«Genau. «Tyler richtete seine Aufmerksamkeit auf Simon Fitzgerald.»Wäre das ein Problem?«
«In Anbetracht der vorliegenden Situation würde ich wahrscheinlich eine Erlaubnis zur Exhumierung erreichen können. Ist die Frau ihrerseits mit dem Test einverstanden?«
«Ich habe sie noch nicht gefragt. Sollte sie die Zustimmung verweigern, wäre immerhin bewiesen, daß sie das Ergebnis fürchtet. «Er schwieg einen Moment.»Ich muß gestehen, daß mir das alles unangenehm ist. Andererseits sehe ich keine andere Möglichkeit, die Wahrheit festzustellen.«
Fitzgerald schien zu überlegen.»Also gut. «Er wandte sich an Steve.»Wirst du die Sache in die Hand nehmen?«
«Selbstverständlich. «Er betrachtete Tyler.»Das Prozedere ist Ihnen vermutlich bekannt. Der nächste Anverwandte — in diesem Falle Sie, Ihr Bruder oder Ihre Schwester — muß beim Amt des Leichenbeschauers einen Antrag auf Exhumierung stellen, den Sie natürlich begründen müssen. Wird er akzeptiert, verständigt der Leichenbeschauer das zuständige Bestattungsinstitut, und bei der Exhumierung ist die Anwesenheit eines Vertreters der Polizei erforderlich.«
«Und wieviel Zeit könnte der Vorgang insgesamt beanspruchen?«fragte Tyler.
«Die Genehmigung haben Sie in schätzungsweise drei bis vier Tagen. Heute ist Mittwoch, es müßte also möglich sein, die Exhumierung am kommenden Montag vorzunehmen.«
«Gut. «Tyler überlegte kurz.»Wir werden einen DNS-Fachmann benötigen, jemand, der im Gerichtssaal zu überzeugen versteht — für den Fall, daß wir die Sache vor Gericht bringen müssen. Ich hatte gehofft, daß Sie einen entsprechenden Experten kennen.«
«Ich weiß genau den Richtigen für Sie«, antwortete Steve.»Perry Winger. Er wird in ganz Amerika bei solchen Prozessen als Sachverständiger hinzugezogen. Ich werde ihn informieren.«
«Ich weiß es zu schätzen. Je rascher wir die Sache hinter uns bringen, desto besser für alle Beteiligten.«
Auf Tylers Vorschlag hin hatten sie sich — Woody, Peggy, Kendall und Marc — am nächsten Morgen in der Bibliothek von Rose Hill versammelt und warteten voller Spannung, denn einen Grund für das Treffen hatten sie nicht erfahren, als Tyler Punkt zehn Uhr in Begleitung eines Unbekannten hereinmarschierte.
«Ich möchte euch Perry Winger vorstellen«, sagte Tyler.
«Und wer ist Perry Winger?«wollte Woody wissen.
«Er ist Experte für DNS-Analysen.«
Kendall war sichtlich überrascht.»Und wozu, wenn ich fragen darf, brauchen wir einen solchen Experten?«
«Um zu beweisen«, antwortete Tyler,»daß die Person, die genau im richtigen Moment aus dem Nichts bei uns erschien, eine Hochstaplerin ist. Ich habe nicht die Absicht, ihre Behauptung ungeprüft hinzunehmen.«
«Du willst unseren alten Herrn ausbuddeln lassen?«fragte Woody mit einem Ausdruck ungläubigen Staunens.
«Genau das. Ich habe unsere Anwälte bereits beauftragt, eine Genehmigung zur Exhumierung der Leiche einzuholen. Falls diese Person tatsächlich unsere Halbschwester ist, wird es der DNS-Test beweisen. Andernfalls haben wir den umgekehrten Beweis.«
«Tut mir leid«, meinte Marc,»aber diese Geschichte mit der DNS verstehe ich nicht.«
Perry Winger räusperte sich.»Um es simpel auszudrücken: Desoxyribonukleinsäure — oder DNS — ist das Erbmolekül und enthält den einmaligen genetischen Kode eines Menschen. Es läßt sich aus Blut, Sperma, Speichel, Haarwurzeln und sogar aus Knochen extrahieren. Spuren von DNS bleiben mehr als fünfzig Jahre in einer Leiche erhalten.«
«Verstehe — eine absolut problemlose Sache«, meinte Marc.
Daraufhin setzte Perry Winger allerdings die typische Miene des Experten auf, der sein Fachwissen gegenüber Laien verteidigt.»Ich muß Sie bitten, mir zu glauben, daß die Sache so problemlos keineswegs ist. Es gibt zwei Methoden für DNS-Tests, einmal das sogenannte DCR-Verfahren, bei dem nach drei Tagen die Resultate vorliegen, und dann das erheblich kompliziertere RFLP-Verfahren, das bis zu acht Wochen beansprucht. Für unsere Zwecke wird allerdings das einfache Verfahren ausreichen.«
«Und wie wird dieser Test durchgeführt?«erkundigte sich Kendall.
