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In gewissem Sinne hatte er es Lee zu verdanken, mit ihm hatte alles angefangen — Lee,»der schönste, wunderbarste Mensch«, der Mensch, den er über alles liebte. Sie hatten sich im» Berlin «kennengelernt, der Schwulenbar an der West Belmont Avenue; einem so schönen Mann wie dem großen, muskulösen, blonden Lee war Tyler vorher noch nie begegnet.

Begonnen hatte es mit einer Einladung Tylers:»Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?«

Woraufhin Lee ihn von oben bis unten gemustert und dann mit dem Kopf genickt hatte:»Das wäre nett.«

Nach dem zweiten Drink hatte Tyler vorgeschlagen:»Warum gehen wir nicht zu mir?«

«Ich bin aber teuer«, hatte Lee daraufhin mit einem offenen Lächeln erwidert.

«Wie teuer?«

«Fünfhundert Dollar pro Nacht.«

Tyler hatte keine Sekunde gezögert.»Gehen wir.«

Lee war die ganze Nacht geblieben.

Lee zeigte sich aufgeschlossen, einfühlsam und liebevoll. Tyler hatte solche menschliche Nähe nie erlebt, wurde von Empfindungen überwältigt, von denen er nicht einmal gewußt hatte, daß es sie gab, und war am Morgen danach hoffnungslos verliebt.

Frühere Gewohnheiten — im» Cairo«, im» Bijou Theatre «und etlichen anderen Schwulentreffs in Chicago hatte er junge Männer aufgelesen — waren plötzlich Vergangenheit; er wußte, daß er ein neues Leben anfangen mußte und nur noch Lee begehrte.

«Was würdest du gern am Abend unternehmen?«erkundigte Tyler sich beim Vorbereiten des Frühstücks.

Lee sah ihn überrascht an.»Heute abend bin ich leider schon verabredet.«

Tyler glaubte, einen Schlag in die Magengegend bekommen zu haben.

«Aber Lee… Ich dachte, daß wir beide, du und ich…«

«Tyler, mein Lieber, ich bin ein kostbares Gut und gehe immer zum Meistbietenden. Ich hab dich wirklich gern, bin aber für dich wohl kaum erschwinglich.«

«Ich kann dir alles bieten, was du willst«, versprach Tyler.

Lee lächelte.»Wirklich? Na gut — ich würde gern auf einer schönen weißen Jacht nach St-Tropez segeln. Verfügst du dafür über die nötigen Mittel?«

«Ich bin reicher als alle deine Freunde zusammen, Lee.«

«Ach ja? Ich dachte, du hättest dich mir als Richter vorgestellt.«

«Natürlich, das bin ich auch, ja, aber ich werde einmal reich sein. Ich meine… steinreich.«

Lee legte ihm einen Arm um die Schulter.»Sei mir nicht böse, Tyler, aber bis Mittwoch nächster Woche bin ich vergeben. Übrigens — das Rührei scheint fertig zu sein.«

Das war der Auslöser gewesen. Nicht, daß für Tyler Geld vorher unwichtig gewesen wäre, doch von dem Moment an war er wie besessen davon. Er brauchte es für Lee, der sein ganzes Denken und Handeln bestimmte; der Gedanke, daß Lee mit anderen Männern ins Bett ging, war Tyler unerträglich. Ich muß ihn ganz für mich haben.

Tyler hatte seit seinem zwölften Lebensjahr gewußt, daß er homosexuell war. Eines Tages hatte ihn sein Vater mit einem Schulkameraden beim Schmusen überrascht und ihn mit maßlosem Zorn überschüttet.»Nicht zu fassen — mein Sohn eine Tunte! Wenigstens kenne ich jetzt dein dreckiges kleines Geheimnis — aber paß nur auf, ich werde dich im Auge behalten, Süße.«

Daß Tyler heiratete, war ein Treppenwitz der Weltgeschichte, den ein Gott mit Sinn für schwarzen Humor riß.

«Ich muß dich unbedingt mit jemandem bekannt machen«, hatte Harry Stanford Tyler erklärt.

Es war zu Weihnachten gewesen, und Tyler war über die Feiertage in Rose Hill. Kendall und Woody waren bereits wieder abgereist, und Tyler packte gerade seine Koffer, als die Bombe platzte.

