Die Tür wurde von einer ziemlich rundlichen Frau mittleren Alters mit sanften braunen Augen und freundlichem Lächeln geöffnet. Sie trug ihr braunes Haar zu einem Nackenknoten zusammengefasst und war recht elegant gekleidet.
«Frau Sido? Dr. Peter Sidos Ehefrau?«
«Ganz recht. «Sie musterte ihn fragend.»Sie wünschen?«
«Mein Name ist David Schiffer.«
«Ja?«
Er lächelte gewinnend.»Ich bin Felix Schiffers Cousin, Frau Sido.«
«Tut mir Leid«, sagte Peter Sidos Ehefrau,»aber Felix hat nie von Ihnen gesprochen.«
Darauf war Bourne vorbereitet. Er lachte halblaut.»Das wundert mich nicht. Wir hatten uns aus den Augen verloren, wissen Sie. Ich bin eben erst aus Australien zurückgekommen.«
«Australien! Du liebe Güte!«Sie trat zur Seite.»Aber kommen Sie doch bitte herein. Sie müssen mich für unhöflich halten.«
«Keineswegs«, sagte Bourne.»Nur für überrascht, wie es jeder wäre.«
Sie führte ihn in ein kleines Wohnzimmer, das behaglich, wenn auch etwas dunkel möbliert war, und bat ihn, sich wie zu Hause zu fühlen. Aus der Küche duftete es nach Hefe und Zucker. Als er in einem etwas zu üppig gepolsterten Sessel saß, fragte sie:»Möchten Sie Tee oder Kaffee? Und ein Stück Hefezopf? Den habe ich heute Morgen gebacken.«
«Hefezopf klingt wundervoll«, sagte er.»Und dazu passt am besten Kaffee. Danke.«
Sie lachte, als sie in die Küche hinausging.»Wissen Sie bestimmt, dass Sie kein ungarisches Blut in den Adern haben, Mr. Schiffer?«
«Bitte nennen Sie mich David«, sagte Bourne, als er aufstand und ihr folgte. Da er nichts über Schiffers Familie wusste, musste er improvisieren, wenn die Rede darauf kam.»Kann ich mich irgendwie nützlich machen?«
«Oh, vielen Dank, David. Und Sie müssen mich Eszti nennen. «Sie zeigte auf den frischen Hefezopf auf einem Holzbrett.»Wollen Sie für uns zwei Scheiben abschneiden?«
An der Kühlschranktür sah er mehrere mit Magneten befestigte Familienfotos, von denen eines eine bildhübsche junge Frau zeigte. Sie hielt mit einer Hand ihre Schottenmütze fest, und ihr langes schwarzes Haar wehte im Wind. Hinter ihr war der Londoner Tower zu erkennen.
«Ihre Tochter?«, fragte Bourne.
Eszti Sido sah auf und lächelte.»Ja, Rosa, meine Jüngste. Sie studiert in Cambridge«, sagte sie mit verständlichem Stolz.»Meine beiden anderen Töchter — da sind sie mit ihren Familien — sind glücklich verheiratet, Gott sei Dank. Rosa ist die Einzige, die Ehrgeiz hat. «Sie lächelte schüchtern.»Soll ich Ihnen etwas verraten, David? Ich liebe alle meine Töchter, aber Rosa ist mein Liebling — und Peter empfindet vermutlich auch so. Er sieht etwas von sich in ihr. Sie liebt die Naturwissenschaften.«
Nach einigen geschäftigen Minuten standen Geschirr, eine Kaffeekanne und ein Kuchenteller mit Hefezopf auf dem Tablett, das Bourne ins Wohnzimmer trug.
«Sie sind also Felix’ Cousin«, sagte Frau Sido, als sie beide saßen, er im Sessel, sie auf dem Sofa. Zwischen ihnen stand der Couchtisch mit dem Tablett.
«Ja, und ich habe mich schon darauf gefreut, von Felix zu hören«, sagte Bourne, als er ihnen Kaffee einschenkte.»Aber ich kann ihn nicht finden, wissen Sie, und ich dachte… nun, ich habe gehofft, Ihr Mann könnte mir weiterhelfen.«
«Ich glaube nicht, dass er weiß, wo Felix steckt. «Eszti Sido reichte ihm einen Teller mit einem Stück Hefezopf.»Ich will Sie nicht beunruhigen, David, aber in letzter Zeit war Peter ziemlich durcheinander. Obwohl sie lange nicht mehr offiziell zusammengearbeitet hatten, standen sie in letzter Zeit in regem Briefkontakt. «Sie rührte Sahne in ihren Kaffee.»Die beiden waren immer gute Freunde, wissen Sie.«
«Bei dieser Korrespondenz ging es also um private Dinge«, sagte Bourne.
