»Auf dem richtigen Gelände können wir verdammt Furcht einflößend sein«, sagte Brutus so laut, dass ihn alle hören konnten. »Ich habe mir am Ende beinahe ins Hemd gemacht – obwohl ich wusste, dass ihr nur durch uns hindurchreitet! «
Octavians Reiter jubelten bei dem Lob, auch wenn sie es nicht so recht glaubten. Einer von ihnen klopfte Octavian auf die Schulter, als Brutus sich grinsend zu ihnen umdrehte.
»Jetzt werdet ihr mal in den Genuss dieser Erfahrung kommen. Stellt euch in weiten Reihen auf, und ich führe meine Männer den Berg hoch. Haltet eure Pferde nur ja ruhig, wenn wir durchreiten. Dann könnt ihr noch etwas dazulernen.«
Noch immer erregt von dem wilden Angriff, verbarg Octavian seine aufkommende Nervosität hinter einem Grinsen. Brutus stieg ab, um sein Pferd den Berg hinaufzuführen, als er einen einsamen Reiter erblickte, der auf sie zugaloppierte.
»Was das wohl wieder zu bedeuten hat?«, murmelte er.
Der Soldat stieg schwungvoll von seinem Pferd und salutierte vor Brutus.
»Unser Feldherr Cäsar fragt nach dir und Octavian, Herr.« Brutus nickte langsam. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.
»Tatsächlich?« Er drehte sich zu seinen geliebten Extraordinarii um.
»Nun, was wäre geschehen, wenn eure Offiziere schon im ersten Angriff gefallen wären? Wäre dann etwa Chaos ausgebrochen? Macht ohne uns weiter. Ich erwarte einen umfassenden Bericht, wenn ihr zu den Unterkünften zurückkehrt.«
Octavian und Brutus folgten dem Boten, der sein Pferd bereits gewendet hatte. Nach einer Weile hatten sie genug von seinem Schneckentempo und galoppierten an ihm vorbei.
Cabera ließ mit kindlicher Freude die Finger über die blaue Seide gleiten. Beim Anblick der kostbaren Einrichtung, die Servilia für die Goldene Hand per Schiff hatte heranschaffen lassen, konnte er sich zwischen Staunen und Lachen nicht recht entscheiden. Servilias Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, doch er unterbrach sie schon wieder und lief an ihr vorbei, um eine zerbrechliche Statue zu befingern.
»Du verstehst doch«, versuchte sie es mit einem neuen Anlauf, »ich möchte meinen Ruf erhalten, ein sauberes Haus zu führen. Aber einige Soldaten benutzen Kreidepulver, um ihre Ausschläge zu verdecken ...«
»Und das alles nur zum Vergnügen!«, unterbrach sie Cabera erneut und zwinkerte ihr viel sagend zu. »An einem solchen Ort möchte ich einmal sterben.« Stirnrunzelnd sah sie zu, wie er sich einer Grube mit Seidenkissen näherte, die im Fußboden eingelassen war. Um Erlaubnis fragend sah er sie an, doch Servilia schüttelte bestimmt den Kopf.
»Julius sagte, du weißt sehr viel über Hautkrankheiten. Ich würde dich gut dafür bezahlen, wenn du meinem Hause zu Diensten wärst.« Wieder war sie gezwungen, ihre Rede zu unterbrechen, als der alte Mann in den Kissenberg hineinsprang und dann kichernd darin herumstrampelte.
»Die Arbeit ist nicht besonders schwer«, fuhr Servilia unbeirrt fort. »Meine Mädchen erkennen ein Problem sofort, wenn sie es sehen. Aber wenn es Streit gibt, brauche ich jemanden, der den ... fraglichen Mann untersucht. Es wäre ja nur so lange, bis ich einen passenden Arzt hier in der Stadt gefunden habe.« Verwundert sah sie zu, wie Cabera in den Kissen herumkugelte.
»Ich zahle fünf Sesterze pro Monat«, sagte sie.
»Fünfzehn«, sagte Cabera, plötzlich wieder ernst geworden. Als sie ihn verblüfft anblinzelte, strich er sein altes Gewand mit schnellen sorgfältigen Strichen wieder glatt.
