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Falls er sich über Bournes Verletzungen wunderte, ließ er sich nichts anmerken, und Chan vermutete, er habe sich ausgerechnet, sein Unternehmen sei erfolgreich gewesen. Oszkar gab Bourne ein leichtes, ultraflaches Notebook.

«Die Grundrisse der Hotelgebäude und die Einzelheiten aller Versorgungssysteme sind auf der Festplatte gespeichert«, sagte er.»Außerdem ein Stadtplan von Reykjavik, Karten der näheren Umgebung und sonstige Informationen, die vielleicht nützlich sein könnten.«

«Ich bin beeindruckt. «Das sagte Bourne zu Oszkar, aber sein Lob war auch für Chan bestimmt.

Martin Lindros erhielt den Anruf kurz nach elf Uhr vormittags. Er sprang in seinen Wagen und legte die fünfzehnminütige Fahrt zum George Washington Hospital in knapp acht Minuten zurück. Detective Harry Harris war noch in der Notaufnahme. Lindros benützte seinen Dienstausweis, um sich Zutritt zu verschaffen, und erreichte, dass ein gestresster Assistenzarzt ihn zu dem Bett führte. Er zog den Vorhang auf, der das Bett in der Notaufnahme von drei Seiten umgab, und schloss ihn hinter sich.

«Was zum Teufel ist mit Ihnen passiert?«, fragte er. Harris lag halb sitzend im Bett und betrachtete ihn, so gut er konnte. Sein Gesicht war verfärbt und geschwollen. Die Oberlippe war aufgeplatzt, und eine Platzwunde unter dem linken Auge hatte genäht werden müssen.»Ich bin rausgeflogen — das ist mir passiert.«

Lindros schüttelte den Kopf.»Das verstehe ich nicht.«

«Die Nationale Sicherheitsberaterin hat meinen Boss angerufen. Persönlich. Sie hat verlangt, dass mir fristlos gekündigt wird. Dass ich ohne Abfindung oder Altersversorgung entlassen werde. Das hat er mir erklärt, als er mich gestern bei sich hat antreten lassen.«

Lindros ballte unwillkürlich die Fäuste.»Und dann?«

«Was denken Sie? Er hat mich rausgeschmissen. Nach untadeligen zwanzig Dienstjahren mit Schimpf und Schande davongejagt.«

«Ich meine«, sagte Lindros,»wie Sie hier gelandet sind.«

«Oh, das. «Harris drehte den Kopf weg.»Ich hab mich betrunken, nehme ich an.«

«Das nehmen Sie an?«

Harris wandte sich ihm mit funkelnden Augen wieder zu.»Ich hab mich ziemlich betrunken, okay! Wenigstens das hat mir doch zugestanden, oder nicht?«

«Aber dann ist etwas schief gegangen.«

«Yeah. Soviel ich mich erinnere, hab ich Streit mit ein paar Bikern bekommen — und dann gab’s eine Schlägerei.«

«Sie glauben vermutlich, Sie hätten’s verdient, zu Brei geschlagen zu werden.«

Harris sagte nichts.

Lindros fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.»Ich weiß, dass ich versprochen habe, diese Sache zu regeln, Harry. Ich dachte, ich hätte alles unter Kontrolle; meiner Ansicht nach war sogar der Direktor auf meine Linie eingeschwenkt. Ich habe mir nur nicht vorstellen können, dass die Sicherheitsberaterin einen Präventivschlag führen würde.«

«Zum Teufel mit ihr!«, sagte Harris.»Zum Teufel mit allen. «Er lachte verbittert.»Meine Ma hat ganz Recht gehabt, als sie gesagt hat: >Keine gute Tat bleibt unbestraft.««

«Hören Sie, Harry, ohne Sie wäre ich in der Sache Schiffer nie weitergekommen. Deshalb lasse ich Sie jetzt nicht im Stich. Ich helfe Ihnen aus der Patsche.«

«Yeah? Mich würde bloß interessieren, wie Sie das anfangen wollen.«

«Wie Hannibal, den ich als Heerführer verehre, einmal so großartig gesagt hat: >Wir werden einen Weg finden oder einen schaffen.««

Als sie bereit waren, fuhr Oszkar sie zum Flughafen. Bourne, der wieder starke Schmerzen hatte, ließ gern jemand anders fahren. Trotzdem blieb er wie stets im Einsatz hellwach. Er stellte befriedigt fest, dass Oszkar häufig in die Außenspiegel sah, um zu kontrollieren, ob sie beschattet wurden. Aber sie schienen nicht verfolgt zu werden.

Vor sich konnte er den Tower des Flughafens sehen, und im nächsten Augenblick bog Oszkar von der Stadtautobahn ab. Keine Polizei- oder Zollbeamten weit und breit. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Trotzdem merkte er, wie die Spannung in seinem Inneren wuchs.

