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Doch weiß ich, daß ich es bin, der fühlt, was ich fühle.

Wenn ein anderer diesen Körper besitzt, besitzt er in ihm dasselbe wie ich? Nein. Er besitzt eine andere Wahrnehmung.

Besitzen wir überhaupt etwas? Wenn wir nicht wissen, was wir sind, wie können wir dann wissen, was wir besitzen?

Wenn du von dem, was du ißt, sagtest: »Ich besitze es«, verstünde ich dich. Denn was du ißt, verleibst du dir unzweifelhaft ein, du verwandelst es in deine Substanz, fühlst, wie du es in dich aufnimmst und wie es dein wird. Von dem aber, was du ißt, sprichst du nicht als »Besitz«. Was also nennst du besitzen?

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Der Irrsinn, den man Bejahung nennt, die Krankheit, die man Glauben nennt, die Niedertracht, die man Glücklichsein nennt – all das riecht nach Welt, schmeckt nach diesem traurigen Etwas, das Erde heißt.

Sei gleichgültig. Liebe den Sonnenuntergang und den Tagesanbruch, denn es ist nicht von Nutzen, sie zu lieben, nicht einmal für dich. Kleide dein Wesen in das Gold des verlöschenden Tages wie ein König, entthront an einem Rosenmorgen, mit dem Mai in weißen Wolken und dem Lächeln der Jungfrauen entlegener Güter. Dein Sehen möge erlöschen zwischen Myrthen, dein Überdruß vergehen zwischen Tamarinden, und das Geräusch des Wassers begleite all dies wie eine Dämmerung an den Ufern des Flusses, dessen einziger Sinn im Fließen besteht, unaufhörlich hin zu fernen Fluten. Der Rest ist das Leben, das uns verläßt, die Flamme, die in unserem Blick erlischt, der Purpur, abgetragen, noch ehe wir ihn tragen, der Mond, der auf unsere Verlassenheit scheint, die Sterne, die ihre Stille über die Stunde unserer Ernüchterung breiten. Stets eifrig, der fruchtlose, freundliche Kummer, der uns liebevoll ans Herz drückt.

Der Niedergang ist mir Bestimmung.

Mein Besitz lag einst in tiefen Tälern. Die Musik des Wassers, das niemals Blut kannte, berieselt meine Träume. Das Leben vergessende Laub der Bäume war allzeit grün in meinem Vergessen. Der Mondschein floß dahin wie Wasser zwischen Steinen. Niemals gelangte die Liebe in dieses Tal, daher war das Leben dort glücklich. Keine Liebe, keine Träume, keine Götter in Tempeln – ich wanderte dahin im sanften Wind und der unteilbaren Stunde, und ohne jede Sehnsucht nach einem noch so trunkenen, verborgenen Glauben.

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Nutzlose Landschaften, wie diejenigen auf chinesischen Teetassen, sie beginnen an der einen Seite des Henkels und enden unvermittelt an der anderen. Diese Tassen sind immer so klein … Wohin und auf welchem Porzellan- […] würde diese Landschaft reichen, reichte sie über den Tassenhenkel hinaus?

Manche Seelen schmerzt es tatsächlich tief, daß die Landschaften auf chinesischen Fächern nicht dreidimensional sind.

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… und die Chrysanthemen welken träge dahin in Gärten, verschattet durch ihre Gegenwart.

… die japanische Opulenz der sichtbaren Beschränkung auf nur zwei Dimensionen.

… die bunte Existenz der Gestalten auf der matten Transparenz japanischer Tassen.

… ein für einen diskreten Tee gedeckter Tisch – ein bloßer Vorwand für gänzlich unergiebige Gespräche – hatte für mich stets etwas Menschliches, etwas von einer beseelten Persönlichkeit. Wie ein Organismus, ein synthetisches Ganzes!, das sich nicht auf die bloße Summe seiner einzelnen Teile beschränkt.

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Und die Dialoge in den phantastischen Gärten, die manche Tassen keineswegs endgültig umranken? Welch hehre Worte müssen die beiden Gestalten doch wechseln, die auf der anderen Seite dieser Teekanne sitzen! Und ich ohne Ohren, die sie hören könnten, tot inmitten dieser polychromen Menschheit!

Trefflich, die Psychologie der wahrhaft statischen Dinge! Die Ewigkeit webt sie, und eine gemalte Gestalt bekundet aus den Höhen ihrer sichtbaren Ewigkeit Verachtung für unsere vergängliche Unrast, die nie verweilt an den Fenstern einer Attitüde, noch zögert am Portal einer Geste.

