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»Das wäre eine Story!«, fügte Mann Nummer drei links hinzu.

»Fragen Sie die Wissenschaftler«, sagte Mitch und bahnte sich auf Krücken seinen Weg zur Kasse, um die Rechnung zu bezahlen.

»Die lassen Nachrichten so sparsam raus, als wären es Gottesgaben!«, rief die jüngere Frau ihnen nach.

21

Washington, D. C.

Dicken saß neben Augustine im Büro der Leiterin des Gesundheitswesens, Doktor Maxine Kirby. Kirby war mittelgroß und stämmig. Ihre klugen Mandelaugen waren in schokoladenbraune Haut eingebettet, die nur wenige Altersfalten hatte und ihre mehr als sechzig Jahre Lügen strafte; allerdings hatten sich die Falten in der letzten Stunde vertieft.

Es war elf Uhr abends, und sie hatten jetzt alle Einzelheiten zwei Mal durchgesprochen. Inzwischen ließ der Laptop schon zum dritten Mal automatisch eine Reihe von Diagrammen und Definitionen ablaufen, aber nur Dicken sah noch hin.

Frank Shawbeck, stellvertretender Leiter der National Institutes of Health, hatte gerade die Toilette auf dem Flur aufgesucht und kam jetzt durch die schwere graue Tür wieder ins Zimmer. Alle wussten, dass Kirby es nicht mochte, wenn andere ihr privates Badezimmer benutzten.

Die Leiterin des Gesundheitswesens starrte zur Decke. Augustine warf Dicken einen schnellen, finsteren Blick zu, als fürchtete er, die Präsentation sei nicht überzeugend ausgefallen.

Sie hob die Hand. »Christopher, schalten Sie das bitte ab. In meinem Kopf dreht sich alles.« Dicken drückte die »Escape«-Taste auf dem Laptop und knipste den Tageslichtprojektor aus. Shawbeck schaltete das Deckenlicht ein und vergrub die Hände in den Taschen. Ganz loyale Unterstützung, postierte er sich an einer Ecke von Kirbys breitem Ahornschreibtisch.

»Diese Inlandsstatistiken stammen alle aus Bezirkskrankenhäusern«, sagte Kirby. »Das ist ein wichtiges Argument … Es geschieht gleich um die Ecke, und wir bekommen ständig weitere Berichte aus anderen Städten, anderen Bundesstaaten herein.«

»Ständig«, bestätigte Augustine. »Wir bemühen uns, es nicht an die große Glocke zu hängen, aber …«

»Sie schöpfen allmählich Verdacht.« Kirby griff nach ihrem Zeigefinger und starrte den sauber geschnittenen, lackierten Fingernagel an. Er war himmelblau. Die Leiterin des Gesundheitswesens war einundsechzig, trug aber den Nagellack eines Teenagers. »Es kann jeden Augenblick in den Fernsehnachrichten auftauchen.

SHEVA ist mehr als nur eine Kuriosität. Es ist das gleiche wie die Herodes-Grippe. Die Herodes-Grippe verursacht Mutationen und Fehlgeburten. Übrigens, der Name …«

»Vielleicht ein bisschen zu reißerisch«, sagte Shawbeck. »Wer hat ihn aufgebracht?«

»Ich«, erwiderte Augustine.

Shawbeck hatte die Rolle des Aufpassers übernommen. Dicken hatte früher schon erlebt, wie er gegenüber Augustine die Rolle des Advocatus Diaboli übernommen hatte, und war sich nicht sicher, wie ernst es ihm damit war.

»Nun ja, Frank, Mark, ist das alles, was Sie mir an Munition zu bieten haben?«, fragte Kirby. Ehe die beiden antworten konnten, schürzte sie mit anerkennender, nachdenklicher Miene die Lippen und bemerkte: »Ist schon verdammt gruselig.«

»Allerdings«, erwiderte Augustine.

»Aber es ergibt keinen Sinn«, sagte Kirby. »Da hüpft irgendetwas aus unseren Genen und bringt MonsterBabys hervor — Babys mit einem einzigen riesigen Eierstock? Mark, was zum Teufel hat das zu bedeuten?«

»Den Entstehungsmechanismus kennen wir nicht, Ma’am«, erwiderte Augustine. »Da uns für jedes einzelne Projekt derzeit nur ein Minimum an Personal zur Verfügung steht, kommen wir überhaupt nicht mehr nach.«

»Wir fordern mehr Geld, Mark, das wissen Sie. Aber im Kongress herrscht eine entsetzliche Stimmung. Ich möchte mir da auf keinen Fall falschen Alarm vorwerfen lassen.«

»Biologisch sind die Arbeiten erste Sahne. Und politisch ist es eine Zeitbombe«, erwiderte Augustine. »Wenn wir nicht bald an die Öffentlichkeit gehen …«

»Verdammt, Mark«, warf Shawbeck ein, »wir haben keinen direkten Zusammenhang. Die Leute, die diese Grippe bekommen — bei denen sind alle Gewebe noch wochenlang mit SHEVA überschwemmt. Was ist, wenn es ganz alte, schwache Viren ohne jeden Pep sind? Sie werden ausgeprägt, weil« — er gestikulierte mit der Hand — »weniger Ozon da ist und wir alle mehr UV abbekommen oder so etwas, wie Herpes, der Lippenbläschen entstehen lässt?