»Ich gehe nicht höher als zehn, alter Mann. Für fünfzehn bekomme ich einen Arzt vor Ort, einen, der hier einzieht.«
Cabera schnaubte verächtlich. »Die haben keine Ahnung. Außerdem würdest du dadurch einen Raum verlieren. Zwölf Sesterze. Aber mit Schwangerschaften habe ich nichts zu schaffen, dafür musst du dir jemand anderen suchen.«
»Ich führe doch kein Hinterhofbordell«, schnappte Servilia beleidigt. »Meine Mädchen achten auf den Mond, wie jede andere Frau auch. Und falls sie doch schwanger werden, zahle ich sie aus. Die meisten kommen wieder zu mir zurück, wenn das Kind erst einmal entwöhnt ist. Zehn ist mein letztes Angebot.«
»Jedem anderen ist es gut und gern zwölf Silberstücke wert, wenn einer die halbverwesten Körperteile der Soldaten untersucht«, erwiderte Cabera unbekümmert. »Außerdem möchte ich ein paar von diesen Kissen haben.«
Servilia biss die Zähne zusammen und gab sich geschlagen. »Die kosten mehr als deine Dienste, alter Mann. Aber gut! Dann eben zwölf. Und die Kissen bleiben hier!«
Cabera klatschte vergnügt in die Hände. »Dann gibt es jetzt eine Vorauszahlung für den ersten Monat und ein Glas Wein, um die Abmachung zu besiegeln, oder?«, sagte er.
Gerade als Servilia den Mund zu einer Antwort öffnete, vernahm sie hinter sich ein dezentes Räuspern. Es war Nadia, eine der Neuen, die sie ins Haus gebracht hatte. Der Blick aus ihren mit Khol ummalten Augen war ebenso hart wie ihr Körper weich war.
»Herrin, ein Bote von der Legion steht an der Tür.«
»Bring ihn zu mir, Nadia«, sagte Servilia und zwang sich zu einem Lächeln. Als die Frau verschwunden war, drehte sie sich wieder zu Cabera um.
»Jetzt aber raus da. Ich lasse mich von dir doch nicht lächerlich machen.«
Cabera hangelte sich aus der mit Seidenkissen gefüllten Grube, doch als sie sich umdrehte, um den Boten zu begrüßen, ließ er schnell eines der Kissen unter seinem Gewand verschwinden.
Der Mann hatte einen hochroten Kopf, und an Nadias Grinsen hinter seinem Rücken konnte Servilia sehen, dass sie wohl mit ihm geredet hatte.
»Herrin, Cäsar beordert dich zu den Unterkünften.« Seine Augen schwangen zu Cabera herum. »Dich auch, Heiler. Ich werde euch begleiten. Die Pferde stehen draußen bereit.«
Servilia strich sich nachdenklich mit dem Finger über den Mundwinkel und ignorierte den Blick, mit dem der Bote sie ansah.
»Wird mein Sohn auch da sein?«, fragte sie schließlich.
Der Bote nickte. »Alle sind einberufen, Herrin. Ich muss nur noch Zenturio Domitius finden.«
»Das ist einfach. Er ist oben«, sagte sie und sah interessiert zu, wie dem Mann die Schamesröte vom Gesicht bis zum Hals hinunter in die Tunika kroch. Sie spürte beinahe die Hitze, die er ausstrahlte.
»An deiner Stelle würde ich ihm vielleicht noch einen kleinen Moment gewähren«, sagte sie verschmitzt.
Nach und nach nahmen sie alle in dem langen Zimmer mit Blick
über den Hof Platz. Jeder verspürte einen Anflug von Erregung, wenn sie einander in die Augen schauten. Julius stand neben dem Fenster und beherrschte den Raum, während er noch auf die letzten Nachzügler wartete. Eine leichte Brise wehte von den Bergen herab und durchzog den Raum angenehm kühl; dennoch war die ungewisse Spannung, die in der Luft lag, schon beinahe qualvoll geworden. Octavian lachte nervös auf, als Cabera ein Seidenkissen unter seinem Gewand hervorzog, und Renius hielt seinen Weinbecher viel zu fest umklammert.
Als die Wache die Tür schloss und nach unten ging, stürzte Brutus seinen Wein mit einem großen Schluck hinunter und grinste dann. »Und? Sagst du uns denn jetzt endlich, warum wir uns hier alle versammelt haben, Julius?«
Alle sahen den vor ihnen stehenden Mann gespannt an. Die vertraute Abgespanntheit in seinen Zügen war verschwunden. Er stand straff und aufrecht in seiner frisch geölten Rüstung vor ihnen.
»Meine Herren. Servilia. Wir haben unsere Aufgabe hier beendet. Es wird Zeit, nach Hause zurückzukehren«, sagte er unvermittelt.
Einen Augenblick lang herrschte komplette Stille. Dann schreckte Servilia zusammen, als alle um sie herum zu jubeln und zu lachen begannen.
»Darauf trinke ich«, rief Renius und leerte seinen Becher in einem Zug.