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»Indem du den Satai Informationen lieferst, die es ihnen leichter machen, die Quorrl zu schlagen? Nein«, Esanna schüttelte entschieden den Kopf, »das klingt alles andere als überzeugend. Entweder bist du nicht mehr in der Lage zwei und zwei zusammenzuzählen oder du willst mir irgendein Märchen aufbinden.«

Skar schüttelte den Kopf. Esanna verfügte über eine scharfe Zunge und sie hatte eine Art zu argumentieren an sich, die ihn verteufelt an seinen alten Waffengefährten und ehemals besten Freund Del erinnerte. Aber: Del hatte ihn verraten. Wer sagte ihm, dass es nicht auch Esanna tun würde - oder vielleicht schon getan hatte? Welches Geheimnis umgab das Digger-Mädchen? Das musste er so schnell wie möglich herausbekommen. Auf keinen Fall würde er den Fehler begehen sich von den unschuldigen Augen, dem schmalen Gesicht und ihrer Jugend zu dem Schluss verleiten zu lassen, dass sie harmlos wäre.

»Denk, was du willst«, sagte er, brachte die nun fast sauberen Hände nach vorne und verschränkte sie vor der Brust, »ich werde mich jedenfalls nicht davon abhalten lassen, Marna zu warnen.«

Esanna schwieg einen Moment, presste die Lippen aufeinander und begann nervös mit dem Griff ihres Messers zu spielen, das sich in der Nacht, als es stundenlang im Feuer gelegen hatte, verfärbt und einen bläulich roten Ton angenommen hatte. Sie hatte sich zu Skars Verblüffung gestern Abend entschieden diese Waffe zu behalten und sie gegen nichts einzutauschen, was der Satai an Ausrüstung mit sich geschleppt hatte.

»Wenn du meinst«, antwortete Esanna skeptisch. »Aber sag mal, eine ganz andere Frage: Was hast du eigentlich mit deinen Händen gemacht? Eine Leiche ausgebuddelt?«

»Äh, hmmm«, machte Skar und starrte auf seine Finger, als sähe er sie zum ersten Mal. »Keine Ahnung. Ich hätte sie wohl gestern im Fluss waschen sollen ...«

»Wenn du mich fragst«, unterbrach ihn Esanna verächtlich, »bist du nichts weiter als ein verdammter Digger. Und zwar einer von der ganz üblen Sorte. Der Rest deiner Mahlzeit hängt dir ja noch aus den Mundwinkeln.«

»Ich weiß nicht, was du meinst«, begann Skar unbehaglich. »Ich...«

Er brach ab und legte den Kopf schief.

»Jetzt hat's dir wohl die Sprache verschlagen, was?«, fragte Esanna spöttisch.

Skar schüttelte den Kopf und legte den Finger auf den Mund. »Still«, flüsterte er. »Da ist was.«

Es waren Stimmen, die da durch den Wald klangen und so plötzlich und ohne Vorwarnung an sein Ohr drangen, als wäre er zuvor mit Taubheit geschlagen gewesen.

Quorrl! Skar erkannte das fremdartig klingende, knarrende Idiom so zweifelsfrei und unvermittelt, dass ihn ein siedend heißer Schreck durchfuhr, eine Panik, die ihm bislang unbekannt gewesen war: nämlich die, sich nicht mehr auf seinen Instinkt verlassen zu können. Er begriff nicht, wie ihm das hatte passieren können, wie er die vielen kleinen Anzeichen hatte überhören können, mit denen sich das Näherkommen von Mensch und Tier - und vor allem von Quorrl - ankündigte.

Aber er hatte auch keine Zeit über dieses Phänomen nachzugrübeln. Die Quorrl brachen durch das Unterholz, als wollten sie den Wald im wahrsten Sinne des Wortes im Vorübergehen in Trümmer legen. Besonders viel Aufmerksamkeit schienen sie dabei ihrer Umgebung nicht zu zollen, denn sonst wären sie etwas umsichtiger vorgegangen - entweder jagten sie irgendjemandem hinterher, der ihnen unterlegen war (vielleicht dem schwer verletzten Satai, der Skar und Esanna in die Hände gelaufen war), oder sie glaubten hier auf keine potenziellen Gegner mehr stoßen zu können. Die Quorrl sammeln sich - vielleicht war hier in der Nähe ihr Aufmarschplatz.

