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Rhonin kniete am Ufer des Meeres, das er als Denkmal für den Orc betrachtete, denn ohne dessen Tat wäre es nie entstanden – wäre Sargeras nicht aufgehalten worden, sondern hätte das Portal durchschritten und alle getötet.

Hat Brox die Geschichte wieder auf den richtigen Weg gebracht, oder war er von Anfang an Teil von ihr?, fragte sich Rhonin. Nozdormu kannte die Antwort vielleicht, aber der Aspekt der Zeit würde niemandem etwas darüber verraten. Sogar über seinen eigenen Beitrag sprach er nie, deutete nur an, dass die Drei eine Rolle gespielt hätten. Ohne das Portal ging auch von ihnen keine Gefahr mehr aus.

Der Zauberer stand auf und betrachtete das Treibgut, das dem Strand entgegen schwappte. Es handelte sich hauptsächlich um Pflanzenteile, aber auch um Trümmer aus dem Reich der Nachtelfen. Kleidungsreste, Möbelteile, verrottende Nahrung und gelegentlich sogar Leichen. Zum Glück hatte Rhonin noch nicht viele gesehen und noch keine an dieser Stelle. Jarod ließ Soldaten am Strand patrouillieren. Sie sammelten die Leichen ein und gaben ihnen ein schnelles, aber ordentliches Begräbnis. Das war nicht nur ein Akt des Anstands, sondern diente auch der Sicherheit. Die Toten stellten ein Gesundheitsrisiko dar, eine Sorge, die die Flüchtlinge beschäftigte.

Etwas trieb an dem Zauberer vorbei. Es tanzte auf den seichten Wellen, bevor es in den Sand sank. Rhonin hätte sich kaum darum gekümmert, wenn er nicht etwas Ungewöhnliches wahrgenommen hatte. Der Gegenstand trug Magie in sich.

Er watete ins Wasser und beugte sich vor.

Brox’ Axt.

Ein Irrtum war ausgeschlossen. Rhonin hatte die erstaunliche Waffe schon oft genug in Aktion erlebt. Trotz der enormen Größe passte sich die Axt seinem Griff an und war leicht wie eine Feder. Sie fühlte sich noch nicht einmal nass an.

»Das kann nicht sein«, murmelte er und warf einen misstrauischen Blick hinaus aufs Meer.

Aber kein Geist tauchte aus den Fluten auf, um ihm eine Erklärung für diesen erstaunlichen Fund zu geben. Der Zauberer blickte auf die Axt, dann auf das Meer, dann wieder auf die Axt.

Schließlich richtete sich Rhonins Blick in die Richtung, wo das verschwundene Portal gelegen hatte. Vor seinem geistigen Auge sah er Brox, der auf einem Berg getöteter Dämonen stand und die restlichen angriffslustig provozierte.

Der Zauberer hob die Axt so hoch er es vermochte. Aus seiner eigenen Zeit wusste er, dass Orcs so ihre gefallenen Helden grüßten. Dreimal hob Rhonin die Axt, bevor er sie langsam wieder sinken ließ.

»Ich werde deine Lieder singen«, flüsterte er. Der Zauberer hatte nicht vergessen, was Brox ihm und Krasus gesagt hatte. »Generationen werden deine Lieder singen. Dafür werden wir sorgen.«

Er schulterte die Axt und ging los, um Krasus zu suchen.

22

Illidan stieg ab. Seine verhüllten Augen durchkämmten den dichten Wald nach Bedrohungen. Selbst wenn er dort eine Gefahr entdeckt hätte, wären seine Fähigkeiten zweifellos ausreichend gewesen, um damit zurechtzukommen. Der Brunnen war zwar versiegt, aber das, was Illidan von Rhonin und der Brennenden Legion gelernt hatte, glich diesen Verlust zum größten Teil aus. Abgesehen davon würden Bedenken dieser Art schon in wenigen Minuten keine Rolle mehr spielen.

Der Zauberer band sein Reittier an einem Baum fest. Jarod Shadowsong und die anderen Offiziere der Streitmacht diskutierten über so profane Dinge wie Nahrung und Unterkünfte. Illidan interessierte sich nicht dafür. Er war aus einem wesentlich wichtigeren Grund an diesen Ort gekommen, einem Grund, der alles andere zur Nichtigkeit verblassen ließ.

Er wollte die Essenz der Nachtelfen bergen.

Malfurions Zwilling hielt jeden für naiv, der nicht an eine Rückkehr der Dämonen glaubte. Die Brennende Legion hatte sich bereits einmal an Kalimdor gelabt. Sie würde alles für einen zweiten Bissen tun. Doch das nächste Mal würde sie noch brutaler und grausamer zuschlagen, davon war er überzeugt.

Illidan wollte bereit sein, wenn diese zweite Invasion erfolgte.

