Выбрать главу

Esanna starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich glaube dir kein Wort, Satai«, sagte sie. »Du hast doch irgendeine Schweinerei vor.«

2.2

Ein heller, metallischer Laut mischte sich in das Winseln des Sturms, ein Geräusch, als schlage eine Klinge auf harten Stein. Skar war mit einem Schlag hellwach. Es war ihm nur zu bewusst, dass er die Nacht wie in fiebrigen Visionen verbracht hatte und noch immer fühlte sich seine Kehle wie mit Sand gefüllt an; aber er konnte wenigstens schlucken und damit den brennenden Schmerz etwas mildern.

Es war das metallische Geräusch, das ihn gewarnt hatte und automatisch an Esanna und das Messer hatte denken lassen, aber es war seine Umgebung, die ihn fluchend zurückweichen ließ in den Höhleneingang, zurück aus dem Nebel, der mit gierigen Fingern nach ihm griff und der kalten Feuchtigkeit, die sich wie ein erstickendes Tuch auf ihn legte. Während sein Kopf fast explodiert war von dem Schrecken, der sich darin abgespielt hatte und der mehr gewesen war als nur das ferne Echo von ein paar Alpträumen, sondern etwas entsetzlich Anderes, musste er sich selber in der Höhle und schließlich aus ihr herausbewegt haben. Seine Finger fuhren zu seinem Mund und entfernten irgendwelche Dreckreste, die ihm in den Mundwinkeln hingen. Das Knirschen zwischen seinen Zähnen war immer noch da, aber es hatte sich verändert. Es fühlte sich nicht mehr wie feiner Wüstensand an, sondern eher wie ein ekelhaftes Gemisch von Dreck, Erdklumpen und etwas Anderem, Undefinierbarem, dessen Beschaffenheit er lieber nicht hinterfragte. Er spukte im hohen Bogen aus und dann nochmals und immer wieder, bis er den größten Teil des Dreckszeugs aus seinem Mund entfernt hatte. Anschließend fuhr er sich mehrfach mit dem Handrücken über die Lippen, bis er die verräterischen Spuren - wieso verräterisch? - zum größten Teil beseitigt hatte. Es wäre ihm peinlich gewesen, wenn ihn Esanna so überrascht hätte und gleichzeitig war er sich bewusst, dass er sich schwachsinnig verhielt, aber es war eine Art innerer Logik in seinen Handlungen und Empfindungen, die er nicht leugnen konnte und denen er nachgeben musste, weil der dumpfe Druck in seinem Kopf ihn dazu zwang.

Schließlich wischte er sich mit dem Zipfel seines Umhangs noch einmal über die Mundwinkel, drehte sich aus der Eiseskälte der feuchten Nacht heraus, um wieder in die Höhle zurückzukehren. Obwohl er sich auf der einen Seite noch immer benommen fühlte und ihm ein Gefühl von Realitätsverlust und Unwirklichkeit zu schaffen machte, war er auf der anderen Seite doch hellwach und geradezu euphorisch. Es war wie ein Fieber, als würde die Zeit selbst brennen. Alles in ihm war aufgewühlt, aber auf eine unglaublich faszinierende Art. Das Grauen der Nacht erschien ihm plötzlich meilenweit entfernt zu sein und statt unglaublichem Schrecken war es jetzt ein wahnsinniges Gefühl der Erleichterung und des Triumphs, das ihn durchströmte, als hätte er eine Quelle neuer Kraft angezapft, die alle Gefahren und Herausforderungen der nächsten Zeit zur harmlosen Spielerei werden ließ.

Doch die Wirklichkeit schien nur darauf zu warten, ihn mit grausiger Wucht wieder einzuholen ...

Er hatte kaum die Hälfte des Weges zur mittlerweile nur noch schwach glimmenden Feuerstelle zurückgelegt, als das passierte, was er die ganze Zeit über insgeheim erwartet hatte. Ein fast unhörbares Scharren warnte ihn, eine kaum wahrnehmbare Bewegung zu seiner Linken. Er reagierte darauf mit einer erstaunlichen Ruhe und Heiterkeit, die den Ereignissen der letzten Nacht geradezu Hohn sprachen. Als Esanna aus ihrem Versteck hervorstürmte, einem kleinen Felsvorsprung, hinter dem sie nur mit Mühe Schutz gefunden haben konnte, erwartete er sie bereits, sicher, dass sie die Klinge in seine Richtung vorschnellen lassen würde, und genauso sicher, dass er ihr Handgelenk im ersten Ansatz packen konnte, um sie so zu zwingen die Waffe fallen zu lassen.