«Nicht unbedingt. «Eszti Sido runzelte die Stirn.»Ich hatte eher den Eindruck, sie habe mit ihrer Arbeit zu tun.«
«Sie wissen nicht zufällig, woran die beiden gearbeitet haben, Eszti? Ich bin schon länger auf der Suche nach meinem Cousin und fange allmählich an, mir Sorgen zu machen. Alles, was Sie oder Ihr Mann mir erzählen könnten, wäre eine große Hilfe für mich.«
«Natürlich, David, das verstehe ich völlig. «Sie biss zierlich ein kleines Stück Hefezopf ab.»Peter würde sich bestimmt freuen, Sie zu sehen. Im Augenblick ist er allerdings im Labor.«
«Sind Sie so freundlich, mir seine Telefonnummer zu geben?«
«Oh, die würde Ihnen nichts nützen. Im Labor geht Peter nie ans Telefon. Sie müssen zur Klinik Eurocenter Bio-I, 75 Hattyu utca, fahren. Dort passieren Sie erst einen Metalldetektor, dann müssen Sie sich am Empfang melden. Die dortige Forschungsarbeit bedingt außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen. Für seine Abteilung sind spezielle Ausweise vorgeschrieben: weiße für Besucher, grüne für angestellte Ärzte, blaue für Assistenten und sonstige Mitarbeiter.«
«Danke für diese Informationen, Eszti. Darf ich fragen, worauf Ihr Mann spezialisiert ist?«
«Hat Felix Ihnen das nicht erzählt?«
Bourne nahm einen Schluck von dem köstlichen Kaffee.»Wie Sie bestimmt wissen, leidet Felix an Geheimhaltungssucht. Er hat nie mit mir über seine Arbeit gesprochen.«
«Natürlich nicht!«Eszti Sido lachte.»So ist Peter, und das ist mir wegen der beängstigenden Dinge, die er beruflich tut, gerade recht. Wüsste ich mehr darüber, hätte ich bestimmt Albträume. Er ist Epidemiologe, wissen Sie.«
Bournes Herz schien einen Schlag auszusetzen.»Beängstigend, sagen Sie. Dann arbeitet er bestimmt mit allen möglichen grässlichen Krankheitserregern. Argentinisches hämorrhagisches Fieber, Lungenpest, Milzbrand.«
Eszti Sidos Miene verfinsterte sich.»Meine Güte, meine Güte, bitte!«Sie winkte mit einer rundlichen Hand ab.»Das sind genau die Sachen, mit denen Peter arbeitet, aber von denen will ich nichts wissen.«
«Entschuldigung. «Bourne beugte sich nach vorn und goss ihr Kaffee nach, wofür sie sich erleichtert bedankte.
Sie lehnte sich zurück, nippte an ihrem Kaffee, richtete den Blick nach innen.»Wissen Sie, David, wenn ich darüber nachdenke, fällt mir ein Abend vor nicht allzu langer Zeit ein, an dem Peter sehr aufgeregt nach Hause kam. Tatsächlich war er so aufgeregt, dass er sich ausnahmsweise vergessen und mir etwas erzählt hat. Ich war dabei, das Abendessen zuzubereiten, und er kam ungewöhnlich spät heim, und ich musste mit sechs Dingen gleichzeitig jonglieren. ein Braten wird leicht trocken, wissen Sie, deshalb hatte ich ihn aus dem Rohr genommen, aber gleich wieder hineingestellt, als Peter heimkam. An diesem Abend war ich ziemlich wütend, das können Sie mir glauben!«Sie trank noch einen Schluck Kaffee.»Wo war ich gleich wieder?«
«Dr. Sido kam ganz aufgeregt nach Hause…«, soufflierte Bourne.
«Ah, ganz recht. «Sie aß wieder ein kleines Stück Hefezopf.»Er habe Kontakt mit Felix gehabt, hat er gesagt, und von ihm erfahren, er habe bei der Entwicklung des… Dings, an dem er seit über zwei Jahren arbeitet, einen Durchbruch erzielt.«
Bournes Kehle war wie ausgetrocknet. Eigentlich verrückt, dass das Schicksal der Welt jetzt in den Händen einer Hausfrau lag, mit der er behaglich Kaffee trank und selbst gebackenen Hefezopf aß.»Hat Ihr Mann erzählt, worum es sich dabei gehandelt hat?«
«Natürlich hat er das getan!«, sagte Eszti Sido lebhaft.»Deshalb war er doch so aufgeregt. Es war ein Gerät zum Versprühen biochemischen Materials — ein Diffusor — was immer das sein mag. Nach Peters Darstellung ist das Außergewöhnliche daran, dass er tragbar ist. Er lasse sich in einem Gitarrenkoffer tragen, hat er gesagt. «Ihr freundlicher Blick streifte ihn.»Ist das nicht ein interessantes Bild, wenn’s um ein wissenschaftliches Gerät geht?«
«Sehr interessant«, sagte Bourne, dessen Verstand eif-rig damit beschäftigt war, weitere Teile des Puzzles zusammenzufügen, das ihm schon mehrmals fast den Tod gebracht hatte.