Der tiefblaue See, der sich auf dem höchsten Gipfel des Hyjals befand, hatte den Krieg überdauert. Weder die Verteidiger, noch die Dämonen hatten ihn entdeckt. In seiner Mitte lag eine grüne, idyllische Insel. Illidan hielt es für Schicksal, dass er den See als Erster entdeckt hatte. Das Gewässer war perfekt für seine Bedürfnisse geeignet.

Er berührte die Gürteltasche an seiner Hüfte. Ihr wertvoller Inhalt lockte ihn mit einem Sirenenlied, das ihm immer wieder versicherte, er habe die richtige Entscheidung getroffen. Sein Volk würde ihn mit Dankbarkeit und Huldigungen überschütten, und er würde zu einem der größten Helden aller Zeiten aufsteigen, vielleicht sogar Malfurion überragen.

Malfurion … sein Zwilling wurde verehrt, als habe er ganz allein die Welt gerettet. Die Nachtelfen erkannten auch Illidan an, aber die meisten verstanden nicht, was er versucht hatte. Gerüchteweise hieß es, er wäre tatsächlich zu den Dämonen übergelaufen und sei nur durch seinen Bruder vor der ewigen Verdammnis bewahrt worden. Illidans Kampf blieb unbeachtet. Seine Augen – seine fantastischen Augen – waren für die meisten nur ein weiterer Beweis für seinen angeblichen Pakt mit dem Herrn der Legion.

Sein ach so perfekter Bruder sprach öffentlich zwar sehr freundlich über ihn, aber das steigerte Malfurions Beliebtheit nur noch weiter. Selbst das Geweih, das sich auf seiner Stirn gebildet hatte, schreckte die Nachtelfen nicht ab. Sie sahen darin ein göttliches Zeichen, so als wäre Malfurion bereits einer der Halbgötter … einer der Halbgötter, die so schnell in jener Schlacht umgekommen waren, die ein Illidan problemlos überlebt hatte …

Alles wird sich ändern, dachte er nicht zum ersten Mal. Sie werden erkennen, was ich getan habe … und mir tausendfach danken.

Aufgeregt und voller Erwartung öffnete der Zauberer die Tasche und zog die gleiche Phiole heraus, die er Tyrande gezeigt hatte. Nicht nur die Phiole war die gleiche, auch der Inhalt war identisch.

Der Brunnen der Ewigkeit war verschwunden, aber Illidan Stormrage hatte einen kleinen Teil davon für sich gerettet.

Es wird funktionieren, das weiß ich. Er hatte die bemerkenswerten Eigenschaften des Brunnens am eigenen Leib erfahren. Auch diese winzige Menge würde für das, was er plante, ausreichen. Der Verschluss, wie Königin Azshara geformt, tanzte für ihn. Der Nachtelf zog ihn aus der Phiole und ließ ihn ins Gras fallen. Dann hielt er die Phiole über den See.

Und schüttete den Inhalt hinein.

Der See begann dort, wo ihn die Tropfen berührten, zu glänzen und zu leuchten. Das ruhige Blau verschwand. Die Veränderung dehnte sich aus, erreichte die Insel und glitt darüber hinweg. Innerhalb weniger Sekunden gewann der See eine blaue, magische Aura.

Illidans geschulte Sinne nahmen die Veränderung als wahrhaft atemberaubendes Spektakel wahr. Er hatte eine Neuerschaffung des Brunnens erwartet, doch was er hier sah, war faszinierend.

Und doch erst der Anfang.

Er griff in seine Tasche und zog eine zweite Phiole hervor.

Dieses Mal zog er ohne zu zögern den Verschluss aus der Flasche und schüttete den Inhalt in den See. Die blaue Aura nahm an Intensität zu. Blitze aus reiner Energie zuckten über die Wasseroberfläche. Illidan fühlte eine wunderbare Wärme, wie er sie seit der Zerstörung des Brunnens nicht mehr wahrgenommen hatte.

Seine Lippen öffneten sich. Er wollte sich in den See werfen, riss sich aber zusammen. Seine Hand tastete nach der Tasche.

Was würde wohl eine dritte Phiole ausrichten?

Er zog den Verschluss heraus …

»Was im Namen von Mutter Mond tust du hier?«

Illidan hatte sich so sehr auf seine Aufgabe konzentriert, dass er nicht die Ankunft anderer Nachtelfen bemerkt hatte. Erschrocken fuhr er herum, die Phiole immer noch in der Hand. Vor ihm stand eine Gruppe Berittener. Jarod Shadowsong führte sie an.

»Captain …«, begann der Zauberer.

Einer der Hochgeborenen blickte an Illidan vorbei. »Er hat den See verändert.« Sein Gesichtsausdruck wurde bewundernd. »Der See fühlt sich wie der Brunnen an …«