chan hatte wichtigere Dinge im Kopf als körperliche Züchtigung.»Achten Sie nur darauf, dass Sie denselben Fehler nicht noch mal machen.«

Chan ging zur Tür und legte ein Ohr daran. Draußen waren nur die Hintergrundgeräusche der übrigen Büros dieses Stockwerks zu hören. Er war mit Hose, Schuhen, T-Shirt und Lederjacke ganz in Schwarz gekleidet. Hearn hatte den Eindruck, sein Oberkörper sei viel massiger als bei ihrer letzten Begegnung.

«Sie bauen das Sofa wieder zusammen«, wies Chan ihn an,»und arbeiten dann weiter, als sei nichts passiert. Sie müssen bald zu einer Besprechung? Vergessen Sie nicht, pünktlich hinzugehen. Alles muss ganz normal wirken.«

Hearn nickte, während er die Sperrholzplatten in die Vertiefung des Sofas zurücklegte und mit den Polstern bedeckte.»Wir sind hier im fünften Stock«, sagte er.»Die Zielperson ist im dritten Stock.«

«Zeigen Sie mir die Baupläne.«

Hearn setzte sich an sein Computerterminal und rief die Baupläne des Gebäudes auf.

«Zeigen Sie mir den dritten Stock«, sagte Chan, während er sich über Hearns Schulter beugte.

Als Hearn den Grundriss aufgerufen hatte, studierte Chan ihn sorgfältig.»Was ist das?«, fragte er und tippte auf den Bildschirm.

«Keine Ahnung. «Hearn benützte die Zoomfunktion.»Scheint ein Leerraum zu sein.«

«Oder«, sagte Chan,»ein weiterer Raum neben dem Schlafzimmer von Spalkos Privatsuite.«

«Aber hier ist keine Tür eingezeichnet«, stellte Hearn fest.

«Interessant. Ich frage mich, ob Spalko ein paar Änderungen vorgenommen hat, von denen seine Architekten nie erfahren haben.«

Chan wandte sich ab, sobald er sich den Grundriss eingeprägt hatte. Was aus Plänen zu entnehmen war, wusste er nun, aber er musste die Suite mit eigenen Augen sehen. An der Tür drehte er sich noch einmal zu Hearn um.»Nicht vergessen! Gehen Sie pünktlich zu Ihrer Besprechung.«

«Was haben Sie vor?«, fragte Hearn.»Dort kommen Sie unmöglich rein.«

Chan schüttelte den Kopf.»Je weniger Sie wissen, desto besser.«

Die Fahnen flatterten an diesem endlos langen isländischen Morgen voller strahlendem Sonnenschein und dem Mineralgeruch der heißen Quellen. In einer Ecke des Flughafens Keflavik, die Jamie Hull, Boris Iljitsch Karpow und Fahd al-Sa’ud für den sichersten Punkt auf dem Gelände hielten, war auf einem Podium ein großes Rednerpult aufgestellt und an Mikrofone und Lautsprecher angeschlossen worden. Keiner von ihnen, anscheinend nicht einmal Genosse Karpow, war glücklich darüber, dass ihre jeweiligen Präsidenten sich so exponierten, aber die Staatsoberhäupter bestanden darauf. Sie hielten es für unerlässlich, nicht nur ihre Solidarität, sondern auch ihre Furchtlosigkeit der Öffentlichkeit zu demonstrieren. Alle wussten recht gut, dass die mit ihrem Amt verbundene Gefahr, einem Attentat zum Opfer zu fallen, sich seit der Ankündigung des Terrorismusgipfels vervielfacht hatte. Sie alle wussten jedoch auch, dass diese Lebensgefahr zu ihrer Arbeit gehörte. Wer sich daran machte, die Welt zu verändern, musste damit rechnen, dass sich ihm Leute in den Weg stellten.

Und so wehten und knatterten an diesem Morgen zu Beginn des Gipfeltreffens die Fahnen der Vereinigten Staaten, Russlands und der vier wichtigsten islamischen Staaten in dem scharfen Wind. Das Rednerpult war mit dem nach zähen Verhandlungen angenommenen Logo des Gipfels geschmückt, bewaffnete Sicherheitskräfte riegelten den Flughafen ab, auf den Hangardächern waren Scharfschützen in Stellung gegangen. Die aus allen Staaten der Welt zusammengeströmten Berichterstatter hatten sich schon zwei Stunden vor Beginn der Pressekonferenz einfinden müssen. Die Journalisten waren methodisch überprüft, ihre Ausweise streng kontrolliert und ihre Fingerabdrücke mit mehreren Fahndungsdateien verglichen worden. Die Fotografen waren davor gewarnt worden, ihre Filme vorzeitig einzulegen, weil ihre Kameras durchleuchtet und genau untersucht werden mussten. Alle Handys wurden beschlagnahmt, mit Etiketten ver-sehen und außerhalb des Sicherheitsbereichs gelagert, um nach der Pressekonferenz zurückgegeben zu werden. Kein Detail war übersehen worden.

Als der Präsident der Vereinigten Staaten seinen Auftritt hatte, begleitete ihn Jamie Hull gemeinsam mit einem Rudel Secret-Service-Agenten. Über einen Ohrhörer stand Hull in ständiger Verbindung mit jedem Mitglied seines Teams sowie den beiden anderen Sicherheitschefs. Gleich hinter dem US-Präsidenten kam der russische Präsident Alexander Jewtuschenko, der von Karpow und einer Gruppe grimmig dreinblickender FSB-Agenten eskortiert wurde. Dahinter folgten die Staatsoberhäupter der vier islamischen Staaten, jeder mit dem Leiter und mehreren Leuten des eigenen Sicherheitsdiensts.

Die Zuschauer und Journalisten drängen nach vorn, wurden jedoch von dem Podium gestoppt, das die Würdenträger jetzt erklommen hatten. Die Mikrofone wurden getestet, die TV-Kameras gingen auf Sendung. Als Erster trat der US-Präsident ans Rednerpult. Er war ein großer, gut aussehender Mann mit Adlernase und scharfen Augen, denen nicht leicht etwas entging.

«Liebe Bürger in aller Welt«, begann er mit kräftiger, ausdrucksvoller Stimme, die durch viele erfolgreiche Wahlkämpfe abgeschliffen, durch unzählige Pressekonferenzen geglättet und durch Reden vor kleinerem Kreis im Oval Office und in Camp David poliert worden war,»dies ist ein großer Tag für den Weltfrieden und den internationalen Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit gegen die Kräfte von Gewalt und Terrorismus.

Heute stehen wir erneut an einem Scheideweg der Weltgeschichte. Wollen wir zulassen, dass die gesamte Menschheit ins Dunkel von Angst und ständigem Krieg gestürzt wird, oder schließen wir uns zusammen, um unsere Feinde, wo immer sie sich verbergen mögen, ins Herz zu treffen?

Die Mächte des Terrorismus sind gegen uns aufmarschiert. Und wir dürfen nicht verkennen, dass der Terrorismus eine moderne Hydra, ein vielköpfiges Ungeheuer ist. Obwohl wir keine Illusionen in Bezug auf den dornigen Weg liegen, der vor uns liegt, halten wir an unserem Wunsch fest, diesen Weg mit vereinten Kräften gemeinsam zu gehen. Nur vereint können wir das vielköpfige Ungeheuer besiegen. Nur vereint haben wir eine Chance, unsere Welt zu einem sicheren Ort für alle Bürger zu machen.«