Выбрать главу

Diese kurze Rede des US-Präsidenten wurde mit großem Beifall aufgenommen. Dann überließ er das Rednerpult dem russischen Präsidenten, der mehr oder weniger das Gleiche sagte — und ebenfalls großen Applaus erntete. Die vier arabischen Staatsoberhäupter sprachen nacheinander, und obwohl sie sich etwas zurückhaltender ausdrückten, betonten auch sie die dringende Notwendigkeit vereinter Anstrengungen, um den Terrorismus ein für alle Mal auszurotten.

Dann hatten die Journalisten kurz Gelegenheit, Fragen zu stellen, bevor die sechs Männer sich für die Fotografen aufbauten. Sie gaben ein eindrucksvolles Bild ab, das noch denkwürdiger wurde, als sie sich an den Händen fassten und die Arme hochreckten: eine noch nie da gewesene Demonstration der Solidarität der politischen Systeme und Kulturen. Die Stimmung war zuversichtlich, als die Zuschauer sich langsam verliefen. Und selbst die abgebrühtesten Journalisten waren sich darüber einig, der Gipfel habe glänzend begonnen.

«Wissen Sie eigentlich, dass ich beim dritten Paar Latexhandschuhe bin?«

Stepan Spalko saß an dem zerschrammten, blutbespritzten Tisch auf dem Stuhl, auf dem am Vortag An-naka gesessen hatte. Vor sich hatte er ein Sandwich mit Schinken, Salat und Tomate, wie er es in den langen Genesungszeiten zwischen seinen Operationen in den Vereinigten Staaten lieben gelernt hatte. Das Sandwich lag auf einem Teller aus feinem Porzellan, und in der rechten Hand hielt Spalko ein Stielglas aus feinstem Kristall mit einem erlesenen Bordeaux.

«Unwichtig. Es ist schon spät. «Er tippte aufs Quarzglas des Chronometers an seinem Handgelenk.»Ich fürchte, Mr. Bourne, dass mein wundervolles Amüsement zu Ende geht. Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass Sie mir eine fantastische Nacht beschert haben. «Er lachte bellend.»Was mehr ist, als ich für Sie getan habe, möchte ich meinen.«

Das Sandwich war genau seinen Anweisungen entsprechend in zwei gleichseitige Dreiecke zerschnitten. Spalko griff nach einem, biss davon ab und kaute langsam und genüsslich.»Wissen Sie, Mr. Bourne, ein Sandwich mit Schinken, Tomate und Salat taugt nur etwas, wenn der gekochte Schinken frisch und nicht zu dünn geschnitten ist.«

Er schluckte, legte das angebissene Stück weg, setzte das Kristallglas an die Lippen und nahm einen Schluck Bordeaux. Dann schob er den Stuhl zurück, stand auf und ging zu Jason Bourne hinüber, der angeschnallt auf dem Zahnarztstuhl saß. Der Kopf hing ihm auf die Brust, und in einem halben Meter Umkreis um ihn waren überall Blutspritzer zu sehen.

Spalko hob Bournes Kopf mit zwei Fingern seiner behandschuhten Linken hoch. Die von endlosen Qualen glanzlosen Augen waren von dunklen Ringen umgeben, und das bleiche Gesicht wirkte blutleer.»Bevor ich gehe, muss ich Ihnen von der Ironie des Ganzen erzählen. Die Stunde meines Triumphs steht bevor. Was Sie wissen, spielt keine Rolle mehr. Ob Sie reden oder nicht, ist nicht mehr wichtig. Entscheidend ist nur, dass ich Sie hier habe: gefesselt und ohnmächtig. «Er lachte.»Welch schrecklichen Preis Sie für Ihr Schweigen bezahlt haben. Und wofür, Mr. Bourne? Für nichts!«

Chan sah den Wachmann auf dem Korridor vor dem Aufzug stehen und zog sich lautlos zur Tür zum Treppenhaus zurück. Durch das in die Tür eingelassene Drahtglasfenster konnte er zwei bewaffnete Wachleute sehen, die im Treppenhaus standen und rauchten. Ungefähr alle fünfzehn Sekunden warf der eine oder andere Mann einen Blick durch das Fenster, um den Korridor im fünften Stock zu kontrollieren. Die Treppe war zu gut gesichert.

Er kehrte um, ging ganz normal und entspannt den Korridor entlang, zog unterwegs die Luftpistole, die er von Oszkar gekauft hatte, und hielt sie an den rechten Oberschenkel gedrückt. Sowie der Wachmann ihn sah, riss Chan die Luftpistole hoch und schoss ihm einen kleinen Bolzen in den Hals. Die Chemikalie in der Spitze lähmte den Mann, und er brach auf der Stelle zusammen.

Chan schleifte den Bewusstlosen gerade in die Herrentoilette, als die Tür sich öffnete und ein zweiter Wachmann erschien, dessen Maschinenpistole auf Chans Brust zielte.

