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Und nun waren die meisten Nachtelfen, abgesehen von Lord Stareye und seinem Tross, zu heimatlosen Flüchtlingen geworden, ihre Kleidung schmutzig und blutbefleckt. Und sie blickten auch nicht mehr auf den ungewöhnlichen Druidenschüler herab, sondern betrachteten ihn mit verzweifelter Hoffnung. Die meisten wussten, dass sie ihr Leben seinen Taten verdankten.

Doch wohin würden ihn diese Taten führen? Bisher zumindest nicht zum Erfolg. Schlimmer und verstörender war jedoch, dass der Einsatz natürlicher Mächte begonnen hatte, Malfurion körperlich zu verändern.

Er strich sich über die Stirn. Zwei kleine Erhebungen verbargen sich unter seinem Haaransatz. Einige Tage zuvor hatte er sie bemerkt, und mittlerweile waren sie doppelt so groß geworden. Diese beiden winzigen Hörner ängstigten Malfurion, denn sie erinnerten ihn an einen Satyr. Und das wiederum gemahnte ihn an den königlichen Berater Xavius, der von den Toten zurückgekehrt war. Malfurion hatte ihn zwar endgültig besiegt, doch Xavius war es zuvor gelungen, Tyrande der Brennenden Legion auszuliefern.

»Du musst aufhören, an sie zu denken«, drängte jemand hinter ihm.

Malfurion sah seinen Begleiter ohne jede Überraschung an. Die meisten Nachtelfen hätten ihn allerdings angestarrt, denn es gab in ganz Kalimdor kein Wesen wie Rhonin.

Er trug eine dunkelblaue Robe und darunter ein Hemd und eine Hose in der gleichen Farbe. Trotz seiner Stiefel war er einen Kopf kleiner als Malfurion. Doch weder seine Größe noch seine Kleidung lösten erhobene Augenbrauen und geflüsterte Bemerkungen aus. Dafür sorgte sein schulterlanges, feuerrotes Haar, das man unter der Kapuze seiner Robe sehen konnte, das rundliche, bleiche Gesicht – vor allem die leicht gekrümmte Nase – und seine grünen Augen mit den vollkommen schwarzen Pupillen. Dieser Anblick verunsicherte die Nachtelfen.

Rhonin war zwar kleiner als Malfurion, wirkte jedoch kräftiger. Er sah aus wie ein Mann, der sich gut im Kampf behaupten konnte, was er auch schon gezeigt hatte. Das war eine ungewöhnliche Fähigkeit für jemanden, der in den magischen Künsten geschult war. Rhonin bezeichnete sich selbst als »Mensch«, ein Volk, von dem niemand je gehört hatte. Doch wenn Rhonin beispielhaft für einen Menschen war, hätte sich Malfurion tausend andere in der Armee gewünscht. Die Magie seines eigenen Volkes war direkt an den Brunnen der Ewigkeit gekoppelt und daher kaum noch einsetzbar. Rhonin hingegen verließ sich auf sein eigenes Vermögen und beherrschte Kräfte, die ihn wie einen Halbgott erscheinen ließen.

»Wie sollte ich denn aufhören? Und mit welchem Recht?«, fragte Malfurion. Er lud seine Wut auf Rhonin ab, obwohl der sie nicht verdient hatte. »Tyrande ist schon zu lange ihre Gefangene, und mir gelingt es noch nicht einmal, in den Palast zu blicken!«

Früher hatte sich Malfurion dank der Ausbildung, die er von dem Halbgott Cenarius erhalten hatte, durch eine Dimension bewegen können, die man den Smaragdgrünen Traum nannte. Der Smaragdtraum war eine Welt, die aussah, als habe es niemals Zivilisationen oder tierisches Leben darin gegeben. In einer Traumgestalt konnte man ihn durchqueren und auf diese Weise mühelos weit entfernte Orte erreichen. Durch den Smaragdtraum war Malfurion in Königin Azsharas Zitadelle eingedrungen und hatte die Hochgeborenen und den Kommandanten der Brennenden Legion ausspioniert. So hatte er die Pläne von Xavius, dem Berater der Königin, vereiteln können. Nach einer kurzen, aber schlimmen Gefangenschaft war es ihm schließlich gelungen, das Portal kurzzeitig zu schließen und den Turm, in dem es sich befunden hatte, zu zerstören.

Jetzt hatte der mächtige Dämon Archimonde die geistigen Mauern jedoch verstärkt und sogar den Smaragdtraum verbannt. Malfurion hatte lange versucht, die geistigen Mauern zu durchbrechen, aber sie waren so stark, dass sie real hätten sein können.

Der Druide wusste, dass sich Tyrande im Inneren der Festung aufhielt, und er nahm an, dass auch Illidan dort angekommen war.

