»Wir haben sie im Stich gelassen«, sagte Kaye.
»Du hast sie nicht im Stich gelassen«, erwiderte Mitch und versuchte, einen Schleichweg zu finden.
»Ich habe alles vermasselt und meinen Standpunkt nicht durchgesetzt«, brummte Kaye nervös vor sich hin.
»Stimmt was nicht?«, fragte Mitch.
»Alles in Ordnung«, erwiderte Kaye, »außer der ganzen blöden Welt.«
In West Virginia fuhren sie auf einen Campingplatz und zahlten dreißig Dollar für einen Zeltstellplatz. Unter einer jungen Eiche baute Mitch das KuppelLeichtzelt auf, das er in Österreich gekauft hatte, bevor ihm Tilde begegnet war, und daneben stellte er den kleinen Campingkocher. Von hier aus überblickten sie ein weites Tal, wo zwei Traktoren verlassen auf einem sorgfältig gepflügten Acker standen.
Die Sonne war vor zwanzig Minuten untergegangen, und dünne Wolken bildeten Flecken am Himmel. Allmählich wurde es kühl.
Kaye hatte klebrige Haare, und die Elastikbündchen ihrer Unterhose scheuerten.
Etwa hundert Meter weiter hatte eine Familie zwei Zelte aufgebaut; ansonsten war der Campingplatz leer.
Kaye kroch durch die Regenklappe ins Zelt. »Komm rein«, sagte sie zu Mitch. Sie zog das Kleid aus und legte sich auf den Schlafsack, den Mitch ausgerollt hatte. Mitch drehte den Campingkocher herunter und steckte den Kopf ins Zelt.
»Welch eine Frau!«, sagte er bewundernd.
»Riechst du mich?«
»Aber sicher, Ma’am«, erwiderte er im besten NorthCarolinaAkzent des Sicherheitsbeamten Benson. Er legte sich neben sie.
»Hier ist es noch ein bisschen warm.«
»Ich rieche dich auch«, sagte Kaye. Sie machte ein verlangendes, ernstes Gesicht. Mit ihrer Hilfe zog er das Hemd aus, und nachdem er die Unterhose beiseite geworfen hatte, griff er nach seinem Kulturbeutel, in dem er die Kondome aufbewahrte. Er wollte gerade das Folienpäckchen aufreißen, da beugte sie sich nach vorn und küsste sein erigiertes Glied. »Diesmal nicht«, sagte sie. Sie leckte ihn geschickt und blickte auf. »Ich will dich jetzt, und zwar ohne etwas dazwischen.«
Mitch griff nach ihrem Kopf und zog ihren Mund von sich weg.
»Nein«, sagte er.
»Warum nicht?«
»Du hast deine fruchtbaren Tage.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich sehe es an deiner Haut. Und ich kann es riechen.«
»Da habe ich keinen Zweifel«, sagte sie bewundernd. »Kannst du eigentlich alles riechen?« Sie rückte näher zu ihm, richtete sich über seinem Kopf auf und stellte ein Knie auf seine andere Seite.
»Brücke«, sagte Mitch und erwiderte die Liebkosung.
Sie beugte sich nach vorn und bearbeitete ihn herzhaft, während er mit dem Mund zwischen ihren Beinen aktiv war.
»Balletttänzerin«, sagte Mitch mit dumpfer Stimme.
»Du bist auch fruchtbar«, sagte sie. »Jedenfalls hast du mir nie etwas anderes gesagt.«
»Mhm.«
Sie stemmte sich wieder hoch, rollte von ihm herunter und drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte. »Du bist ein Ausscheider«, sagte sie.
Mitch zog eine verblüffte Grimasse. »Wie bitte?«
»Du scheidest SHEVA aus. Der Test bei mir ist positiv.«
»Du liebe Güte, Kaye. Du kannst einem aber wirklich die Stimmung verderben.« Mitch rückte von ihr ab und setzte sich mit angezogenen Beinen in eine Ecke des Zeltes. »Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht.«
»Irgendetwas hält mich für deine Frau«, sagte Kaye. »Die Natur sagt, dass wir lange zusammenbleiben werden. Und ich möchte, dass sie Recht behält.«
Mitch war wie vor den Kopf gestoßen. »Ich auch, aber deshalb brauchen wir uns doch nicht wie Idioten zu benehmen.«
»Jeder Mann will mit einer fruchtbaren Frau schlafen. Das liegt in seinen Genen.«
»So ein Quatsch«, erwiderte Mitch und rückte noch weiter von ihr weg. »Was machst du denn da?«
Kaye kniete sich ihm gegenüber hin und hockte sich auf ihre Fersen. Sie hatte seinen Kopf zum Pochen gebracht. Das ganze Zelt roch nach ihnen, und er konnte nicht mehr klar denken.
