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            Rhiannon wurde rot. »Ehrlich? Nein, ich glaube nicht, dass sie es sind. Mein Freund Leo ist Geoffreys Tagesbote. Und obwohl Geoffrey zugibt, dass die Energie sich ähnlich anfühlt wie die seines Volkes, behauptet er steif und fest, dass sie nichts damit zu tun haben.«

            Das waren allerdings wirklich Neuigkeiten. Erstens, dass Rhiannon einen Freund hatte – sie war immer eher schüchtern gewesen. Außerdem war sie mit jemandem zusammen, der für die Vampire arbeitete.

            Die Blutfürsten, auch bekannt als der Karmesin-Hof, blieben meistens unter sich, doch ab und zu mischten sie sich unters gemeine Volk – und damit meine ich gesellschaftlich, nicht zur Nahrungssuche. Wenn sie es taten, tendierten sie eher zu Kontakten mit Magiegeborenen als mit anderen Wesen. Die Vampire hatten ihre Bluthuren, aber die meisten waren willige Menschen, nur allzu begierig darauf, für ihre Meister den Spender zu geben.

            Meine Tante und meine Cousine hatten mich bei unseren Telefongesprächen und meinen kurzen Besuchen zu Hause stets auf dem Laufenden gehalten, wie sich die Beißer-Clique entwickelt hatte.

            »Sollen wir Geoffrey wirklich glauben? Ich bin zwar keine Vampirfachfrau, aber es sind Raubtiere. Es ist ja nicht so, dass sie nicht lügen könnten.«

            »Ich meine, wir sollten ihnen glauben. Die Vampirnation hat viel zu verlieren. Ja, sie sind stärker als wir, aber auch die Hälfte der Zeit vollkommen unbeweglich, und wenn sie ihr Wort brechen würden, gäbe es fürchterlichen Ärger. Nein, unser Problem steckt da draußen.« Sie schüttelte den Kopf und blickte aus dem Küchenfenster. »Und ich denke, was immer die Mitglieder unserer Gesellschaft tötet und Leute aus New Forest entführt, ist nicht menschlich. Und ich glaube auch nicht, dass es das je war.«

            »Dann müssen wir wohl als Nächstes den Wald durchsuchen. Außerdem nehme ich mit Grieve Kontakt auf. Kennst du jemanden, der uns helfen kann? Dein Freund vielleicht?«

            Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und nickte dann. »Ich habe ihm bisher noch nichts von Heathers Verschwinden erzählt, da seine Schwester auch verschwunden ist – sie war ebenfalls ein Mitglied der Gesellschaft. Außerdem hat er bei Heather Kräuterkunde gelernt. Sie mag ihn sehr, und seit Elise verschwunden ist, hat Heather versucht, eine Art Ersatz zu sein, so etwas wie eine Tante. Ich wollte einfach nicht, dass er erneut über einen Verlust trauern muss, solange ich nicht sicher war. Aber jetzt denke ich … Glaubst du, sie ist wirklich fort? Kann ich mich denn nicht täuschen?«

            Ich hasste es, ihr das wenige an Hoffnung zu nehmen, das in ihrer Stimme mitklang, aber wir mussten gerade jetzt den Tatsachen ins Gesicht sehen. »Ja, ich glaube, sie ist wirklich weg. Wenn wir sie nicht bald finden, dann haben wir vielleicht keine Chance mehr. Du rufst Leo an, während ich meine Sachen aus dem Auto hole und dusche. Anschließend besprechen wir, was wir machen, und gehen raus in den Wald, um uns umzusehen.«

            Und einfach so, ohne lange Begrüßungszeremonie und Eingewöhnungszeit, war ich wieder zu Hause.

            3. Kapitel

            Während Rhiannon Leo anrief, ging ich nach oben in das Zimmer, in dem meine Mutter früher gewohnt hatte, um auszupacken und mich unter die Dusche zu stellen. Der Vorfall im Motel hatte mir so zugesetzt, dass ich in meinen Kleidern geschlafen hatte, damit ich nicht überrascht werden konnte. Nach zwei Tagen Fahrt im Auto war ich allerdings überreif für eine Dusche.

            Der Gedanke daran, nach Grieve zu suchen, lastete mir schwer auf der Seele, aber irgendwann musste ich ihm gegenübertreten. Die Erinnerung seiner Haut an meiner, seiner Lippen auf meinen blitzte in meinem Bewusstsein auf, und ich drängte den Schmerz zurück.

