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Doch er war noch nicht ganz heran, da schien eine unsichtbare Faust in den Nacken des Frarr zu schlagen; es sah aus, als würde ein Blitz aus der Rückseite des Drachenhalses hervorzucken und eine Woge finsterer, zerstörerischer Macht herausschleudern. In Sekundenschnelle wurde aus dem Blitz eine gleißende, verzehrende Lohe, die sich rasend ausbreitete und zurückschlug auf den Drachen wie eine Woge brüllenden, verzehrenden Feuers. Die rechte Schwinge des Ungeheuers verwandelte sich in eine einzige, gigantische Flamme und aus seinem zielgerichteten Flug wurde ein unkontrolliertes Trudeln, als er mit immer noch kraftvollen Flügelschlägen Höhe zu gewinnen suchte.

Skar starrte mit einem unterdrückten Keuchen auf die brennende Bestie. Der Frarr hatte den Tod tausendfach verdient; er war ein Monster, dazu bestimmt, Tod und Vernichtung unter die Gegner seiner Herren zu bringen. Und doch empfand Skar im Angesicht seines Todeskampfs keine Erleichterung, sondern eher Entsetzen. Es war der Frarr gewesen, der sie aus der Höhle des Khtaám gerettet hatte, und wie er es auch drehte und wendete, so war er doch ein Verbündeter - und plötzlich hatte er Angst vor dem, was geschehen mochte, wenn der Drache endgültig vernichtet war.

Der Frarr hatte mittlerweile tatsächlich an Höhe gewonnen, aber dieser Erfolg war nicht mehr als ein letztes Aufbäumen seiner gewaltigen Kräfte gegen sein unabwendbares Schicksal. Die Flammen griffen auf seinen Körper über, entzündeten seinen Schwanz und sprangen auf den zweiten, bislang noch intakten Flügel über. Der Drache krümmte sich in irrsinnigem Schmerz, die brennende Schwinge auf und nieder schlagend und stieß einen Schrei aus, der wie unglaubliches Krachen und Donnern und Beben über das Tal fuhr; gleichzeitig zog eine Sturmbö auf, schlug wie ein zorniger Donnergott in die Flammen, um sie weiter aufzureißen und den Herzschlag der Vernichtung zu beschleunigen Die Wolken selbst schienen in Flammen zu stehen und der Schrei des Drachen hallte wider voll entsetzlichen Schmerzes und einer Verzweiflung, die nicht geringer war als die seiner Opfer. In einem letzten, vergeblichen Aufbäumen gewann das mittlerweile lichterloh brennende Ungeheuer nochmals an Höhe, dann lief ein schmerzhaftes Zucken durch den gewaltigen Körper und es begann wie ein von einem Pfeil durchbohrter Vogel zu Boden zu rasen. Direkt auf sie zu.

Für einen unglaublich kurzen Moment glaubte Skar das riesige Knochengerüst des Ungeheuers unter der grünen Lederhaut zu erkennen, nachgezeichnet in weiß und rot glühenden Linien und dann schoss die heiße Flammenzunge des Drachen hervor, als könne er selbst angesichts seines eigenen Todes nicht von seinem Vernichtungswerk lassen. Eine unsichtbare Sense raste über sie hinweg und traf die Krieger, die sich vor dem Tempel in Sicherheit gebracht hatten, mähte sie nieder wie Korn und ließ Männer und Tiere in einer bizarren Explosion aus Schmerzens- und Angstschreien, stürzenden Körpern und splitterndem Eisen zusammenbrechen.

Dann war der Frarr heran; ein wildes, tödlich verletztes Ungeheuer, ein brennender Gigant, der mit der Gewalt seines massigen Körpers auf den Tempel zustürzte. Einen schrecklichen Herzschlag lang glaubte Skar, der Drache wüsste sehr genau, wer ihm den Tod gebracht hatte, und er wollte sichergehen, dass diese Tat nicht ungesühnt blieb, doch dann jagte der heiße Ausläufer des Todes an ihm vorbei und schlug inmitten der Tempelanlage ein. Der Boden unter ihnen erbebte, als das gewaltige Ungeheuer die Holzkonstruktion durchbrach und Balken wie dürre Zweige zerbrach.

