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Krasus hatte trotz allem, was er Rhonin gepredigt hatte, versucht, die Zukunft seiner Welt zu verändern. Er hatte gehofft, er könne die Nester retten und an einen sicheren Ort bringen. Doch der ständige Kampf gegen die Dämonen und die lästigen Auseinandersetzungen mit uneinsichtigen Nachtelfen hatten ihn zu lange aufgehalten.

Oder? Hoffnungsvoll betrachtete Krasus ein halb entwickeltes Ei. Er spürte das Leben darin. Es war keine starke Aura, aber mit ein wenig Wärme würde es sich erholen.

Er überprüfte ein weiteres und kam zu dem gleichen Ergebnis. Die Eier, die er danach untersuchte, enthielten jedoch kein Leben mehr. Er biss die Zähne zusammen und eilte zum nächsten Nest.

Er entdeckte vier weitere gesunde Eier, legte den Finger auf jedes einzelne und markierte sie mit einem leichten goldenen Leuchten, dann setzte er seine Suche fort.

Am Ende hatte er weit weniger lebende Eier gefunden, als er gehofft, aber mehr, als er befürchtet hatte. Der Drachenmagier betrachtete jene, die er markiert hatte. Ihr Leuchten ließ sie aus den anderen in der gewaltigen Höhle herausragen. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass es keine weiteren gab. Jetzt musste er dafür sorgen, dass sie nicht ebenso starben wie der Rest.

Die anderen Drachen, sogar seine geliebte Alexstrasza, waren für seine Sinne unsichtbar. Er nahm an, dass sie sich irgendwo verbargen, um sich von der schrecklichen Macht der Dämonenseele zu erholen. Seine Erinnerungen an diese Zeitperiode waren lückenhaft. Das war das Ergebnis seiner Reise und seiner Verletzungen. Die anderen Clans würden schließlich den Kampf wieder aufnehmen, aber für Malygos’ Volk kam jede Hilfe zu spät. Sogar sein jüngeres Ich war unauffindbar. Korialstrasz, der bei seinem heldenhaften Kampf gegen Neltharion schwer verletzt worden war, hatte sich aufgemacht, um nach den anderen Drachen zu suchen.

Also musste Krasus seine Entscheidung allein treffen. Bevor er zu Malygos’ Nest aufgebrochen war, hatte er über einen sicheren Ort für die Dracheneier nachgedacht. Doch keiner stellte ihn zufrieden. Sogar die Lichtung des Halbgottes Cenarius hatte seinem prüfenden Blick nicht genügt. Die gehörnte Gottheit war zwar der Mentor von Malfurion Stormrage und wahrscheinlich ein Kind des Drachen Ysera, aber Krasus wusste, dass Cenarius sich um zu viele Dinge gleichzeitig kümmern musste.

»So soll es sein«, murmelte der Zauberer.

Mit dem Finger malte er einen Kreis in die Luft. Goldene Funken markierten die Spur, die sein Finger hinterließ. Der Kreis war perfekt und sah aus, als habe man ihn aus der Luft herausgeschnitten.

Der Magier berührte ihn in der Mitte mit den Fingerspitzen und entfernte den Kreis. Eine weiße Lücke erschien vor ihm, bot einen Weg aus der Welt der Sterblichen.

Krasus flüsterte Worte. Der Rand des Kreises leuchtete rot auf. Etwas stöhnte im Inneren. Kleine Steine rollten auf die Lücke zu. Krasus murmelte andere Worte. Die Lücke begann stärker zu saugen, doch die Steine blieben liegen. Statt dessen begannen die Eier zu zittern. Sogar in denen, die kalt und tot war, schien sich etwas zu regen.

Doch das stimmte nicht. Eines der lebendigen Eier, das sich neben Krasus’ Schöpfung befand, wurde angehoben. Langsam flog es auf die Lücke zu. Ein zweites, ebenfalls markiertes Ei folgte ihm, dann verließ auch der Rest die Nester. Die toten Eier zitterten weiter, schwebten aber nicht auf die Lücke zu.

Krasus beobachtete, wie die Zukunft von Malygos’ Clan langsam in das Loch eindrang.

Jedes Ei, das sich der Lücke näherte, schrumpfte, bis es hinein passte. Nach und nach verschwanden Krasus’ wichtige Fundstücke in der weißen Öffnung.

Als auch das letzte hinein geflogen war, versiegelte der Magier die Öffnung. Eine Sekunde lang glomm noch ein goldener Funke, dann verschwand die Lücke spurlos.