»Elune wird sie beschützen«, antwortete Rhonin ruhig. »Sie scheint ein Liebling von Mutter Mond zu sein.«

Malfurion konnte nichts gegen diese Logik sagen. Noch vor kurzer Zeit war Tyrande eine junge Novizin im Tempel der Mondgöttin gewesen. Doch die Ankunft der Brennenden Legion hatte eine Veränderung in ihr ausgelöst, die vielleicht sogar größer war als die in Malfurion. Ihre Macht war gewachsen, und zu ihrer großen Überraschung hatte die Hohepriesterin Tyrande zu ihrer Nachfolgerin bestimmt, nachdem sie selbst in einer Schlacht tödlich verletzt worden war. Leider hatte der zu einem Satyr gewordene Xavius sie kurz darauf entführt. Xavius hatte zwar den Preis für seine Untaten bezahlen müssen, doch das hatte Tyrande nicht gerettet.

»Hat denn Elune Sargeras’ Finsternis etwas entgegenzusetzen?«

Rhonin hob seine dichten Brauen. »Mit solchen Gedanken hilfst du niemandem, Malfurion.« Er blickte hinter sich. »Und es würde mich freuen, wenn du so etwas nicht in Gegenwart unserer neuen Freunde äußern würdest.«

Einen Moment lang vergaß der Druide seine Trauer, als sich schattenhafte Gestalten hinter dem Zauberer erhoben. Es war sofort klar, dass sie aus mehr als nur einem Volk bestanden. Gegenüber einigen wirkte der Nachtelf wie ein Zwerg, während andere noch kleiner als Rhonin waren. Doch alle, die sich auf ihn und den Zauberer zu bewegten, trugen eine Entschlossenheit und Stärke zur Schau, die Malfurions Volk gerade erst für sich entdeckte.

Ein scharfer Geruch stieg in die Nase des Nachtelfs. Instinktiv versteifte er sich. Eine Gestalt mit kurzem Fell, die einen Lendenschurz trug und einen riesigen Speer in der Faust hielt, blieb stehen und blickte auf den Nachtelf hinab. Der Riese stieß seinen Atem schnaubend durch gewaltige Nasenlöcher aus. Der Ring, den er darin trug, bewegte sich bei jedem Atemzug. Seine Schnauze war mehr als unterarmlang, seine schwarzen Augen lagen tief in den Höhlen und leuchteten entschlossen. Über der faltigen Stirn lagen zwei gebogene Hörner, deren Spitzen über die Schnauze hinweg nach vorne zeigten.

Ein Taure.

»Das ist …«, begann Rhonin.

»Wisse, dass Huln Highmountain vor dir steht, Nachtelf«, knurrte das stierköpfige Wesen. »Huln vom Speer des Adlers.« Er hob seine Waffe, dessen Ende wie der Schnabel eines Greifvogels geformt war. Von der Metallspitze bis zum stumpfen Ende war der Speer eng mit Leder ummantelt worden, auf dem man die Zeichen von Hulns Volk sah. Malfurion wusste ein paar Dinge über die Tauren und erkannte daher, dass die Zeichen die Geschichte der Waffe beschrieben, von ihrer Herstellung bis hin zu den epischen Heldentaten ihrer Besitzer.

»Huln, der für alle versammelten Stämme spricht«, sagte der Stier. Sein knappes Nicken unterstrich seine Worte. In dem Fell unter seinem Kinn hingen mehr als zwei Dutzend Perlen. Jede stand für einen in der Schlacht getöteten Feind.

Die breite muskulöse Gestalt, die bis zum Unterarm des Tauren reichte, schnaubte. Seine Gesichtszüge ließen ihn wie einen Verwandten Rhonins wirken. Damit endeten die Ähnlichkeiten jedoch. Sein Körper wirkte eher, als habe jemand einen Kriegshammer genommen und die bärtige Gestalt zurecht gestutzt.

Bemerkenswert war vor allem, dass das Wesen aus Stein bestand, nicht aus Fleisch.

Seine raue Haut schien aus grauem Granit geformt zu sein, seine kleinen Augen waren blitzende Diamanten. Der Bart bestand aus feinen Mineralienfäden, die aussahen, als sei das Wesen bereits ergraut.

Der Zwerg – denn um einen solchen handelte es sich – griff in eine seiner zahlreichen Gürteltaschen und zog eine Tonpfeife samt Zubehör heraus. Während er die Pfeife entzündete, wurde sein faltiges Gesicht, vor allem die große runde Nase, von der Flamme erhellt. Ob die grauen Strähnen in seinem Bart wirklich etwas mit seinem Alter zu tun hatten, ließ sich nicht erkennen. Der Zwerg bestand zwar aus Stein, trug jedoch eine Robe mit Kapuze, flache Stiefel, Hemd und Hose. Er wirkte wie ein Bergmann. Auf seinem Rücken hing eine scharf geschliffene Axt, fast so groß wie er selbst.