Man betrachte nur das bunte Treiben der Bewohner von Tapisserien! Die Liebe der gestickten Gestalten – zweidimensional und von geometrischer Keuschheit – dürfte eine Augenweide sein für kühne Psychologen.

Wir lieben nicht, wir täuschen Liebe vor. Die wahre Liebe, unsterblich und unnütz, gehört zu jenen Gestalten, die keiner Veränderung unterliegen, weil sie von Natur aus statisch sind. Seit ich ihn kenne, hat sich der Japaner, der auf der Wölbung meiner Teekanne sitzt, nicht verändert … Nie hat er die Hände jener Frau genossen, die sich in unpassendem Abstand zu ihm befindet. Eine erloschene Farbe wie die einer leeren Sonne, die ihr Licht verströmt hat, entwirklicht auf ewig die Hänge dieses Berges. Und all das gehorcht dem kurzen Strich einer Feder – einer Feder, zuverlässiger als jener, die unnütz die Zerbrechlichkeit meiner erschöpften Stunden auszufüllen sucht.

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Nur eine überaus systematische Pflege unserer Fähigkeit zu träumen, zu analysieren und zu faszinieren kann unsere Persönlichkeit in dieser Metallzeit der Barbaren vor einem Erlöschen bewahren oder einem Verschmelzen mit der Persönlichkeit anderer.

An unseren Empfindungen ist genau das wirklich, was nicht unser ist. Die uns allen gemeinen Empfindungen bilden die Wirklichkeit. Individuell an ihnen ist somit nur, was nicht der Wirklichkeit entspricht. Sähe ich eines Tages eine scharlachrote Sonne, ich wäre über die Maßen beglückt! Wie sehr wäre diese meine Sonne allein die meine!

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Nie lasse ich meine Empfindungen wissen, was ich sie fühlen lassen werde … Ich spiele mit ihnen wie eine zu Tode gelangweilte Prinzessin mit ihren grausamen, großen, geschmeidigen Katzen …

Plötzlich schlage ich Türen zu in mir, durch die bestimmte Empfindungen in die Wirklichkeit zu entfliehen drohen. Rasch räume ich geistige Gegenstände aus dem Weg, die sie zu bestimmten Gesten verleiten könnten.

Kurze, sinnlose Bemerkungen, eingeworfen in Gespräche, die wir zu führen glauben; absurde Behauptungen, aufgestellt aus der Asche anderer, ebenso absurder Behauptungen …

– Ihr Blick erinnert an die Musik, die man an Bord eines Schiffes spielt, in der geheimnisvollen Mitte eines Flusses, dessen eines Ufer Wälder säumen …

 = Sagen Sie nicht, eine Mondnacht sei kalt. Ich verabscheue Mondnächte … Es gibt Leute, die in Mondnächten tatsächlich Musik spielen …

– Möglich … Und bedauerlich, gewiß … Aber Ihr Blick verrät so sichtbar sehnsüchtiges Verlangen nach etwas … Ihm fehlt das Gefühl, das er ausdrückt … In der Falschheit Ihres Ausdrucks erkenne ich Illusionen wieder, die ich selbst einmal hatte …

 = Glauben Sie mir, ich fühle mitunter, was ich sage, und obgleich ich eine Frau bin, auch das, was ich mit meinem Blick sage …

– Sind Sie nicht zu streng mit sich? Fühlen wir denn wirklich, was wir zu fühlen glauben? Unsere Unterhaltung zum Beispiel, hat sie auch nur annähernd mit der Wirklichkeit zu tun? Nein. In einem Roman wäre sie unzulässig.

 = Mit gutem Grund … Sehen Sie, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich tatsächlich mit Ihnen spreche … Denn obgleich ich eine Frau bin, habe ich es mir zur Pflicht gemacht, ein Bild im Skizzenbuch eines verrückten Zeichners zu sein … Manches an mir ist überdeutlich … Und das läßt mich, ich bin mir dessen bewußt, übertrieben, ja, fast unnatürlich wirklich erscheinen … Abbild zu sein ist meines Erachtens das einzige, einer Frau von heute angemessene Ideal. Als Kind wollte ich immer die Königin, gleich welcher Farbe, in einem alten Kartenspiel sein, das wir zu Hause hatten … Diese königliche Aufgabe schien mir wirkliches Mitgefühl zu verlangen … Aber als Kind hat man solch moralische Ansprüche … Erst später, wenn wir nur noch unmoralische Ansprüche haben, denken wir ernsthaft darüber nach …