«In mehreren Phasen. Zunächst einmal wird eine Probe genommen und die DNS in Bruchstücke aufgeschlossen. Die Teilchen werden nach Länge sortiert, indem sie auf ein Bett aus Gel plaziert und unter Strom gesetzt werden. Die DNS, die negativ geladen ist, bewegt sich zur positiven Ladung, und nach einigen Stunden haben sich die Fragmente längenmäßig gruppiert. «Er erwärmte sich sichtlich für sein Thema.»Zum Aufschließen der DNS-B ruchstücke werden alkalische Substanzen benutzt, dann werden die Fragmente auf ein Nylontuch übertragen, das in ein Bad getaucht worden ist, und radioaktive Sondierungen…«
Das Interesse seiner Zuhörer schwand zusehends.
«Wie steht es um die Zuverlässigkeit des Tests?«unterbrach Woody.
«Er ist hundertprozentig zuverlässig, sofern es die Erkenntnis betrifft, daß die fragliche Person nicht der Vater ist. Falls der Test jedoch positiv ausfällt, besteht nur eine neunundneunzigprozentige Sicherheit.«
Woody wandte sich an seinen Bruder.»Tyler, du bist doch Richter. Nehmen wir einmal an, rein hypothetisch, dass die junge Dame tatsächlich Harry Stanfords Kind ist, aber ihre Mutter ja nie mit unserem Vater verheiratet war. Warum sollte sie dann Erbansprüche geltend machen können?«
«Laut Gesetz«, klärte Tyler ihn auf,»wäre sie genauso erbberechtigt wie wir — aber nur, falls die Vaterschaft erwiesen sein sollte.«
«Dann sollten wir jetzt mit diesem verflixten DNS-Test anfangen und sie als Hochstaplerin entlarven!«
Tyler, Woody, Kendall, Marc und Julia saßen an einem Tisch im Restaurant Tremont; Peggy war in Rose Hill geblieben.»All dies Gerede vom Ausbuddeln von einer Leiche — da krieg ich ja 'ne Gänsehaut«, hatte sie erklärt.
Man konfrontierte die junge Frau, die sich als Julia Stanford ausgab, mit der Notwendigkeit des Tests.
«Ich kann wirklich nicht verstehen, warum Sie das von mir verlangen.«
«Das ist doch gar nicht schwer zu verstehen«, erläuterte Tyler.»Schauen Sie: Ein Arzt wird bei Ihnen eine Hautprobe nehmen und Ihre Haut mit der Haut unseres Vaters vergleichen. Wenn die DNS-Moleküle übereinstimmen, so ist das ein positiver Beweis dafür, daß Sie tatsächlich seine Tochter sind. Andererseits, falls Sie nicht einmal bereit sind, sich diesem Test zu unterziehen…«
«Ich… Die Idee gefällt mir überhaupt nicht.«
«Warum eigentlich nicht?«schaltete sich Woody ein.
«Ich weiß nicht. «Sie erschauerte.»Die Vorstellung, daß die Leiche meines Vaters wieder ausgegraben werden soll… nur damit…«
«Damit Ihre Identität unter Beweis gestellt wird.«
Sie blickte sie der Reihe nach an.»Ich hätte mir eigentlich gewünscht, daß Sie alle…«
«Ja?«
«Ich kann Sie wohl nicht überzeugen, daß ich wirklich Julia Stanford bin, nicht wahr?«
«Doch, das können Sie«, entgegnete Tyler,»indem Sie diesem Test zustimmen.«
Schweigen.
«In Ordnung. Ich bin einverstanden.«
Wie Simon Fitzgerald, der diese Aufgabe persönlich übernommen hatte, erkennen mußte, machte der amtliche Leichenbeschauer bei der Freigabe der Leiche zur Exhumierung mehr Schwierigkeiten als erwartet.
«Nein! Verdammt noch mal, Simon! Das kann ich unmöglich gestatten. Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, was das für einen Rummel auslösen würde? Ich meine, wir haben es schließlich nicht mit Hinz oder Kunz zu tun — es betrifft Harry Stanford! Wenn das je an die Öffentlichkeit kommt, werden die Medien verrückt spielen.«
«Es ist aber sehr wichtig, Marvin, es geht um Milliarden. Hören Sie — Sie müssen alle nötigen Vorkehrungen treffen, daß es nicht an die Öffentlichkeit kommen kann.«