Skar wurde wie von einer Riesenfaust von den Beinen gerissen und ein paar Schritt weit durch die Luft geschleudert, bevor er krachend zu Boden ging. Mühsam rappelte er sich wieder auf, halb benommen, aber von einer Erregung erfasst, die ihn keinen Schmerz spüren ließ. Es blieb ihm keine Zeit, auch nur einen einzigen Gedanken zu fassen: Eine grellweiße, lodernde Flammenwand erhob sich dort, wo er eben noch gestanden hatte und er begriff, dass er sofort von hier verschwinden musste, wenn er noch eine Chance haben wollte zu überleben - und das Elfte Buch an sich zu bringen.

Von Marna war keine Spur zu sehen. Aber immerhin lag Kama nach wie vor an der Stelle, an der er ihn zurückgelassen hatte, und wie es aussah, war die flammende Vernichtung über ihn hinweggegangen, ohne ihm weiteren Schaden zuzufügen. Skar war mit einem Satz bei ihm und zog ihn in den recht zweifelhaften Schutz eines kleinen, aber ausladenden Baumes - mehr konnte er für ihn in diesem Moment nicht tun. Einem Impuls folgend, den er selber nicht verstand, drehte er sich dann um und rannte, ohne zu zögern, auf den Tempel zu, in dessen Mitte der brennende Frarr wie ein leibhaftig gewordener Höllenbote lag. Es war ein unglaublicher Anblick. Explosionen zerrissen die Lederhaut des Monsters und flammende Hautfetzen wurden wie lebende Wurfgeschosse durch die Luft geschleudert. Die Kreatur selber musste die Hitze eines Hochofens verströmen und es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass von ihr keine Gefahr mehr ausging - sofern sie den Gesetzen unterlag, die für jedes andere normale Wesen auf Enwor galten.

Die flimmernde Hitze versengte seine Haare und dichter, beißender Rauch nahm ihm den Atem. Dennoch war Skar erleichtert: Der Gebäudeteil, auf den Marna geblickt hatte, als sie vom Elften Buch gesprochen hatte, war bislang nahezu unversehrt. Doch ob er es lange bleiben würde, stand zu bezweifeln. Die tanzenden Flammen warfen blutrote Lichtreflexe vom brennenden Hauptgebäude auf die übrigen Holzbauten und tauchten sie in flirrendes, zerrissenes Licht. Funken stoben von der Einschlagstelle in alle Richtungen auf und beißende Flammen schossen in die Nacht empor. Aus dem geborstenen Dach schlugen Feuerlohen wie glühende Speerspitzen in den Himmel. Schwärzer, fettiger Rauch stieg von dem toten Drachen auf und Millionen winziger, rot glühender Funken regneten wie feurige Käfer auf die benachbarten Gebäude hinab. Wenn nicht im letzten Moment ein Wunder geschah, würde das Feuer auf alles Brennbare überspringen und den ganzen Tempelkomplex in Schutt und Asche legen.

Obwohl das unglaubliche Schauspiel eine Art morbider Faszination auf ihn ausübte, riss sich Skar unverzüglich von dem Anblick los. Es blieb kaum noch Zeit, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Das Buch ist tatsächlich der Schlüssel zu allem, hallte Marnas Satz in ihm wider. Er musste es unbedingt in seine Hände bekommen. Mit Riesensätzen jagte er auf den Eingang des seitlichen Tempels zu, in dem er das Buch vermutete - es lag weit genug vom Hauptgebäude entfernt, um bislang von den Flammen verschont geblieben zu sein - schlug die Tür mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite ...

... und erstarrte angesichts des unglaublichen Schauspiels, das sich ihm bot.

Die Verheerung war hier weitaus weniger schlimm, als er erwartet hatte. Ein Schwall unangenehmer Wärme schlug ihm entgegen und ein Knistern und Prasseln im Hintergrund gemahnte ihn, dass auch hier bereits der Funke der Vernichtung übergesprungen war, der sich in wenigen Minuten zu einem tosenden Inferno entfachen konnte. Doch noch wirkte der erstaunlich große Raum, in den er gestolpert war, unversehrt. Seine Wände waren mit unzähligen Bildern geschmückt und mit Miniaturen, die in kleinen, halbrunden Nischen untergebracht waren und Menschen in fremdartigen Gewändern zeigten. Überall brach sich das Licht blitzend auf Gold und edlen, geschliffenen Steinen und von der Decke wölbten sich schwere Bahnen aus dunkelrotem Samt wie ein gewebter Wolkenhimmel.