Doch es kam anders. Esanna wollte sich nicht auf einen Nahkampf mit ihm einlassen und sie war gut beraten, es auch gar nicht erst zu versuchen. Stattdessen verriet ihre schwungvolle Armbewegung, dass sie das Messer werfen wollte, und es lag so viel Kraft und Geschicklichkeit in dieser Bewegung, dass Skar verwundert den Kopf geschüttelt hätte, wenn er die Zeit dazu gehabt hätte.

Die Klinge sauste mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf ihn zu. Und doch erschien sie ihm langsam, fast träge - ein Phänomen, dass er schon öfters an sich beobachtet hatte im Anblick größter Gefahr, inmitten eines Kampfes gegen überlegene Gegner, wenn sein Zeitgefühl sich auf einer anderen Ebene zu befinden schien als das seiner Umgebung.

Diesmal jedoch war es noch viel krasser. Er wusste, dass das Messer so schnell auf ihn zuflog, dass kaum jemand noch die Chance gehabt hätte ihm auszuweichen. Aber er wusste auch genauso, dass es für ihn keine Gefahr darstellte. Mit einer geradezu spielerischen Bewegung fischte er es aus der Luft.

Esanna stürzte sich mit einem Aufschrei auf ihn, hämmerte mit ihren Fäusten gegen seine Brust. »Du Schwein«, schrie sie mit überschnappender Stimme. »Lass mich endlich in Ruhe.«

Skar stieß sie auf Armlänge zurück. »Nun übertreib mal nicht. Ich habe nicht vor, dir irgendetwas zu tun. Und außerdem habe ich es dir freigestellt zu gehen.«

Die Sätze schienen nicht bis zu Esanna vorzudringen. Mit verzerrtem Gesicht stürzte sie sich erneut auf Skar, ihre Hände Quorrl-Klauen ähnlich, mit Fingernägeln, die sie ihm ins Gesicht krallen würde, wenn er es zuließ. Ihr Gesichtsausdruck war Furcht erregend, auf eine schreckliche Art selbstvergessen wie bei einem Tier im Todeskampf, das noch einmal alle Kraftreserven mobilisiert.

Skar schlug ihr ins Gesicht.

Es war kein sehr harter Schlag, aber kräftig genug, um sie zur Vernunft zu bringen und in ihrer Vorwärtsbewegung zu stoppen. Jedenfalls hätte er es sein müssen. Doch Esannas Kopf flog nur einen kurzen Augenblick zurück und ihre Hände wurden lediglich so weit abgelenkt, dass sie nicht mehr sein Gesicht erreichten, sondern sich in seinen Umhang und in den Lederschnallen seines Brustharnischs verkrallten. Mit geradezu unglaublicher Kraft riss sie an ihm und es blieb ihm nichts anderes übrig, als wieder zuzuschlagen, etwas härter diesmal und entschlossen genug, um sie zurücktaumeln zu lassen.

Das Feuer der Wut schien in ihr dennoch nicht bereit zu sein, so schnell zu erlöschen; sie riss ihn förmlich mit und zwang ihn so zu einem Ausfallschritt. Dabei zerrte sie so energisch an den Schnallen seines Harnischs, dass sie ausglitten und er plötzlich mit halb nackter Brust in der zugigen Kälte der Höhle stand.

»Hör endlich auf!«, schrie Skar, während er versuchte sie mit der einen Hand, in der er noch immer Esannas Messer hielt, zurückzuhalten und mit der anderen seinen Harnisch zu schließen.

Das Mädchen reagierte ganz so, wie er es hätte erwarten können: Es versuchte seine das Messer umklammernde Hand zu öffnen, um wieder an die Waffe zu kommen. Das war lächerlich; genauso gut hätte sie versuchen können den zugeschnappten Kiefer eines Alligators aufzubiegen. Trotzdem spürte Skar jetzt eine Welle kalten Ärgers in sich aufsteigen. Es machte wahrlich keinen Spaß, mit diesem durchgeknallten Etwas von Digger-Mädchen im Halbdunkeln herumzubalgen und gleichzeitig die beißende Kälte auf seiner Haut zu spüren, nur weil ihr einziger Kampferfolg darin bestanden hatte, ihm seinen Harnisch aufzureißen.

»Wenn du nicht gleich aufhörst, setzt's was«, knurrte er, während er plötzlich das Gefühl hatte einen Piranha bändigen zu müssen: bissig, klein, aber höchst aggressiv und gefährlich; denn mit einer Heftigkeit, die Skar nur diesem kleinen Raubfisch zugebilligt hätte, biss sie in die Hand, deren Finger sie nicht hatte aufbiegen können. Skar schrie auf und hätte tatsächlich fast das Messer losgelassen. Bevor sie zu einem zweiten Biss kam, schlug er sie wieder ins Gesicht, diesmal mit dem Handrücken und so heftig, dass sie nicht anders konnte, als endlich von ihm abzulassen und zurückzutaumeln.