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»Möge Elune uns beschützen!«, bellte ein Adliger, der neben Jarod ritt. »Er erschafft ihn neu!«

Der Kommandant stieg ab. »Illidan Stormrage, hör sofort damit auf! Wenn dein Bruder nicht …«

»Mein Bruder …« Eine schreckliche Wut stieg in dem Magier auf. Die Nähe zum See steigerte sie. Kraft durchfloss ihn, so wie früher. Nichts konnte ihn aufhalten. »Mein unfehlbarer Bruder …«

Die anderen folgten Jarod Shadowsongs Beispiel und stiegen ab. Ihre angespannten Gesichter machten Illidan nervös. Sie wollten ihn von der Macht des Sees trennen. Er blickte zu den Hochgeborenen und stellte sich vor, wie sie diese Macht für sich beanspruchen würden …

»Nein …«

Einer der Nachtelfen zögerte. »Bei Elune! Was hat er nur für Augen, die selbst unter einem Schal leuchten?«

Illidan starrte den Hochgeborenen an.

Deren Anführer hob die Hand, um sich zu verteidigen. »Vorsicht …«

Flammen schlugen rund um die Zauberer hoch. Sie schrien.

Jarod und die anderen Adligen griffen ihn an. Jarod quittierte diese lächerliche Attacke mit einem herablassenden Schnauben und einer Geste.

Der Boden unter ihren Füßen explodierte. Jarod wurde zurückgeworfen. Blackforest, der Anführer der Adligen, wirbelte durch die Luft und prallte mit lautem Krachen gegen einen Baum.

»Ihr Narren! Ihr …«

Illidans Füße sanken plötzlich im Boden ein. Er sah nach unten. Äste legten sich um seinen Körper, banden seine Arme und Beine zusammen. Illidan versuchte zu sprechen, aber sein Mund war voller Laub. Der Zauberer konnte sich noch nicht einmal konzentrierten, denn in seinen Ohren summte es, als Schwärmten tausend Insekten durch seine Gehörgänge.

Illidan brach keuchend in die Knie. Durch das Summen glaubte er zu hören, dass sich jemand näherte. Und er wusste ohne jeden Zweifel, um wen es sich dabei handelte.

»Ach, Illidan …« Malfurions Stimme klang trotz der Störgeräusche laut und klar. »Illidan … warum?«

Der Druide blickte auf den See hinaus, dessen blaue Aura verriet, dass er verseucht worden war. Niemand konnte jetzt noch daraus trinken. Wie schon der Brunnen der Ewigkeit war er zu einer Quelle der Macht geworden, nicht des Lebens.

»Ach, Illidan …«, wiederholte er mit einem Blick auf seinen gefesselten Zwilling.

»Dath’Remar lebt noch«, erklärte Tyrande, die neben dem Hochgeborenen kniete. »Ein zweiter Zauberer hat ebenfalls überlebt, die anderen sind tot.« Sie erschauderte. »Sie sind in ihrer eigenen Haut verbrannt.«

Malfurion hatte nur mit den Drachen und Krasus hierher kommen wollen, aber ebenso wie der Druide hatte die Priesterin gespürt, dass Illidan etwas plante. Zusammen mit einigen Priesterinnen war sie den Drachen gefolgt, aber leider zu spät eingetroffen.

Ebenso wie Malfurion.

»Lord Blackforest ist tot. Ich glaube, die anderen werden es schaffen«, verkündete eine andere Priesterin.

»Mein Bruder lebt«, sagte Maiev mühsam. Sie und Shandris kümmerten sich um den bewusstlosen Jarod. Sein Gesicht war verquollen, seine Rüstung noch mitgenommener als vorher. Getrocknetes Blut bedeckte mehrere Wunden, die dank der Gebete der Priesterinnen bereits heilten.

Jarods Schwester erhob sich mit einem schrecklich finster blickenden Gesicht. Sie ging auf Illidan zu und zog ihre Waffe.

»Nein, Maiev!«, befahl Tyrande.

»Er wollte meinen Bruder ermorden!«

Die Hohepriesterin trat neben sie. »Doch das ist ihm nicht gelungen. Du wirst über sein Schicksal nicht bestimmen. Das ist Jarods Aufgabe.« Sie sah Malfurion an. »So ist es doch?«

Er nickte traurig. »Es ist sein Recht, und ich werde nichts dagegen unternehmen.« Der Druide schüttelte den Kopf. »Deshalb blieb er also am Rand des Brunnens …«

»Ich wusste nicht, dass er noch mehr geschöpft hatte«, sagte Tyrande entschuldigend.

Malfurion überkam eine plötzliche Ahnung, und er ging neben seinem Bruder in die Knie. Dessen Atem ging regelmäßig, aber er spannte sich an, als er Malfurions Nähe spürte. Der Druide griff in die Gürteltasche.

