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Ein zustimmendes Gemurmel ging durch den Raum und die eine oder andere Hand wanderte in einer mehr oder weniger bewussten Geste an einen Messergurt, zu einem Holzknüppel oder was sich sonst noch als Waffe gebrauchen ließ. Wäre die Situation nicht tatsächlich bedrohlich gewesen, hätte Skar wahrscheinlich laut aufgelacht. Die Männer und Frauen in diesem Raum hier taten das, was er schon dutzende Male erlebt hatten: Sie rotteten sich gegen einen Fremden zusammen, weil sie ihn für das Übel verantwortlich machten, für das sie doch nur selbst etwas konnten. Draußen waren die Quorrl wahrscheinlich gerade dabei, die Bewohner am Rande des Dorfs auszulöschen, und diese Idioten hatten nichts Besseres zu tun, als sich mit einem Satai anzulegen, dessen Gebeine eigentlich schon seit vielen Jahren vermodern sollten.

»Du kannst denken, was du willst, Roun«, sagte Skar ruhig. »Ich habe deine Gastfreundschaft genossen und dafür danke ich dir. Als dein Gast ist es meine Verpflichtung, dich vor drohendem Unheil zu bewahren - und das habe ich hiermit getan. Weitere Verpflichtungen habe ich nicht und darum werde ich jetzt gehen. Allerdings nicht, ohne dir einen letzten Rat zu geben: Nimm deine Leute hier und den Rest eurer Familien und versteckt euch in den Wäldern, bis der ganze Spuk vorbei ist.«

Roun lachte unsicher auf. »Du hast den Verstand verloren, Hoher Herr. Auf ein bloßes Wort von dir sollen wir unser Dorf räumen? Selbst wenn die Quorrl kämen: Was sollten diese Bestien schon gegen uns ausrichten? Wir sind Menschen und ihnen schon alleine deswegen haushoch überlegen.«

»Und deswegen lag dir so sehr an meiner Hilfe?«, fragte Skar. Er erschrak ein wenig, als er hörte, wie fremd und hart seine Stimme klang, aber einmal begonnen, konnte er nicht mehr aufhören. »Mach dir nichts vor, Roun. Die Schuppenkrieger überrennen euch schneller als ihr bis fünf zählen könnt. Und ich fürchte, sie haben schon damit begonnen.«

Roun schenkte ihm einen finsteren Blick. »Dann müssten wir sie ja eigentlich hören, deine Reptilienfreunde.«

»Wie dumm bist du eigentlich?«, schnaubte Skar. »Sie schleichen sich im Schutz des Nebels an euer Dorf an. Was würdest du denn machen, wenn du eine feindliche Siedlung überfallen wolltest? Etwa laut schreiend um das Dorf herumhüpfen, bis jeder Depp merkt, was da vorgeht?«

»Du willst mich doch wohl nicht mit diesen Monstern vergleichen?« Rouns Hand legte sich auf seinen Schwertgriff, während sich der Kreis der Leiber immer enger um ihn schloss - und damit auch um Skar. »Ich habe langsam genug von deinem Gerede. Du schwafelst uns die Ohren voll, wie hochanständig die Quorrl sind, wie wichtig es ist, diesen Tieren einen ehrenhaften Tod zu gewähren - ehrenhafter Tod für diese Fischgesichter -, und jetzt platzt du mitten in unsere Vorbereitungen zur nächsten Erweckung herein mit der Behauptung, sie wären gerade dabei, sich geschickt wie eine Gruppe Satai an uns anzuschleichen, um uns dann meuchlings zu ermorden!«

»Genauso ist es«, sagte Skar schroff. Es war offensichtlich ein Fehler gewesen, den halsstarrigen Digger warnen zu wollen, zumal er sich gar nicht sicher war, welche Seite hier im Recht war: Quorrl oder Digger. Das schlampig zusammengezimmerte Digger-Dorf machte jedenfalls nicht den Eindruck, als ob es schon jahrelang an diesem Ort stand. Es sah eher so aus, als ob es schnell und unter Zeitdruck errichtet worden war, nichts weiter als eine provisorische Unterkunft, damit die Digger ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnten: der Suche nach irgendetwas, das sie für so wichtig hielten, dass sie ihr ganzes Leben danach ausrichteten. Wenn sie dabei dem Quorrl-Gebiet zu nahe gekommen waren und dazu noch glaubten, auf die Schuppenkrieger Jagd machen zu müssen, war es eigentlich nur legitim, dass sich die Reptilienmänner mit allem zur Wehr setzten, was sie hatten.

Und das war nicht gerade wenig.

