Ich kam an einem Hotel vorbei, ging rein und fragte nach einem Zimmer. Als ich mit dem Schlüssel die Treppe hinaufging, sah ich den vermeintlichen Araber unten hereinkommen. Dann bemerkte ich im Flur noch andere Personen, die Araber sein konnten. Natürlich, in dieser Gegend gab es nur Hotels für Araber. Was hatte ich denn erwartet?
Ich trat in das Zimmer. Es war anständig, es gab sogar ein Telefon, nur schade, dass ich beim besten Willen nicht wusste, wenn ich anrufen sollte.
Ich legte mich auf das Bett und versuchte ein bisschen zu schlafen. Um drei stand ich auf, wusch mir das Gesicht und machte mich auf den Weg zum Conservatoire. Jetzt blieb mir nichts anderes mehr übrig, als ins Museum zu gehen, mir dort ein Versteck zu suchen und zu warten, dass es Mitternacht wurde.
So tat ich es. Und so fand ich mich ein paar Stunden vor Mitternacht im Periskop, um auf etwas zu warten.
Nezach ist für einige Interpreten die Sefirah der Ausdauer, des Ertragens, der beharrlichen Geduld. Und in der Tat erwartete uns eine Prüfung. Doch für andere Interpreten ist Nezach die Überwindung, der Sieg. Wessen Sieg? Vielleicht war in dieser Geschichte von lauter Besiegten — die Diaboliker genarrt von Belbo, Belbo genarrt von den Diabolikern, Diotallevi genarrt von seinen Zellen — im Augenblick ich der einzige Sieger. Ich lag im Periskop auf der Lauer, ich wusste von den andern, und sie wussten nicht von mir. Der erste Teil meines Plans war nach Plan gelaufen.
Und der zweite? Würde er nach meinem Plan laufen oder nach dem Großen Plan, der nun nicht mehr der meine war?
8. Hod
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For our Ordinances and Rites: We have two very long and faire Galleries in the Temple of the Rosie Cross; In one of these we place patterns and samples of all manners of the more rare and excellent inventions; In the other we place the Statues of all principal Inventours.
(Für unsere Zeremonien und Riten: Wir haben zwei sehr lange und schöne Galerien im Tempel des Rosenkreuzes; in die eine tun wir Modelle und Exempel aller Arten der eher seltenen und exzellenten Erfindungen; in die andere stellen wir die Standbilder aller bedeutenden Erfinder.)
John Heydon, The English Physitians Guide: Or A Holy Guide, London, Ferris, 1662, Vorwort
Ich war seit zu vielen Stunden im Periskop gewesen. Es mochte zehn Uhr sein oder halb elf. Wenn etwas geschehen musste, würde es in der Kirche geschehen, vor dem Pendel. Also musste ich jetzt hinuntergehen, um mir ein Refugium zu suchen, einen Beobachtungsposten. Wenn ich zu spät kam, nachdem sie bereits hereingekommen waren (von wo?), würden sie mich bemerken.
Hinuntergehen. Mich bewegen... Seit Stunden wünschte ich mir nichts anderes, aber jetzt, wo ich es konnte und es Zeit wurde, fühlte ich mich wie gelähmt Ich musste die Säle im Dunkeln durchqueren, ohne die Taschenlampe mehr als unbedingt nötig anzuknipsen. Wenig Nachtlicht drang durch die hohen Fenster, wenn ich mir ein gespenstisch im Mondschein liegendes Museum vorgestellt hatte, hatte ich mich getäuscht. Die Vitrinen empfingen undeutliche Reflexe von den Fenstern. Wenn ich mich nicht vorsichtig bewegte, konnte ich leicht etwas umstoßen, so dass es klirrend oder metallisch scheppernd am Boden zerbrach. Immer wieder knipste ich die Lampe an. Ich kam mir vor wie im Crazy Horse, da und dort enthüllte der Lichtstrahl mir eine Nudität, nur war sie nicht aus Fleisch und Bein, sondern aus Schrauben, Nieten und Bolzen.
Und wenn der Lichtstrahl nun plötzlich auf ein lebendiges Wesen fiele, auf ein Gesicht einen Abgesandten der Herren, der spiegelbildlich meinen Gang wiederholte? Wer würde zuerst aufschreien? Ich spitzte die Ohren. Wozu? Ich machte keinen Lärm, ich ging lautlos, auf Zehenspitzen. Also auch er.
