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Als Skar im dicken Nebel das Aufblitzen eines kampfbereit umklammerten Schwertes bemerkte, das einer der Männer auf ihn zusausen ließ, war es schon fast zu spät. Es war ein recht plump geführter Schwerthieb, der den Satai unter normalen Bedingungen nicht in Bedrängnis gebracht hätte, doch für einen überraschend geführten Angriff war er im Moment denkbar schlecht vorbereitet: Seine linke Hand umklammerte nach wie vor Esannas Handgelenk und seine Rechte war zu weit von seinem Schwertgriff entfernt, um das Tschekal schnell genug aus der Scheide ziehen zu können. Einem zielgenauen Schwerthieb unter diesen Bedingungen zu entkommen war nahezu unmöglich oder doch nur, wenn er seinen Gegner mit einer unvorhergesehenen Finte austrickste.

Er stieß Esanna kraftvoll zurück und setzte ihr gleichzeitig nach: Als das Schwert durch die Luft pfiff, fand ihn der Digger dort vor, wo eben noch das Mädchen gewesen war; unmöglich jetzt noch den Hieb zu korrigieren. Der Mann taumelte, vom Schwung seiner eigenen Waffe nach vorne gerissen, direkt an Skar vorbei. Der Satai streckte den Fuß vor und sorgte damit dafür, dass der darüber stolpernde Mann endgültig das Gleichgewicht verlor und schwer zu Boden stürzte.

Die anderen Männer handelten entschlossener, als es ihm lieb war. Einer von ihnen, ein fast sieben Fuß großer und breitschultriger Hüne, stürzte sich mit einem Aufschrei auf ihn, mit weit ausgebreiteten Armen wie ein gigantischer Bär, der es gewohnt war, den Brustkorb seiner Opfer mühelos zu zerquetschen. Blitzschnell drehte sich Skar herum, versetzte dem Angreifer einen Tritt vor die Brust und zog gleichzeitig das Schwert aus der Scheide. Der Hüne schwankte leicht, ließ sich aber nicht von seinem Angriff abbringen. Mit einem Aufschrei stürzte er sich auf den Satai, bevor dieser sein Tschekal nach oben bringen konnte. Skar ließ den Angreifer so nah herankommen wie möglich, drehte sich dann in einer fließenden Bewegung zur Seite und riss das Knie hoch. Der Hüne schrie auf - diesmal vor Schmerz -, krümmte sich und taumelt haltlos ein paar Schritte weiter in den alles verschlingenden Nebel hinein. Dem dritten Mann ließ Skar nicht den Hauch einer Chance. Sein Tschekal strich mit spielerischer Leichtigkeit durch die Luft, streifte das Schwert des Diggers und riss es mit einer gleichzeitig kraftvollen und eleganten Bewegung aus seiner vorbestimmten Bahn. Als ihm seine Waffe aus der Hand geprellt wurde, taumelte der Mann mit einem Aufschrei zurück und verschwand im grau wabernden Nichts.

Doch da war der Hüne schon wieder heran. Skar ließ das Tschekal einen Bogen beschreiben und schlug dem Koloss mit voller Wucht der breiten Seite seines Schwertes auf die Schläfe. Er verabscheute es, einen Mann zu töten, der ihn waffenlos angriff, aber in diesem Fall wäre er vielleicht besser beraten gewesen es zu tun. Denn statt zu Boden zu stürzen, torkelte der Hüne mit grotesk rudernden Armen weiter auf ihn zu und erwischte ihn mit seinem Handrücken, der plötzlich hochzuckte. Skar hatte das Gefühl, vom Huf eines Pferdes getroffen zu werden; er hatte den Schlag nicht kommen sehen und war deshalb nicht mehr in der Lage, seine Energie durch ein Wegtauch-Manöver verpuffen zu lassen. Während er zurücktaumelte öffnete sich seine linke Hand, die während des ganzen schnellen Kampfs Esanna fest umklammert gehalten hatte, und ließ das Mädchen ins graue Wallen entkommen.

1.5

Hätten ihn Roun und seine Kumpane nicht so erbarmungslos angegriffen, dann hätte Skar wohl ganz automatisch Partei für die Digger ergriffen und den Kampf gegen die Quorrl aufgenommen, ob er nun eine Chance gehabt hätte oder nicht. Doch so fühlte er sich keiner Seite verpflichtet: weder den Schuppenkriegern, die mit dem Angriff auf das Dorf wohl nichts weiter taten, als ihr Territorium zu verteidigen, und schon gar nicht den Diggern, die hier auf der Grenze zum Niemandsland nach etwas suchten, dass für sie wichtiger als das eigene Leben zu sein schien. Es war nicht sein Kampf, aber es war auch nichts, was ihn unberührt ließ, nicht das Schreien und Toben und Sterben, dass noch viele ewig lang dauernde Minuten anhalten würde, bis auch der letzte Digger niedergemacht worden war, und nicht die Verzweiflung von Müttern und Kindern, die unschuldig in den Strudel der Gewalt mit hineingezogen wurden.

Es war sinnlos, in dem Chaos nach Esanna suchen zu wollen, und es war Schwachsinn, nicht sofort das Weite zu suchen und anderenorts nach der Antwort auf die bohrende Frage zu suchen, warum er wieder geboren war und: wer zum Teufel dahinter steckte. Und trotzdem ... er hatte kaum die Grenze des Dorfes erreicht, als er auch schon wieder kehrtmachte, so als ob das Schlachten und Töten eine magische Anziehungskraft auf ihn ausüben würde, der er sich nicht entziehen konnte. Schon von weitem wehte der charakteristische Geruch des Todes mit dem Wind zu ihm heran: das süßliche, schwere Aroma von Blut und Vernichtung, das er schon so oft aufgenommen hatte; in dieser anderen Welt, die ihn ausgespuckt hatte in die Schwärze allumfassenden Vergessens, die ihnen allen zuteil wurde, wenn die Zeit gekommen war - oder war dort, jenseits dessen, was Menschen als ihr Leben zu betrachten pflegten, noch etwas anderes gewesen, etwas gänzlich Anderes und doch nur allzu Vertrautes?