Aber da war noch etwas anderes. Esanna, beispielsweise, ein junges Mädchen, hineingeboren in diese Welt, ohne die Chance zu entscheiden, ob es die für sie passende war. Das Mädchen stand dicht neben ihm und er konnte ihre Erregung spüren, das Unverständnis, mit dem sie den Streit verfolgte, hatte sie doch genauso wie Skar die verräterischen Geräusche der Angreifer gehört und wusste, dass es jetzt auf jede Sekunde ankam, falls sich ein Trupp geschuppter Kolosse ans Dorf anschlich, um sie alle im Handstreich zu überrennen. Sie stand stellvertretend für die anderen Kinder und die unschuldigen Frauen und Männer, die in ihren Hütten von der gewalttätigen Flut geschuppter Leiber überrascht werden würden, um allesamt niedergemetzelt zu werden. Skar wusste aus eigener bitterer Erfahrung nur zu gut, dass die Quorrl keine Gefangenen machten, ja, im Gegenteil, dass sie auch Kinder mit derselben Erbarmungslosigkeit töteten, für die sie auf ganz Enwor bekannt waren. »Spar dir deinen Atem«, fuhr Skar dennoch fort, während er langsam das Gewicht nach hinten verlagerte. »Ich werde dich nicht länger belästigen.«

»Nicht so hastig, Hoher Herr«, sagte Roun. Die Männer und Frauen um ihn herum wirkten mit einem Mal wacher und sprungbereiter als noch vor Sekunden. Es erschien Skar beinahe so, als ob dieses Kaol, das diese Menschen möglicherweise wie eine Droge konsumierten, nicht nur ihre Körper deformierte, sondern auch ihre Sinne und ihren Verstand durcheinander brachte. Statt gutmütiger Dorfbewohner sah er sich launischen Bestien gegenüber und er begriff, dass ein einziger Wink Rouns genügen würde, um sie zu einem Angriff zu bewegen.

Doch vielleicht hatte er diese Menschen auch grundlegend falsch eingeschätzt, vielleicht hatte das Kaol sie bereits vor langer Zeit so tiefgreifend verändert, dass sie sich ganz anders verhielten, als er es von Menschen ihres Schlags gemeinhin erwartete. Oben auf der Klippe, als sie die Quorrl verfolgten, hatte er sie für einfache Bauerntölpel gehalten, denen es mit mehr Glück als Verstand gelungen war, eine kleine Gruppe der Geschuppten vor sich herzujagen. Doch offensichtlich hatte er sein Urteil zu vorschnell gefällt. Zwar waren die Digger keine ausgebildeten Krieger, aber sie waren erfahrene Kämpfer, die über das Wichtigste verfügten, was einer Gruppe Stärke verlieh: Kampfbereitschaft und Zusammenhalt.

»Vater, bitte«, sagte Esanna. »Ich habe es auch gehört. Da draußen ist etwas ... jemand.«

»Ja, mein Kind«, sagte Roun geistesabwesend. »Darum werden wir uns kümmern, wenn wir mit dem da fertig sind.« Die Warnung in seiner Stimme war unüberhörbar. Es wurde mit einem Mal sehr still in dem großen, dunklen Raum, so still, dass ihm selbst das Knacken und Knistern der roh gezimmerten Hütte unerträglich laut erschien. Skars Hand kroch wie von selbst zum Griff seines Tschekals und umfasste das harte, kalte Metall, das Versprechen des schnellen Todes für alle, die den Fehler machen würden ihm in einem plumpen Angriff zu nah zu kommen. »Ich werde jetzt gehen«, sagte er betont langsam, »und ich würde euch raten, mich in Frieden ziehen zu lassen.«

»Du hast dein Gastrecht verwirkt«, sagte Roun eisig. Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, als müsse er sich darauf konzentrieren, die richtigen Worte zu finden, die Entschuldigung dafür, dass sie gleich über ihn herzufallen gedachten. »Du hast uns verraten an unsere Todfeinde. Und jetzt drohst du uns mit ihrem Angriff.«

Das war eine mehr als freie Interpretation der Ereignisse, aber das Schlimme daran war: Vollkommen Unrecht hatte Roun nicht. Wenn es wirklich eine Schar Quorrl-Krieger war, die sich da draußen anschlich - und dessen war sich Skar so sicher, dass er seinen rechten Arm darauf verwettet hätte -, dann konnte es durchaus sein, dass sie durch den von ihm verschonten Schuppenkrieger auf die Spur der Digger gekommen waren. Keine sehr angenehme Vorstellung, aber nichts, was Rouns Verhalten in irgendeiner Art rechtfertigte.