Am Nachmittag hatte ich mir die Lage der Säle genau eingeprägt, ich war überzeugt, die große Treppe auch im Dunkeln zu finden. Statt dessen irrte ich nun beinahe tastend umher und hatte die Orientierung verloren.
Vielleicht durchquerte ich manche Säle bereits zum zweiten Mal, vielleicht würde ich nie wieder hier herausfinden, vielleicht war dies, genau dieses Umherirren zwischen sinnlosen Maschinen, gerade der Ritus.
In Wahrheit wollte ich nicht hinuntergehen, in Wahrheit wollte ich die Begegnung hinauszögern.
Ich hatte das Periskop nach einer langen und gnadenlosen Gewissenserforschung verlassen, stundenlang hatte ich unsere Fehler der letzten Jahre hin und her bedacht, um mir klar zu werden, warum ich hier ohne vernünftigen Grund auf der Suche nach Belbo war, den es aus noch weniger vernünftigen Gründen hierher verschlagen hatte. Doch kaum hatte ich einen Fuß aus dem Periskop hinausgesetzt, war alles anders geworden. Während ich mich durch das Dunkel tastete, dachte ich mit dem Kopf eines anderen. Ich war Belbo geworden. Und wie Belbo am Ende seiner langen Reise zur Erleuchtung wusste auch ich nun, dass jedes irdische Ding, auch das allerbanalste, als Hieroglyphe für etwas anderes zu lesen ist, und es gibt nichts Anderes, was so real ist wie der Große Plan. O ja, ich war schlau, mir genügte ein Blitz, ein Blick in einen Lichtstrahl, um zu begreifen. Ich ließ mich nicht narren.
... Fromentscher Motor: ein vertikales Gebilde auf rhomboidaler Basis, das ähnlich einer anatomischen Wachsfigur, die ihre künstlichen Rippen zur Schau stellt eine Reihe von Spindeln umschloss — was weiß ich, Spulen, Unterbrecher oder wie sie in den Fachbüchern heißen mögen —, bewegt von einem Transmissionsriemen, der über ein Zahnrad von einer Ritzelwelle getrieben wurde... Wozu mochte ein solcher Mechanismus gedient haben? Antwort: zum Messen der tellurischen Ströme, ganz klar.
Akkumulatoren. Was akkumulieren die? Nun, keine Frage, denken wir uns die Sechsunddreißig Unsichtbaren als ebenso viele beharrliche Sekretäre (Hüter des secretum), die nachts auf ihr Schreib-Cembalo hämmern, um ihm einen Ton zu entlocken, einen Funken, einen Anruf, eingespannt in einen Dialog von Küste zu Küste, von Abgrund zu Oberfläche, von Machu Picchu nach Avalon, zip zip zip, hallo hallo, Pamersiel Pamersiel, ich habe des Beben aufgefangen, die Strömung Mu 36, die die Brahmanen anbeteten als den bleichen Atem Gottes, jetzt stecke ich die Nadel rein, der mikro-makrokosmische Kreislauf ist aktiviert, unter der Kruste des Globus erzittern die Wurzeln der Mandragora, ich höre den Sphärenklang der Universalen Sympathie, over and out.
Mein Gott, die Armeen zogen mordend und sengend durch die Ebenen Europas, die Päpste schleuderten Bannstrahlen, die Kaiser trafen sich hämophilitisch und inzestuös im Jagdschlösschen der Palatinischen Gärten, alles nur, um eine Tarnung zu liefern, eine Prunkfassade für die Arbeit derer, die im Salomonischen Hause auf die schwachen Signale des Umbilicus Mundi lauschten.
Jawohl, sie waren hergekommen, um diese Maschinen in Gang zu setzen, diese pseudothermischen hexatetragrammatischen Elektrokapillatoren — wie Garamond sie genannt hätte —, und zwischendurch erfindet jemand, was weiß ich, ein Vakzin, oder eine Glühbirne, um das wunderbare Abenteuer der Metalle zu rechtfertigen, aber die Aufgabe war eine andere, sie alle versammelten sich hier um Mitternacht, um diese statische Maschine von Ducretet in Gang zu setzen, ein transparentes Rad, das aussieht wie ein Wehrgehänge, dahinter zwei tanzende Bällchen an zwei gebogenen Stäbchen, vielleicht, wenn man sie berührte, sprühten Funken heraus, Frankenstein hoffte, auf diese Weise seinen Golem beleben zu können, aber nein, das Signal, auf das er wartete, war ein anderes: such weiter, forsche, kombiniere, grab, grab, alter Maulwurf...