»Wir können ihnen das Gegenteil beweisen, Mitch.«
»Das Gegenteil von was?«
»Früher habe ich mir Sorgen gemacht, dass Beruf und Familie nicht zusammenpassen. Heute gibt es da keinen Widerspruch mehr. Ich bin mein eigenes Labor.«
Mitch schüttelte energisch den Kopf. »Nein.«
Kaye streckte sich neben ihm aus und legte den Kopf auf die Arme. »Ganz schön voreilig und verwegen, was?«, fragte sie sanft.
»Wir haben nicht die geringste Ahnung, was passieren wird«, sagte Mitch. Seine Augen waren feucht und warm, halb aus Angst, halb aus einem anderen Gefühl, das er nicht beschreiben konnte — etwas, das der reinen körperlichen Lust sehr nahe kam. Sein Körper verlangte so heftig nach ihr, und er verlangte sie jetzt. Wenn er nachgab, würde es der tollste Liebesakt in seinem ganzen Leben werden — das wusste er. Und wenn er jetzt nachgab, würde er es sich vielleicht auch nie verzeihen — das fürchtete er.
»Ich weiß, dass du es für richtig hältst, und ich weiß, dass du ein guter Vater wärst«, sagte Kaye, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Langsam hob sie ein Bein. »Wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird es vielleicht nie geschehen, und wir werden es nie wissen. Sei mein Mann. Bitte!«
Die Tränen kamen wie eine Welle, und Mitch verbarg sein Gesicht mit den Händen. Als sie spürte, wie erschüttert er war, setzte sie sich neben ihn, umarmte ihn und entschuldigte sich. Er murmelte ein paar wirre, abgehackte Worte über Frauen, die nie etwas verstehen, die es einfach nicht verstehen können.
Kaye tröstete ihn und legte sich neben ihn. Eine Zeit lang unterbrach nur die Regenklappe, die im Wind leise klatschte, ihr Schweigen.
»Es ist nichts Schlimmes«, sagte sie. Sie trocknete ihm das Gesicht ab und sah ihn an, verängstigt durch das, was sie angerichtet hatte. »Vielleicht ist es sogar das einzig Richtige.«
»Es tut mir Leid«, sagte Kaye förmlich, während sie alles ins Auto luden. Von den Feldern unterhalb des Campingplatzes wehte eine kühle Morgenbrise herauf. An den Eichen raschelten die Blätter.
Die Traktoren standen immer noch bewegungslos auf ihren abgezirkelten, leeren Furchen.
»Kein Grund, sich zu entschuldigen«, erwiderte Mitch und schüttelte das Zelt aus. Er rollte es zusammen, schob es in den langen Zeltsack, zog dann mit Kayes Hilfe die Heringe heraus und band sie klappernd zu einem Bündel zusammen, das von oben bis unten mit den Spannleinen umwickelt war.
Sie hatten in dieser Nacht nicht miteinander geschlafen, und Mitch hatte kaum ein Auge zugetan.
»Hast du geträumt?«, fragte Kaye, während sie heißen Kaffee aus dem Topf auf dem Campingkocher einschenkte.
Mitch schüttelte den Kopf. »Und du?«
»Ich habe höchstens ein paar Stunden geschlafen, und da habe ich von der Arbeit bei EcoBacter geträumt. Von vielen Leuten, die kamen und gingen. Du warst auch dabei.« Kaye wollte ihm nicht erzählen, dass sie ihn im Traum nicht erkannt hatte.
»Nicht sehr spannend«, erwiderte er.
Unterwegs sahen sie kaum etwas Ungewöhnliches, kaum etwas, das nicht normal war. Sie fuhren in westlicher Richtung auf einer zweispurigen Straße und kamen durch Kleinstädte, Bergbaustädte, alte Städte, heruntergekommene Städte, renovierte und reparierte Städte, aufgemöbelte Orte mit reichen alten Vierteln, in denen man großartige alte Häuser zu Hotels und Pensionen für wohlhabende junge Leute aus Philadelphia, Washington und sogar New York umgebaut hatte.