Niemand hielt sie auf, als sie durch die Straßen hinter dem Frachtterminal fuhren und durch ein Tor, das ein dicklicher junger Mann ihnen öffnete, in den Charterbereich des Flughafens gelangten. Der zweistrahlige Businessjet war betankt und startbereit. Die beiden stiegen aus dem Lieferwagen. Bourne schüttelte Oszkar zum Abschied die Hand.»Nochmals vielen Dank.«

«Kein Problem«, sagte Oszkar grinsend.»Das kommt alles auf die Rechnung.«

Er fuhr davon, und die beiden stiegen die Gangway des kleinen Jets hinauf.

Der Pilot hieß sie an Bord willkommen, bevor er die Treppe einfuhr und die Kabinentür verriegelte. Bourne teilte ihm den Zielflughafen mit, und zehn Minuten später beschleunigte die Maschine auf der Startbahn und hob zu dem zwei Stunden und zehn Minuten langen Flug nach Reykjavik ab.

«In drei Minuten sind wir bei dem Fischerboot«, meldete der Pilot.

Spalko drückte seinen Ohrhörer fester, nahm Sidos Kühlbehälter mit und ging durch die Kabine nach hinten, um seinen Fallschirm anzulegen. Während er das Gurtzeug straff anzog, starrte er Peter Sidos Hinterkopf an. Der Epidemiologe war mit Handschellen an seinen Sitz gefesselt. Einer von Spalkos bewaffneten Männern saß neben ihm.

«Sie wissen, wohin Sie ihn bringen sollen«, sagte Spal-ko halblaut zu dem Piloten.

«Natürlich, Herr Spalko. Jedenfalls nicht in die Nähe von Grönland.«

Spalko trat an die hintere Kabinentür und machte seinem Mann ein Zeichen. Der Bewaffnete stand auf und kam durch den schmalen Mittelgang heran.

«Wie steht’s mit dem Treibstoff?«, fragte Spalko weiter.»Reicht er?«

«Gewiss, Herr Spalko«, antwortete der Pilot.»Meine Berechnung stimmt genau.«

Spalko sah durch das kleine runde Fenster in der Kabinentür. Sie flogen jetzt niedriger, der Nordatlantik schimmerte blauschwarz, und die weißen Schaumkronen waren ein sicheres Zeichen für seine berüchtigte Wildheit.

«Noch dreißig Sekunden«, meldete der Pilot.»Unten bläst ein ziemlich steifer Wind aus Nordnordost. Sechzehn Knoten.«

«Verstanden. «Spalko glaubte zu fühlen, wie ihre Fluggeschwindigkeit sich nochmals verringerte. Unter seiner Kleidung trug er einen sieben Millimeter starken Überlebensanzug. Im Gegensatz zu einem Nasstaucheranzug, in dem eine dünne Wasserschicht zwischen Haut und Neopren die Körpertemperatur bewahrte, lag dieser Anzug an Fußknöcheln und Handgelenken dicht an, um das Wasser abzuhalten. Unter dem Schutzanzug aus drei Schichten trug er Thermo-Unterwäsche als zusätzlichen Kälteschutz. Trotzdem konnte das Eintauchen ins eiskalte Wasser ihn lähmen, wenn er nicht im genau richtigen Augenblick absprang, und der Kälteschock konnte trotz des Anzugs tödlich sein. Hier durfte nichts schief gehen. Er kettete den Behälter an sein linkes Handgelenk und zog die wasserdichten Handschuhe an.

«Fünfzehn Sekunden«, sagte der Pilot.»Wind stetig.«

Gut, keine Böen, dachte Spalko. Er nickte seinem Mann zu, der den großen Hebel herabzog und die Kabinentür öffnete. Das Heulen des Windes füllte das Flugzeug. Unter sich sah Spalko nur noch viertausend Meter Luft und dann das Meer, das hart wie Beton war, wenn er im freien Fall aufschlug.

«Raus!«, sagte der Pilot.

Spalko war mit einem Satz aus der Maschine. Er hörte ein Rauschen, fühlte den Wind auf seinem Gesicht. In elf Sekunden hatte er mit hundertachtzig Stundenkilo-metern die Endgeschwindigkeit im freien Fall erreicht. Und trotzdem hatte er nicht das Gefühl, rasend schnell zu fallen. Vielmehr schien die Luft sanft gegen seinen Körper zu drücken.

Er blickte nach unten, sah das Fischerboot und veränderte seine Körperhaltung, um den Nordnordostwind mit sechzehn Knoten zu kompensieren. Als das geschafft war, kontrollierte er den Höhenmesser an seinem Handgelenk. In 750 Meter Höhe zog er die Reißleine, spürte den Öffnungsstoß seines Fallschirms und hörte das Rascheln des Nylonmaterials, das sich über ihm entfaltete. Die weniger als einen Quadratmeter große Widerstandsfläche seines Körpers hatte sich schlagartig in eine fünfundzwanzig Quadratmeter große Fläche verwandelt. Dadurch sank er nur noch mit gut beherrschbaren fünf Metern in der Sekunde.