»Vier weitere Phiolen … Er hätte den See in einen neuen Brunnen verwandelt.«

»Kann man etwas gegen die Veränderung unternehmen?« Krasus war im Hintergrund geblieben und hatte die Ereignisse beobachtet. Jetzt meldete er sich zu Wort. »Nein … nichts. Was geschehen ist, kann man nicht ungeschehen machen.«

Alexstrasza fügte jedoch hinzu: »Aber wir können dafür sorgen, dass er eine andere Kraft enthält. Eine, die sich nicht so manipulieren lässt wie die des Brunnens.« Die Augen des Magiers weiteten sich. »Ja, natürlich!« Malfurion verließ seinen Bruder. »Und was wäre das?« Die drei Drachen sahen einander an und nickten zustimmend. Alexstrasza wandte sich wieder an die Nachtelfen. »Wir werden einen Baum pflanzen.«

»Einen Baum?« Der Druide sah Krasus an und hoffte auf eine Erklärung.

Doch der Magier sagte nur ruhig. »Nicht irgendeinen, sondern den Baum.«

Es wurde eine Zeremonie, die auch Illidans schreckliche Taten abmildern sollte. Den Zauberer brachte man weg, um weitere Zwischenfälle zu vermeiden. Jarods Schwester erklärte sich bereit, ihn zu bewachen, bis sein Schicksal beschlossen war. Jarod, den Shandris und Maiev geheilt hatten, bestand darauf, diese Entscheidung gemeinsam mit Malfurion zu fällen, sobald die Zeit reif war.

Abgesehen von Krasus, Rhonin und den Drachen nahmen nur Nachtelfen an der Zeremonie teil. Das Geschenk der Aspekte war nur für ihr Volk gedacht, das so sehr gelitten hatte und mit solcher Sorge in die Zukunft blickte. Adlige, Hochgeborene und die Angehörigen der ehemals niedrigen Kasten hatten sich versammelt. Die anderen Überlebenden waren am Fuß des Berges zurück geblieben. Sie bekamen nichts mit von dem feierlichen Akt, wussten aber, dass er auch ihr weiteres Leben beeinflussen würde.

»Malfurion und die anderen, die man dazu eingeladen hatte, reisten zur Mitte des Sees. Trotz der Höhe des Gipfels war es recht warm, wahrscheinlich eine Nebenwirkung der magischen Aufladung.«

»Er ist wunderschön«, flüsterte Tyrande.

»Wenn das doch nur alles wäre«, antwortete Malfurion düster. Er hatte sich bereits Gedanken über das Schicksal seines Bruders gemacht, und es schmerzte ihn, diese Entscheidung treffen zu müssen. Aber es war klar, dass man Illidan nicht mehr länger vertrauen konnte. In seinem Wahnsinn hatte er andere getötet. Sein Glaube an eine zweite Invasion und die Annahme, dass sich die Nachtelfen nur mit einem neuen Brunnen davor schützen könnten, war keine Rechtfertigung für seine schrecklichen Verbrechen.

Die Nachtelfen waren immer noch Wesen der Dunkelheit, auch wenn sie sich daran gewöhnt hatten, ihre Schlachten bei Tage zu führen. Trotzdem hatten die Drachen und Jarod beschlossen, sich zur Mittagszeit zu treffen. Alexstrasza hatte erklärt, dass die Sonne im Zenit wichtig für ihre Zeremonie sei, und der Nachtelf wollte sich mit den Riesen nicht streiten.

Die Insel war relativ groß, aber auf ihr wuchs nur hohes Gras. In ihrer Mitte stellte sich die Gruppe nach Alexstraszas Anweisungen auf. Die Drachen nahmen eine Position ein, die sich ihren Angaben zufolge genau im Zentrum der Insel befand. Nur eine kleine Lücke blieb zwischen ihnen frei.

Der Aspekt des Lebens eröffnete die Zeremonie. »Kalimdor hat sehr gelitten«, begann Alexstrasza. Die Gruppe nickte. Ernst fuhr sie fort: »Und die Nachtelfen mehr als alle anderen. Euer Volk war an der Katastrophe zwar nicht unbeteiligt, aber der Leidensweg, der hinter euch liegt, gleicht diese Schuld aus.«

Einige warfen den Hochgeborenen unsichere Blicke zu, aber niemand widersprach.

Alexstrasza öffnete ihre Klauen. Auf ihrer Handfläche lag ein Samenkorn, so winzig wie ein Säugling. Malfurion spürte ein Kribbeln, als er es betrachtete.

»Es stammt von G’hanir, dem Mutterbaum«, erklärte die Drachenkönigin.

Der Druide wusste, dass es sich dabei um die Heimat der toten Halbgöttin Aviana handelte.