Einen Sekundenbruchteil lang stand Skar einfach nur reglos da, jeder Muskel in seinem Körper bis zum Zerreißen gespannt. Seine Augen bohrten sich durchs Unterholz, um zu erkennen, ob noch die Chance bestand, dass die Quorrl an der Lichtung vorbeistolperten, auf der sie das Pferd des toten Satais, seine auf dem Boden ausgebreiteten Waffen und einen ihnen unbekannten Mann in der Uniform ihrer Todfeinde in Begleitung eines jungen Mädchens vorfinden würden. Es bedurfte keiner regen Phantasie, um zu wissen, was andernfalls geschehen würde: Er würde keine Chance bekommen auch nur den Mund zu einer Erklärung aufzumachen; die Reptilienkrieger würden ihn und Esanna sofort niedermachen.

Als Skar die geschuppten Giganten schemenhaft erkennen konnte - und die kleine, braungrün gekleidete Gestalt, die sie gefesselt vor sich her stießen -, hätte er beinahe laut aufgestöhnt. Dabei spürte er nicht einmal Schrecken, denn das Entsetzen, die Erkenntnis, dass ein fürchterliches Missverständnis von vornherein alle seine Bemühungen zunichte machen könnte, seinen Teil zur Rettung Enwors beizutragen, war zu groß, um andere Empfindungen zuzulassen. Denn es war Kama, der Nahrak, den die Quorrl mit der ihnen eigenen Brutalität vor sicher her trieben.

Den winzigen Moment, den er die geschuppten Giganten früher bemerkte als sie ihn, nutzte Skar auf eine ihm ganz eigene Weise. Er versetzte Esanna einen harten Stoß, der sie schwer zu Boden stürzen ließ und ihr damit die Möglichkeit nahm irgendeine Dummheit zu begehen, sprang über sie hinweg und zog in der gleichen Bewegung sein Tschekal. Er erkannte neben dem Gefangenen drei, vier vollkommen sorglose Quorrl, die von seinem Anblick vollständig überrascht wurden. Skar überwand die Distanz zu ihnen mit einem einzigen Satz und war so unvermittelt zwischen ihnen, dass der Erste gar nicht mehr dazu kam, sein Schwert zu ziehen, bevor ihn Skars Klinge erwischte und ihm mit einem einzigen Schlag seine Waffenhand abschlug.

Die anderen Quorrl reagierten mit der Schnelligkeit routinierter Krieger, die darauf gedrillt waren, jeden Angriff im Ansatz zu ersticken. Zwei Reptilienmänner näherten sich mit gezogenen Schwertern im Parallelschritt, ein Anblick der nicht zuletzt dazu gedacht war, einen Gegner in Panik zu versetzen, während der dritte, unverletzte, Kama mit einer fast beiläufigen Bewegung niederstieß und seitlich durchs Unterholz brach, um von der Rückseite aus anzugreifen. Skar gedachte ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er hechtete mit einer Rolle zur Seite, kam federnd wieder hoch und ließ sein Tschekal einen Halbkreis beschreiben, mit dem er die Deckung des ihm am nächsten stehenden Quorrl unterlief und ihn mit einem mörderischen Schlag fast das Bein abtrennte.

Der geschuppte Gigant taumelte mit einem Schmerzenslaut gegen einen Baum und starrte fassungslos auf die klaffende Wunde in seinem Oberschenkel, aus der augenblicklich eine Blutfontäne schoss. Trotzdem gab er sich noch nicht geschlagen. Er riss sein Zackenschwert im gleichen Sekundenbruchteil hoch, in dem Skar nach vorne sprang, um den anderen Reptilienkrieger zu attackieren. Die schwere Waffe streifte Skars Oberarm und hätte ihm den Kopf abgeschlagen, wenn der Satai nicht noch in der Sprungbewegung den Oberkörper zur Seite gerissen hätte. Skar kam dicht hinter ihm auf die Füße, tauchte unter dem Angriff des zweiten Kriegers hinweg, den das Schicksal seiner Kameraden zu noch mehr Wut angestachelt hatte, und stieß seine Klinge nach vorne, um den Koloss zu durchbohren.

Der Quorrl reagierte überraschend schnell, warf sich im letzten Moment zur Seite und nahm dabei in Kauf seinen Artgenossen mit der abgeschlagenen Hand so schwer anzurempeln, dass dieser zu Boden stürzte. In diesem Moment geschah etwas so Merkwürdiges, dass Skar einen Herzschlag lang weniger aufmerksam war, als es bei einem erbitterten Kampf um Leben und Tod ratsam war: Esanna taumelte mitten in das Kampfgeschehen hinein und die Quorrl taten so, als ob sie der Feind sei, den es unter allen Umständen zu vernichten galt und nicht er selbst.