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Munsey war Anfang dreißig, ein hübscher, dunkler Typ mit gewinnendem Wesen. Er trug einen glatten, dunkelbraunen Wollanzug und kannte sich in der Biotechnologie fast ebenso gut aus wie Kaye, in mancher Hinsicht sogar noch besser.

»AKS mag für die Fehler von Mr. Madsen nicht verantwortlich sein«, sagte Orbison in energischem, aber dennoch liebenswürdigen Ton, »aber unter den gegenwärtigen Umständen sind wir der Auffassung, dass Ihr Unternehmen Ms. Langs Interessen gebührend berücksichtigen muss.«

»Finanziell berücksichtigen?« Munsey hob überrascht die Hände. »Saul Madsen konnte seine Investoren nicht davon überzeugen, dass sie ihn weiter finanzieren sollten. Offensichtlich hatte er sich auf ein Abkommen mit einer Wissenschaftlergruppe in der Republik Georgien konzentriert.« Munsey schüttelte traurig den Kopf. »Meine Mandanten haben die Investoren ausgezahlt. Der Preis war mehr als fair angesichts dessen, was seither geschehen ist.«

»Kaye hat eine Menge Arbeit in das Unternehmen gesteckt. Ein Ausgleich für geistiges Eigentum …«

»Sie hat großartige Beiträge zur Wissenschaft geleistet, aber nicht zu einem Produkt, das ein potenzieller Käufer vermarkten könnte.«

»Dann doch sicher eine gerechte Gegenleistung für ihren Beitrag zum Wert des Namens EcoBacter.«

»Ms. Lang war rechtlich keine Mitinhaberin. Saul Madsen hat in seiner Frau anscheinend nie mehr als eine Verwaltungsangestellte gesehen.«

»Dass Ms. Lang darauf nicht bestanden hat, war sicher eine bedauerliche Unterlassung«, räumte Orbison ein. »Sie hat ihrem Mann vertraut.«

»Nach unserer Ansicht hat sie ein Recht an allen Gegenständen, die noch zu dem Vermögen gehören. Aber EcoBacter zählt schlicht und einfach nicht mehr zu den Vermögensgegenständen.«

Kaye blickte zur Seite.

Orbison starrte auf die Glasplatte des Schreibtisches. »Ms. Lang ist eine berühmte Wissenschaftlerin, Mr. Munsey.«

»Mr. Orbison, Ms. Lang, AKS Industries kauft und verkauft gut laufende Unternehmen. Nach Saul Madsens Tod ist EcoBacter kein gut laufendes Unternehmen mehr. Auf seinen Namen sind keine wertvollen Patente angemeldet, es gibt keine Beziehungen zu anderen Firmen oder Institutionen, die mit unserem Einverständnis neu verhandelt werden müssten. Das einzige möglicherweise marktfähige Produkt, eine Therapie für Cholera, gehört in Wirklichkeit einer so genannten Angestellten. Mr. Madsen war in seinen Verträgen bemerkenswert großzügig. Wenn wir Glück haben, decken die materiellen Vermögenswerte zehn Prozent unserer Kosten. Ms. Lang, wir können für diesen Monat nicht einmal die Gehälter bezahlen. Das kauft niemand.«

»Nach unserer Überzeugung könnte Ms. Lang mit ihrem Ruf im Laufe von fünf Monaten eine Gruppe solventer Geldgeber zusammenbringen und mit EcoBacter von vorn anfangen. Die Angestellten sind sehr loyal. Viele haben in Absichtserklärungen bekräftigt, dass sie bei Kaye bleiben und beim Wiederaufbau helfen wollen.«

Wieder hob Munsey die Hände: Es kam für ihn nicht in Frage.

»Meine Mandanten richten sich nach ihrem Instinkt. Vielleicht hätte Mr. Madsen sein Unternehmen an eine andere Firma verkaufen sollen. Bei allem Respekt für Ms. Lang — und niemand schätzt sie höher als ich: Sie hat keine Arbeiten von unmittelbarem wirtschaftlichem Interesse geleistet. In der Biotechnologiebranche herrscht harte Konkurrenz, Ms. Lang, das wissen Sie.«

»Die Zukunft liegt in dem, was wir erschaffen können, Mr. Munsey«, sagte Kaye.

Munsey schüttelte traurig den Kopf. »Meine eigene Investition hätten Sie sofort, Ms. Lang. Aber ich bin schwach. Die anderen Firmen …« Er ließ den Satz unvollendet.

»Vielen Dank, Mr. Munsey«, sagte Orbison und bildete mit den Händen ein Zelt, auf das er seine lange Nase legte.