            Ich liebte ihn. Ich hatte ihn immer geliebt, aber als er mich zu bleiben gebeten hatte, war ich zu jung gewesen, um mich festzulegen … und hatte zu viel Angst gehabt, mich an jemanden zu binden, der so stark war und so anders. Nun, mit sechsundzwanzig und neun Jahre später, hatte ich einige Erfahrungen gesammelt und das Übelste vom Üblen gesehen. Ich war bereit, aus der Kälte hereinzukommen und ein Feuer im Herd zu machen. Die Frage war nur, ob ich mit ihm noch eine Chance hatte. Und ob er überhaupt noch irgendwo in der Nähe war.

            Das Zimmer war noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte – veilchenblau und elfenbeinfarben –, was für meine Junkiemutter nicht unpassender hätte sein können. Allerdings hatte sie diesen Weg, als sie hier ausgezogen war, ja gerade erst eingeschlagen.

            Ich beschloss, später auszupacken, und zog mir mein Top über den Kopf. Im Zimmer war es kühl, und ich schauderte, als ich mich der kalten Luft aussetzte.

            Um meinen linken Oberarm zog sich eine Tätowierung in Gestalt zweier Eulen. Sie flogen über einen Silbermond, in dessen Mitte ein Dolch steckte. Ein dazu passendes Tattoo schmückte meinen anderen Arm. Die Eule war mein Schutzgeist, obwohl ich kein lebendes Exemplar besaß und auch nie eins besessen hatte. Dennoch reagierten Eulen auf mich, und ich fühlte mich von ihnen angezogen. Ich betrachtete sie eine Weile. Die Tätowierungen waren aus einem bestimmten Grund dort, wenn ich auch nicht wusste, aus welchem.

            Jedes meiner Tattoos hatte eine Bedeutung. Meine Finger glitten zu meiner linken Brust und strichen sacht über die leicht erhabene Haut, auf der eine giftige Nachtschattenpflanze blühte. Durch glänzende Blätter und herabhängende violette Blüten spähte ein verwildertes Feenmädchen, dessen Schatten ihm hinterherzukriechen schien. Auch seine Bedeutung kannte ich nicht, doch dass es eine hatte, stand fest.

            Als ich meine Jeans abstreifte, zeichnete ich die Ranke mit den silbernen Rosen nach, die sich meinen linken Oberschenkel hinaufwand, über den unteren Bauch zog und an meinen Rippen unter meinem rechten Arm endete. Durch die Blüten wand sich eine Spur violetter Schädel, und direkt über meinem Nabel starrte ein Wolf aus smaragdgrünen Augen in die Welt hinaus.

            Grieve … Der Wolf war für Grieve. Man hatte mir das Kunstwerk eingestochen, als ich vierzehn war. Während ich das Bild betrachtete, durchfuhr mich ein Schaudern, und der Wolf knurrte so laut, dass ich seinen Atem auf der Haut spürte. Mein Körper war ausgehungert, und der Hauch weckte Sehnsucht in mir.

            Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Ich musste in Bewegung kommen, denn wir hatten keine Zeit zu verlieren. Heather mochte verletzt sein – oder Schlimmeres. Mögliche Szenarien rasten durch meinen Verstand: Sie war gestürzt und bewusstlos, hatte sich vielleicht das Bein gebrochen oder schaffte es aus einem anderen Grund nicht nach Hause. Alles Mögliche konnte passiert sein, und doch wusste ich, dass dem nicht so war.

            Ich duschte rasch, trocknete mich ab und zog mir eine saubere schwarze Jeans und einen schwarzen Rollkragenpulli an. Dann streifte ich mir meine Lederjacke über und betrachtete mich im Spiegel.

            »Nicht übel.« Okay, vielleicht trug ich Discounterklamotten, aber mein Stil war Gothic Rock, und er stand mir verdammt gut. Ich drehte mich zur Seite und klopfte mir auf den Sixpack. Stramm, nicht nach innen gewölbt. Bei eins dreiundsechzig wog ich etwas über sechzig Kilo und war durch Training und durch das Leben auf der Straße fit.

            Ich hatte glatte tiefschwarze Haare, die mir bis knapp über die Schultern hingen, und die Spitzen hätten dringend geschnitten werden müssen. Ich strich mir die langen Ponyfransen hinters Ohr und starrte in mein Gesicht. Die Haarfarbe bildete einen starken Kontrast zu meinen grünen Augen und der hellen Haut.