Vielleicht sind sie harmlos, vielleicht haben sie mit den Fehlgeburten überhaupt nichts zu tun.«

»Ich glaube nicht, dass es ein zufälliges Zusammentreffen ist«, sagte Kirby. »Dazu sehen die Zahlen zu ähnlich aus. Aber eines möchte ich wissen: Warum frisst der Organismus diese Viren nicht, warum wird er sie nicht los?«

»Weil sie monatelang kontinuierlich freigesetzt werden«, antwortete Dicken. »Was der Organismus auch mit ihnen anstellt, sie werden immer noch in verschiedenen Geweben exprimiert.«

»In welchen Geweben?«

»Das wissen wir noch nicht genau«, sagte Augustine. »Wir beschäftigen uns mit Knochenmark und dem Lymphsystem.«

»Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Virämie«, fügte Dicken hinzu. »Keine Schwellung von Milz und Lymphknoten. Überall Viren, aber keine heftige Reaktion darauf.« Er kratzte sich nervös am Hals. »Eines möchte ich gern noch einmal besprechen.«

Die Leiterin des Gesundheitswesens sah ihn an. Shawbeck und Augustine, die ihre Konzentration bemerkten, wurden still.

Dicken zog seinen Stuhl ein paar Zentimeter vor. »Die Frauen bekommen SHEVA von ihrem dauerhaften männlichen Partner.

Allein stehende Frauen — also solche ohne festen Partner — ziehen sich SHEVA nicht zu.«

»Das ist doch Quatsch«, sagte Shawbeck, das Gesicht in angewiderte Falten gelegt. »Woher soll denn eine Krankheit wissen, ob eine Frau mit jemandem verbandelt ist oder nicht?« Jetzt war Kirby an der Reihe, die Stirn zu runzeln. Shawbeck entschuldigte sich. »Aber Sie wissen, was ich meine«, sagte er abwehrend.

»Es geht aus den Statistiken eindeutig hervor«, entgegnete Dicken. »Wir haben das sehr gründlich geprüft. Es wird von Männern bei langfristiger Exposition auf die Partnerinnen übertragen.

Homosexuelle Männer geben es nicht an ihre Partner weiter. Ohne heterosexuellen Kontakt gibt es keine Ansteckung. Es ist eine sexuell übertragbare Krankheit, aber eine sehr wählerische.«

»Du lieber Gott«, sagte Shawbeck — ob zweifelnd oder ehrfürchtig, konnte Dicken nicht erkennen.

»Nehmen wir einmal an, dass es stimmt«, sagte Kirby. »Wieso ist SHEVA gerade jetzt ausgebrochen?«

»Offensichtlich stehen SHEVA und die Menschen in einer sehr alten Beziehung zueinander«, erwiderte Dicken. »Es könnte beim Menschen die Entsprechung zu einem lysogenen Phagen sein. Bei Bakterien werden lysogene Phagen aktiv, wenn die Zelle einem Reiz ausgesetzt ist, der als lebensbedrohlich interpretiert wird — wenn sie also unter Stress steht. Vielleicht spricht SHEVA auf Dinge an, die Menschen unter Stress setzen. Überbevölkerung.

Gesellschaftliche Bedingungen. Strahlung.«

Augustine warf ihm einen warnenden Blick zu.

»Wir sind schließlich wahnsinnig viel komplizierter als Bakterien«, schloss er.

»Glauben Sie, dass SHEVA heute wegen der Überbevölkerung exprimiert wird?«, fragte Kirby.

»Vielleicht, aber darum geht es mir nicht«, antwortete Dicken.

»Lysogene Phagen erfüllen manchmal auch die Funktion von Symbionten. Sie helfen den Bakterien, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen, sogar an neue Nahrungsquellen oder neue Gelegenheiten zum Austausch von Genen. Könnte SHEVA nicht auch bei uns eine nützliche Funktion erfüllen?«

»Indem es die Bevölkerungszahl niedrig hält?«, wagte Shawbeck skeptisch zu äußern. »Der Stress durch die Überbevölkerung veranlasst uns, kleine Abtreibungsexperten auszuprägen? Wow!«