Munsey war über dieses Ende des Gesprächs offensichtlich verdutzt. »Es tut mir sehr Leid, Ms. Lang. Wir haben wegen der Umstände, unter denen Mr. Madsen verschwunden ist, noch Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit Bürgen und Versicherungen.«

»Er kommt nicht zurück, wenn es das ist, was Ihnen Sorge macht«, sagte Kaye mit versagender Stimme. »Man hat ihn gefunden, Mr. Munsey. Er wird nicht zurückkommen und sich einen Jux mit uns machen und sagen, wie ich in meinem Leben zurechtkommen soll.«

Munsey starrte sie an.

Sie konnte jetzt nicht innehalten. Die Worte sprudelten aus ihr heraus. »Sie haben ihn an den Felsen im Long Island Sound gefunden. Er war in einem schrecklichen Zustand. Ich musste ihn anhand unseres Eherings identifizieren.«

»Das tut mir sehr Leid. Davon wusste ich nichts«, sagte Munsey.

»Die endgültige Identifizierung hat erst heute Morgen stattgefunden«, fügte Orbison leise hinzu.

»Mein herzliches Beileid, Ms. Lang.«

Munsey zog sich zurück und schloss die Tür hinter sich.

Orbison beobachtete sie schweigend.

Kaye wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich hatte keine Ahnung, was er mir bedeutet hat, wie sehr wir ein Geist geworden waren und zusammengearbeitet haben. Ich dachte, ich hätte meinen eigenen Kopf und mein eigenes Leben … und jetzt stelle ich etwas anderes fest. Ich fühle mich noch nicht einmal wie ein halber Mensch. Er ist tot.«

Orbison nickte.

»Heute Nachmittag fahre ich wieder zu EcoBacter und veranstalte mit den Leuten dort eine kleine Trauerfeier. Ich werde ihnen sagen, dass sie sich andere Jobs suchen müssen und dass es mir auch nicht besser geht.«

»Sie sind jung und intelligent. Sie schaffen das, Kaye.«

»Klar schaffe ich es!«, erwiderte sie energisch. Sie schlug sich mit der Faust aufs Knie. »Verdammt nochmal, dieses … Arschloch.

Dieser Hosenscheißer. Er hatte kein Recht dazu!«

»Keinerlei Recht«, sagte Orbison. »Es war ein billiger, schmutziger Trick, um jemanden wie Sie an Land zu ziehen.« Seine Augen funkelten vor Wut und Mitgefühl, wie sie es auch im Gerichtssaal taten, wenn seine Emotionen wie eine alte Grubenlaterne aufflackerten.

»Ja«, sagte sie und sah sich gehetzt im Zimmer um. »Oh Gott, es wird so schwierig werden. Wissen Sie, was das Schlimmste ist?«

»Was denn, Liebes?«, fragte Orbison.

»Dass ich einerseits sogar froh bin«, erwiderte Kaye und begann zu weinen.

»Na, na«, sagte Orbison, jetzt wieder ganz der müde, alte Mann.

23

Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta

»Mumien von Neandertalern«, sagte Augustine. Er durchquerte Dickens kleines Büro und legte ein zusammengefaltetes Blatt Papier auf den Schreibtisch. »Time hat sich darauf gestürzt. Und Newsweek auch.«

Dicken schob einen Stapel Kopien — Obduktionsberichte über Säuglinge und Feten des Northside Hospital in Atlanta aus den letzten beiden Monaten — weg und griff nach dem Artikel. Er stammte aus dem Atlanta JournalConstitution, und die Überschrift lautete »Prähistorische Herkunft des Paares aus dem Eis bestätigt«.

Lustlos und nur aus Höflichkeit überflog er den Bericht und blickte dann zu Augustine auf.

»In Washington geht es los«, bemerkte der Direktor. »Man hat mich aufgefordert, eine Taskforce zusammenzustellen.«

»Unter Ihrer Leitung?«

Augustine nickte.

»Das ist mal eine gute Nachricht«, sagte Dicken argwöhnisch. Er spürte, dass Unheil im Anzug war.

Augustine sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Wir haben die von Ihnen zusammengestellte Statistik verwendet und dem Präsidenten damit einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Die Leiterin des Gesundheitswesens hat ihm eine von den Fehlgeburten gezeigt. Ein Foto natürlich. Sie sagt, sie hat ihn noch nie wegen einer gesundheitspolitischen Frage so aufgebracht erlebt. Er will, dass wir sofort mit allen Einzelheiten an die Öffentlichkeit gehen.