«Halt, keine Bewegung«, sagte er.»Lassen Sie die Waffe fallen und zeigen Sie mir Ihre leeren Hände.«

Chan tat wie befohlen. Als er die Hände ausstreckte, damit der Wachmann sie inspizieren konnte, löste er die starke Feder in einer innen an seinem Handgelenk verdeckt festgeklebten Scheide aus. Der Uniformierte klatschte sich mit einer Hand an den Hals. Der kleine Pfeil verursachte einen Schmerz wie ein Insektenstich. Aber der Mann merkte plötzlich, dass er nichts mehr sehen konnte. Das war sein letzter Gedanke, bevor auch er bewusstlos zusammenbrach.

Chan schleifte die beiden Männer in die Toilette, dann drückte er den Rufknopf des Aufzugs. Sekunden später glitt die Doppeltür auf, als der Lift in seinem Stockwerk hielt. Er war mit einem Satz in der Kabine, drückte auf den Knopf mit der Zahl drei. Der Aufzug begann in die Tiefe zu sinken, aber als er am vierten Stock vorbei war, hielt er mit einem Ruck und blieb zwischen den Etagen hängen. Chan drückte auf sämtliche Knöpfe, aber das nützte nichts. Der Aufzug steckte fest, was zweifellos beabsichtigt war. Er wusste, dass ihm nur sehr wenig Zeit blieb, um sich aus der Falle zu befreien, die Spalko ihm gestellt hatte.

Er kletterte auf das in der Kabine umlaufende Geländer und streckte sich nach der in die Decke eingelassenen Wartungsöffnung. Als er die Luke schon aufstoßen wollte, ließ er die Hand sinken und sah genauer hin. Was war dieses metallische Glitzern? Er holte die kleine Stablampe aus der Werkzeugtasche, die Oszkar ihm mitgegeben hatte, und richtete den Lichtstrahl auf die Schraube in der hintersten Ecke. Sie war mit einer dünnen Kupferlitze umwickelt. Eine Sprengfalle! Chan wusste jetzt, dass er eine auf der Kabine angebrachte Sprengladung zünden würde, sobald er versuchte, die Luke aufzustoßen.

In diesem Augenblick warf ein Ruck ihn vom Geländer, und die Kabine begann, in allen Fugen ächzend, den Aufzugschacht hinunterzustürzen.

Spalkos Telefon klingelte, und er trat aus der Folterkammer. Sonnenlicht fiel durch die Fenster seines Schlafzimmers, und er spürte die Wärme auf dem Gesicht, als er es durchquerte.

«Ja?«

Eine Stimme sprach in sein Ohr. Die Worte beschleunigten seinen Puls. Er war hier! Chan war hier! Seine Hand ballte sich zur Faust. Jetzt hatte er sie beide. Seine Arbeit hier war fast getan. Er beorderte seine Männer in den zweiten Stock, dann rief er die Sicherheitszentrale an und ordnete eine Feuerlöschübung an, zu der gehörte, dass das Gebäude in kürzester Zeit von allen gewöhnlichen Humanistas-Mitarbeitern geräumt wurde. Binnen zwanzig Sekunden schrillte der Feueralarm los, und überall im Gebäude verließen Männer und Frauen ihre Büros und begaben sich rasch, aber nicht in Panik zu den Treppenhäusern, von denen aus sie ins Freie geführt wurden. Spalko hatte inzwischen seinen Fahrer und seinen Piloten angerufen, wobei er Letzteren anwies, seinen Privatjet, der im Humanistas-Hangar auf dem Flughafen Ferihegy auf ihn wartete, startbereit zu machen. Wie er schon früher angeordnet hatte, war die Maschine schon inspiziert und betankt; auch ein Flugplan war bereits fertig.

Jetzt musste er noch ein Telefongespräch führen, bevor er zu Jason Bourne zurückkehrte.

«Chan ist im Gebäude«, sagte er, als Annaka sich mel-dete.»Er sitzt im Aufzug fest, und ich habe Männer eingesetzt, die ihn abfangen, falls ihm die Flucht gelingt, aber du kennst ihn besser als alle anderen. «Er grunzte, als er ihre Antwort hörte.»Was du sagst, ist keine Überraschung. Erledige die Sache, wie du’s für richtig hältst.«

Chan schlug mit dem Handballen auf den Nothaltknopf, aber der Aufzug reagierte nicht, sondern stürzte weiter in die Tiefe. Mit einem Werkzeug aus Oszkars Lederetui stemmte er die Metallabdeckung über den Etagenknöpfen ab. Dahinter befand sich ein Gewirr von Drähten, aber er sah auf einen Blick, dass die zweipolige Leitung zum Nothaltknopf herausgezogen war. Als er die Enden gewandt wieder in die Buchsen steckte, kam die Kabine sofort mit dem Kreischen von funkensprühendem Metall zum Stehen, als die Notbremse griff. Während sie zwischen dem zweiten und dritten Stock festhing, arbeitete Chan mit atemloser Intensität weiter an der Verdrahtung.