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»Viele Ihrer Artikel wurden von anderen Fachzeitschriften abgelehnt, ist das richtig?«

»Ja.«

»Von Cell beispielsweise.«

»Ja.«

»Ist Virology das angesehenste Fachblatt auf diesem Gebiet?«

»Es ist eine wichtige Zeitschrift«, erwiderte Kaye. »Dort sind zahlreiche bedeutsame Artikel erschienen.«

Jackson ließ das durchgehen. »Ich hatte noch nicht die Zeit, das gesamte von Ihnen verteilte Material zu lesen. Dafür entschuldige ich mich«, fuhr er fort und stand auf. »Können Sie nach bestem Wissen sagen, dass einer der Autoren, deren Artikel Sie an uns verteilt haben, mit Ihnen in der Frage, wie Evolution abläuft, in allen Punkten übereinstimmt?«

»Natürlich nicht. Das Fachgebiet steckt noch in der Entwicklung.«

»Es steckt nicht nur in der Entwicklung, es ist sozusagen noch sehr unreif, stimmt das, Dr. Lang?«

»Es steckt in den Kinderschuhen, ja«, gab Kaye spitz zurück.

»Die Bezeichnung ›sehr unreif‹ trifft vor allem auf jene zu, die überzeugende Belege leugnen.« Sie konnte nicht umhin, Dicken anzusehen. Er erwiderte ihren Blick mit unglücklicher Miene.

Augustine trat wieder vor und hob die Hand. »So könnten wir noch tagelang weitermachen. Das wäre sicher eine interessante Tagung. Aber jetzt müssen wir beurteilen, ob Ansichten, wie Dr. Lang sie vertritt, sich für die Ziele der Taskforce als schädlich erweisen können. Wir haben die Aufgabe, die Volksgesundheit zu schützen und nicht abgelegene wissenschaftliche Fragen zu diskutieren.«

»Das ist nicht ganz fair, Mark«, wandte Marge Cross ein und erhob sich. »Kaye, kommen Sie sich hier vor wie in einem Schauprozess?«

Kaye atmete, halb lachend, halb seufzend, ruckartig aus, senkte den Blick und nickte.

»Es wäre mir sehr lieb, wenn wir mehr Zeit hätten«, sagte Marge. »Ganz ehrlich. Ich finde diese Ansichten faszinierend und teile sie in vielen Fällen, meine Liebe, aber wir stecken hoffnungslos im Morast von Geschäft und Politik, und wir müssen das tun, was alle unterstützen und was die Öffentlichkeit begreift. Ich kann in diesem Raum keine Unterstützung Ihrer Position erkennen, und ich weiß, dass wir weder die Zeit noch den Willen zu einer breit geführten öffentlichen Debatte haben. Leider müssen wir bei der Kommandowissenschaft bleiben, Dr. Augustine.«

Augustine war über diese Bezeichnung offensichtlich alles andere als erfreut.

Kaye sah den Vizepräsidenten an. Der Politiker starrte auf das Konvolut auf seinen Knien, das er nicht aufgeschlagen hatte. Es war ihm ganz offensichtlich peinlich, dass er sich hier in einer Arena befand, in der er nicht mitreden konnte. Er sehnte das Ende dieser Diskussion herbei.

»Ich verstehe, Marge«, sagte Kaye. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme bebte. »Danke, dass Sie es so deutlich ausgesprochen haben. Ich sehe keine andere Möglichkeit, als mich aus der Taskforce zurückzuziehen. Mein Wert für Americol wird dadurch vermutlich sinken, und deshalb biete ich auch Ihnen meinen Rücktritt an.«

Augustine nahm Dicken auf dem Flur nach der Besprechung beiseite. Dicken hatte versucht, Kaye einzuholen, aber sie war schon weit voraus und fast beim Aufzug.

»Das Ganze hat sich nicht so entwickelt, wie ich es mir gewünscht hätte«, sagte Augustine. »Ich will nicht, dass sie die Taskforce verlässt. Aber ich will auch nicht, dass sie mit ihren Gedanken an die Öffentlichkeit geht. Du lieber Himmel, einen schlechteren Dienst hätte Jackson uns nicht erweisen können …«

»Ich kenne Kaye Lang ziemlich genau«, erwiderte Dicken. »Die ist jetzt stinksauer und für immer weg. Und daran bin ich genauso schuld wie Jackson.«

»Was können wir denn jetzt noch tun, um die Sache wieder einzurenken?«, fragte Augustine.