»Genug zum Überleben, aber nicht mehr«, murmelte Krasus. Es würde Jahrhunderte dauern, bis die Blauen die Verluste überwunden hatten. Selbst wenn jedes Ei ausgebrütet wurde, würde es auch in der Zeitperiode, aus der er stammte, nicht viele blaue Drachen geben.

Aber wenige waren besser als keine.

Krasus taumelte, als Schwindel und Erschöpfung ihn überkamen. Beinahe wäre er gestürzt. Er hatte die Ursachen der Krankheit, die ihn seit seiner Ankunft in der Vergangenheit quälte, zwar fast ergründet – er und sein jüngeres Ich teilten sich die gemeinsame Lebenskraft –, aber es gab immer noch Überraschungen.

Doch ausruhen konnte er sich nicht. Die Eier waren in Sicherheit, befanden sich in einem winzigen Universum, in dem die Zeit so langsam lief, dass sie keine Rolle spielte. Sie würden so lange dort bleiben, bis er sie jemandem übergeben konnte, dem er vertraute … vorausgesetzt, er überlebte den Krieg.

Der Gedanke an den Krieg brachte Krasus’ Stärke zurück. Er setzte zwar große Hoffnungen in Rhonin und Malfurion, doch der Ausgang des Kampfes war alles andere als klar. Die Zeitlinie hatte sich verändert. Es war möglich, dass die Brennende Legion, die den Krieg einst verloren hatte, ihn dieses Mal gewann. Nun, da Krasus seine eigene Veränderung der Zeitlinie abgeschlossen hatte, musste er die Nachtelfen und die anderen mit aller Kraft unterstützen. Es musste eine Zukunft geben.

Krasus wob langsam den Zauber, der ihn zurückbringen würde und betrachtete währenddessen die toten Eier.

So würde die Zukunft aussehen, wenn die Dämonen siegten: kalt, dunkel, leblos. Eine Ewigkeit vollkommener Leere.

Der Drachenmagier stieß ein lautes Zischen aus und verschwand.

2

Zin-Azshari. Einst hatte die Stadt am Rand des Brunnens als Höhepunkt nachtelfischer Baukunst gegolten. Sie war die Heimat von Azshara, ihrer geliebten Königin. Ihr zu Ehren hatten die Nachtelfen ihre Hauptstadt sogar umbenannt.

Doch heute bestand Zin-Azshari nur noch aus Ruinen. Hier hatte die Brennende Legion ihre Invasion begonnen.

Wölfische Teufelsbestien trotteten durch die Trümmerberge und suchten nach den unverwechselbaren Spuren von Leben und Magie. Die beiden Tentakel, die sich oberhalb ihrer Schultern befanden, zuckten umher, als seien sie von einem eigenen Willen beseelt. Die zahnbewehrten Saugnäpfe an ihren Enden öffneten und schlossen sich hungrig. Teufelsbestien liebten es, einem Magier die Lebensenergie und Magie auszusaugen, doch die spitzen Zahnreihen in den Mäulern verrieten, dass sie auch Fleisch nicht verachteten.

Zwei der Dämonenhunde, die in den Ruinen eines fünfstöckigen Baumhauses umherschnüffelten, hoben den Kopf, als sie das Geräusch marschierender Soldaten und das Klappern von Metall hörten. Reihe um Reihe zogen die Krieger an ihnen vorbei. Ihr Ziel war die Nachtelfen-Armee, einige Tagesmärsche entfernt. Die Teufelswachen bildeten das Rückgrat der Invasoren. Von ihrer Art gab es mehr als von allen anderen zusammen genommen. Sie waren mehr als drei Meter groß, hatten breite Schultern, aber seltsam schlanke, fast schon dürre Hüften. Geschwungene Hörner ragten aus ihren fleischlosen Schädeln. Aus blutroten Augen beobachteten sie misstrauisch die zerstörte Landschaft. Sie marschierten zwar diszipliniert, aber ihre Ungeduld war deutlich spürbar, denn die Teufelswachen lebten für den Kampf. Ab und zu pöbelte ein Krieger einen anderen an, doch Schlägereien blieben aus. Dafür sorgten die Peitschen der geflügelten Verdammniswachen, die über den Regimentern schwebten. Sie waren etwas größer als ihre Brüder am Boden, unterschieden sich sonst von ihnen aber nur durch ihre höhere Intelligenz und geringere Zahl.