«Du wirst heiraten.«

«Ich? Heiraten? Ausgeschlossen! Ich werde nie…«

«Nun hör mir mal gut zu, Süße. Die Leute fangen an, über dich zu reden. Das kann ich nicht dulden, denn es schadet meinem guten Ruf. Aber wenn du heiratest, werden die Leute das Maul halten.«

Tyler wehrte sich.»Die Leute können sagen, was sie wollen«, erwiderte er trotzig,»das ist mir völlig egal. Es ist schließlich mein Leben.«

«Und ich möchte, daß dir ein reiches Leben beschert wird, Tyler. Ich werde langsam älter, und es wird nicht mehr lang dauern…«Er zuckte mit den Schultern. Zuckerbrot und

Peitsche.

Naomi Schuyler war nicht eben eine Schönheit. Sie kam aus einer kleinbürgerlichen Familie, gierte nach gesellschaftlichem Aufstieg und war vom Status und dem Namen Harry Stanford dermaßen beeindruckt, daß sie seinen Sohn wahrscheinlich sogar geheiratet hätte, wenn er Tankwart gewesen wäre und nicht Richter.

Auf die Frage, wieso er eigentlich mit Naomi ins Bett gegangen war — er hatte ein einziges Mal mit ihr geschlafen —, erwiderte Harry Stanford:»Weil sie gerade da war.«

Und weil sie ihm danach auf die Nerven ging, kam er auf die Idee, daß sie genau die Richtige für Tyler wäre. Und was Harry Stanford wollte, das bekam er auch.

Die Hochzeit fand zwei Monate später statt, eine» kleine Hochzeit «mit nur einhundertfünfzig Gästen, anschließend reiste das junge Paar nach Jamaica in die Flitterwochen, die die reinste Katastrophe wurden.

«Verdammt, wen hab ich da geheiratet!?«tobte Naomi in der Hochzeitsnacht.»Mann! Wozu hast du bloß einen Schwanz?«

Tyler versuchte sie zu beruhigen.»Wir müssen aber doch nicht sexuell miteinander… es kann doch jeder seinen eigenen Weg gehen, auch wenn wir zusammenleben. Da hat eben jeder von uns… Freunde.«

«Darauf kannst du Gift nehmen! Und ob ich mir einen Freund suchen werde!«

Naomi rächte sich, indem sie sich einem wahren Konsumrausch hingab, in Chicago nur die teuersten Geschäfte beehrte und obendrein Einkaufsreisen nach New York unternahm.

«Solche Extravaganzen kann ich mir bei meinem Einkommen nicht leisten«, klagte Tyler.

«Dann sieh zu, daß du eine Gehaltserhöhung bekommst. Ich bin nun einmal deine Frau und habe Anspruch darauf, daß du mich unterhältst.«

Tyler suchte seinen Vater auf, um ihm seine Notlage darzulegen.

Harry Stanford grinste.»Frauen können verdammt kostspielig sein, nicht wahr? Aber damit mußt du klarkommen.«

«Aber Vater, ich brauche etwas…«

«Eines Tages wirst du alles Geld besitzen, das du dir nur wünschen kannst.«

Tyler versuchte, es Naomi klarzumachen. Naomi verspürte jedoch keinerlei Neigung, auf» die große Zukunft «zu warten, da sie befürchtete, daß»die große Zukunft «eventuell für immer auf sich warten ließe. Als sie alles aus Tyler herausgepreßt hatte, was möglich war, reichte sie die Scheidungsklage ein, gab sich mit dem zufrieden, was noch auf seinem Bankkonto verblieben war und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Harry Stanford quittierte die Nachricht mit den Worten:»Tunte bleibt Tunte.«

Damit war die Sache für ihn erledigt.

Harry Stanford hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um Tyler zu demütigen. Während eines Prozeßtages war der Gerichtsdiener — während der Verhandlung! — an Tyler herangetreten, um ihm zuzuflüstern:»Verzeihung, Euer Ehren…«

Tyler hatte sich irritiert nach ihm umgedreht und gesagt:»Ja?«

«Telefon für Sie.«

«Wie bitte?! Sind Sie verrückt? Ich befinde mich mitten in einem…«

«Ihr Herr Vater ist am Telefon, Euer Ehren. Es sei sehr dringend, er müsse Sie sofort sprechen.«

Tyler kochte innerlich: Sein Vater hatte nicht das Recht, ihn bei seiner Arbeit zu stören. Er war drauf und dran, den Anruf nicht anzunehmen. Andererseits, wenn es nun doch wichtig wäre…

Tyler erhob sich.»Die Sitzung wird für eine Viertelstunde unterbrochen.«

Tyler rannte in sein Büro und ergriff den Hörer.»Vater?«