Dicken entzog sich seinem Griff. »Nichts, Mark. Gar nichts.

Und sagen Sie bloß nicht, ich soll es versuchen.«

Shawbeck stieß mit mürrischer Miene zu ihnen. »Für heute Abend ist wieder ein Marsch auf Washington geplant. Frauengruppen, Christen, Schwarze, Hispanier. Sie evakuieren das Kapitol und das Weiße Haus.«

»Herrgott nochmal«, sagte Augustine, »was haben die denn vor?

Wollen sie das ganze Land dichtmachen?«

»Der Präsident hat umfassenden Verteidigungsmaßnahmen zugestimmt. Nicht nur Nationalgarde, sondern auch reguläre Armee.

Ich nehme an, der Bürgermeister wird für die Stadt den Ausnahmezustand ausrufen. Der Vizepräsident fliegt heute Abend nach Los Angeles. Meine Herren, wir sollten ebenfalls zusehen, dass wir hier rauskommen.«

Dicken sah, wie Kaye sich mit ihrem Leibwächter herumstritt.

Er eilte durch den Flur, um nachzusehen, was los war, aber die beiden standen schon im Aufzug, und gerade als er näher kam, schloss sich die Tür.

Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Kaye in der Eingangshalle und schrie sich die Lunge aus dem Hals. »Ich will Ihren Schutz nicht! Ich will so etwas überhaupt nicht! Ich habe Ihnen doch gesagt …«

»Ich habe keine andere Wahl, Madam«, erwiderte Benson, der wie ein kleiner Stier sein Revier verteidigte. »Wir befinden uns im Alarmzustand. Sie können erst dann wieder in Ihre Wohnung, wenn wir hier mehr Sicherheitsbeamte haben, und das dauert noch mindestens eine Stunde.«

Die Wachleute des Gebäudes verriegelten die Eingänge und stellten Absperrungen auf. Kaye wirbelte herum, sah die Barrikaden, die neugierigen Gesichter hinter den Glastüren. Vor das Außenportal senkten sich schwere Stahlgitter.

»Kann ich telefonieren?«

»Jetzt nicht, Ms. Lang«, sagte Benson. »Wenn das alles meine Schuld wäre, würde ich mich in aller Form entschuldigen, das wissen Sie.«

»Ja, genau wie an dem Tag, als Sie Augustine gesagt haben, wer in meiner Wohnung war.«

»Die haben den Pförtner gefragt, Ms. Lang, nicht mich.«

»Also was ist jetzt los, wir gegen die da? Ich will draußen bei den richtigen Menschen sein und nicht hier drin …«

»Wenn die Sie erkennen, wollen Sie das nicht mehr«, sagte Benson.

»Karl, kapieren Sie doch, ich bin zurückgetreten

Der Leibwächter hob die Hände und schüttelte energisch den Kopf: Es kam nicht infrage.

»Wo soll ich denn nun hin?«

»Wir bringen Sie zu den anderen Wissenschaftlern in die Vorstandslounge.«

»Zu Jackson?« Kaye biss sich auf die Lippe und starrte zur Decke; hilfloses Lachen schüttelte sie.

62

State University of New York, Albany

Aus dem Taxifenster starrte Mitch die Studenten an, die auf der von Bäumen gesäumten Straße marschierten. Entlang des Demonstrationsweges strömten die Menschen aus Wohnhäusern und Bürogebäuden. Dieses Mal trugen sie keine Spruchbänder, keine Transparente, aber alle hatten die linke Hand erhoben — mit ausgestreckten Fingern, die Handfläche nach vorn.

Der Fahrer, ein Einwanderer aus Somalia, senkte den Kopf und blickte nach rechts aus dem Fenster. »Was bedeutet das, die erhobene Hand?«

»Keine Ahnung«, sagte Mitch.

Der Demonstrationszug schnitt ihnen an einer Kreuzung den Weg ab. Das Universitätsgelände war nur wenige Häuserblocks entfernt, aber Mitch bezweifelte, dass er heute noch dort ankommen würde.

»Das macht mir Angst«, sagte der Fahrer, drehte sich um und sah Mitch an. »Die wollen, dass man etwas tut, ja?«

Mitch nickte. »Das nehme ich an.«

Der Fahrer schüttelte den Kopf. »Ich möchte diese Reihe nicht durchqueren. Es ist eine lange Reihe. Mister, ich bring’ Sie wieder zum Bahnhof, da sind Sie sicher.«

»Nein«, erwiderte Mitch. »Lassen Sie mich hier aussteigen.«