Dieser Gedanke versetzte ihm einen scharfen, schmerzhaften Stich. Obwohl er absolut nichts erkennen konnte, als er mit schnellen Schritten den feuchten Pfad zurück ins Dorf trabte, gaukelten ihm seine Erinnerungen die Bilder von Toten und Erschlagenen vor, aufgerissene Augen, gebrochen und blind und mit einem Ausdruck tiefsten Entsetzens, der sich noch über den Tod hinaus in seinen Blick gebrannt hatte. Nun näherte er sich wieder einem Ort der Gewalt, einem Ort, der ein sinnloses Morden und Schlachten erlebte, und es waren die Schreie Sterbender und Verwundeter, deren Wehklagen er hörte, von Menschen, die bald da sein würden, wo er eine unermessliche Ewigkeit gewesen war - wenn er überhaupt irgendwo gewesen war, hieß es, wenn da nicht bloß eine riesige große Lücke klaffte zwischen seinem früheren Leben und seinem jetzigen Zustand, der mit Leben wohl kaum richtig umschrieben war. Als er den Dorfplatz erreichte, wallte der Nebel in tiefen, dunklen Fetzen über einer gespenstischen Szene, zerrissen von einem plötzlich aufgekommenen Wind, der sich in Sekundenschnelle zum Sturm steigerte, so als hätte ihn jemand geschickt, um dem grässlichen Treiben zumindest teilweise den Schleier vom Gesicht zu reißen. Es war ein gnadenloser, durch und durch unwirklicher Kampf. Wie üblich griffen die Quorrl mit der Wut reißender Ungeheuer an und der Dorfplatz hallte wider vom Krachen und Bersten aufeinander prallender Menschen und geschuppter Reptilienmänner, von Wut- und Schmerzensschreien und dem Klirren von Stahl - aber der Nebel, obwohl bereits gelichtet, tauchte noch immer alles in sein graues, erstickendes Kleid. Selbst die Männer und Frauen, die nur wenige Schritte von ihm entfernt waren, wurden zu flachen Silhouetten; das feuchte Grau verschlang nicht nur die in unscheinbare Lumpen gekleideten Digger, sondern auch die unheimlichen Schemen der mit schier übermenschlicher Kraft ausgestatteten Kolosse.

Der Anblick jagte ihm einen Stich durchs Herz. Die Quorrl machten wahllos alles nieder, was ihnen vor die Schwerter kam, Männer, Frauen und Kinder, wahllos wie sinnlos wütende Ungeheuer, für die sie die Menschen hier ja auch hielten und zu denen sie vielleicht erst dann wurden, wenn man ihnen entsprechend begegnete. Die Schreie Sterbender vermischten sich mit dem Klirren von Waffen, mit dem Wiehern von Pferden, dem Trampeln von Füßen, den stumpfen Schlägen, mit denen einige Quorrl mit bloßer Faust ihre Gegner zerschmetterten, und mit dem Geräusch zusammenstürzender Hütten, durch die die Reptilienmänner in blinder Angriffslust stürzten, als seien sie aus Papier. Obwohl es mehr als nur ein Gemetzel war und sich einige Digger geradezu draufgängerisch und mit erstaunlichem Erfolg den wütenden Kolossen entgegenstellten, konnte am Ausgang des Kampfes kein Zweifel bestehen. Selbst wenn die Dorfbewohner ausgebildete Kämpfer gewesen wären, wären sie kaum in der Lage gewesen dem wütenden Ansturm Einhalt zu gebieten, geschweige denn ihn zurückzuschlagen. Doch so war es nicht viel mehr als ein sinnloses Aufbegehren gegen eine besondere Form der Naturgewalt, die unerbittlich über sie hinwegbrandete und dabei alles ins Verderben riss, was sich ihr entgegenstellte. Er sah kaum etwas von dem Schrecklichen, das vor ihm auf dem Dorfplatz geschah, nicht mehr als dunkle, hässliche Flecken, hier und da ein paar Tote oder Verwundete, vom Nebel zu formlosen dunklen Klumpen verschmolzen, aber vielleicht war gerade das das Schlimme, weil seine Phantasie Bilder schuf, Bilder, die tausendmal entsetzlicher waren, als es die Wirklichkeit jemals sein konnte: Bilder aus seiner Vergangenheit, von Menschen, die er geliebt hatte, als er noch zur Liebe fähig gewesen war, und die vor seinen Augen gestorben waren, zugrunde gegangen nicht zuletzt an dieser verdammten Rastlosigkeit, zu der ihn sein dunkler Bruder getrieben hatte. Mit ein paar Schritten war er unter den Kämpfenden. Der Nebel war gerade weit genug zurückgewichen, um ihn mehrere Quorrl erkennen zu lassen, die mit Schwertschlägen von grausamer Wucht eine kleine Menschenmenge vor sich hertrieben, wie Hirten ein paar Schafe absondern mochten, die sie zu schlachten gedachten. Es war kein Kampf, es war nicht einmal ein Gemetzel, es war eine Verhöhnung der Digger, die nicht begriffen hatten, dass Quorrl mehr waren als nur ein paar stumpfsinnige, monströse Tiere, viel mehr, und dass es der Verhöhnung eines höheren Gleichgewichts gleichkam, wenn sie die Geschuppten wie räudige Hunde jagten.