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Inzwischen hatten die drei Fox-Brüder sich gleichsam zusammengezogen, verkrampft hockten sie auf ihren Stühlen mit angestrengten, verzerrten Gesichtern, als wollten sie den Darm entleeren und könnten nicht, schwer atmend. Die Glut im Kohlebecken war schwächer geworden, und die Akolythen der Madame Olcott hatten alle am Boden stehenden Laternen gelöscht. Die Kirche wurde nur noch von matten Schein der Laternen im Langschiff erleuchtet.

Und langsam, Schritt für Schritt, ereignete sich das Wunder. Auf den Lippen von Theo Fox erschien etwas wie ein weißlicher Schaum, der sich zusehends verdeckte, und ein ähnlicher Schaum erschien mit leichter Verzögerung auf den Lippen seiner zwei Brüder.

»Gut, Brüder, weiter so«, raunte Madame Olcott ihnen ermunternd ins Ohr, »weiter, weiter, strengt euch an, ja, ja, so ist's gut!«

Die Derwische jaulten abgehackt und hysterisch, wackelten mit den Köpfen und drehten sich, stießen hektische Schreie aus, die dann röchelnd verklangen.

Die drei Medien schienen eine Substanz auszuschwitzen, die zuerst gasförmig war und dann immer dichter wurde, wie eine Lava, ein Eiweiß, das langsam körnig wird, der Schwaden stieg und fiel, strich ihnen um die Schultern, die Brust, die Beine, mit gewundenen Bewegungen, die an ein Reptil erinnerten. Ich begriff nicht, ob ihnen das Zeug aus den Poren kam, aus dem Mund, den Ohren oder den Augen. Die Menge drängte sich weiter vor, immer näher zu den drei Brüdern und den Heulenden Derwischen. Ich hatte alle Angst verloren: in der Gewissheit, nicht bemerkt zu werden, trat ich aus meinem Versteck hervor und setzte mich damit noch mehr den Dämpfen aus, die den Kirchenraum füllten.

Rings um die drei Medien lag jetzt ein milchiger Schein mit verschwimmenden Rändern. Die Substanz löste sich langsam von ihnen und nahm amöbenartige Formen an. Aus der Form, die vom ersten der drei Brüder ausging, löste sich eine Art Spitze, die sich hinunterbog und an seinem Körper wieder hinaufstieg, als wäre sie ein Tier, das mit dem Schnabel picken wollte. Vorn an der Spitze bildeten sich zwei Auswüchse, beweglich wie die Fühler einer Schnecke...

Die Derwische hatten die Augen geschlossen und den Mund voller Geifer, und so begannen sie nun, immer noch pirouettierend, im Kreise rings um das Pendel zu tanzen, soweit es der Platz erlaubte, wobei es ihnen wundersamerweise gelang, das schwingende Pendel nicht zu berühren. Immer rasender wirbelnd, warfen sie ihre Hüte fort, um lange schwarze Haare flattern zu lassen, während ihre Köpfe davonzufliegen schienen. Dazu stießen sie lang gezogene Schreie aus, wie damals in Rio, houu houu houuuuu...

Die weißen Gestalten wurden allmählich deutlicher, eine von ihnen nahm vage menschliche Züge an, die andere war noch ein Phallus, eine Flasche, ein Destillierkolben, die dritte verwandelte sich immer klarer zu einem Vogel, einer Eule mit großer Brille und aufgestellten Ohren, der Schnabel gekrümmt wie bei einer alten Naturkundelehrerin.

Madame Olcott befragte die erste Gestalt: »Kelley, bist du's?« Und aus der Gestalt kam eine Stimme. Es war sicher nicht Theo Fox, der da sprach, es war eine ferne Stimme, die mühsam hervorstieß: »Now... I do reveale... a mighty Secret, if you marke it well... «

»Ja, ja«, insistierte die Olcott. Und die Stimme: »This very place is call'd by many names... Earth... Earth is the lowest element of All... When thrice yee have turned this Wheele about... thus my greate Secret I have revealed... «

Theo Fox machte eine Handbewegung, als wollte er um Gnade bitten. »Entspanne dich ein wenig, aber halte es aufrecht«, sagte Madame Olcott zu ihm. Dann wandte sie sich an die Gestalt der Eule: »Du bist Khunrath, ich erkenne dich. Was willst du uns sagen?«

Die Eule schien zu sprechen: »Hallelu-ja... Hallelu-ja. Was...«

»Was?«

»Was helffen Fackeln, Licht... oder Briln... so die Leut nit... sehen... wollen...«

»Wir wollen ja«, sagte Madame Olcott. »Sag uns, was du weißt...«

»Symbolen kósmou... ta antra... kaí tōn enkosmíōn... dynámeōn etíthento... hoi theológoi...

Auch Leo Fox war mit seinen Kräften am Ende, die Stimme der Eule wurde immer schwächer. Leo beugte den Kopf zurück und hielt die Gestalt nur noch mühsam aufrecht, doch unerbittlich forderte Madame Olcott ihn zum Durchhalten auf und wandte sich an die dritte Gestalt, die nun ebenfalls anthropomorphe Züge angenommen hatte. »Saint-Germain, Saint-Germain, bist du's? Was weißt du?«

Die Gestalt begann eine Melodie anzustimmen. Mit einer Handbewegung gebot Madame Olcott den Musikern, ihren Lärm einzustellen, während die Derwische nicht mehr heulten, aber fortfuhren, immer matter zu pirouettieren.

Die Gestalt sang: »Gentle love this hour befriends me... «

»Du bist es, ja, ich erkenne dich«, sagte Madame Olcott ermunternd. »Sprich, sag uns, wo, was...«

Und die Gestalt: »Il était nuit... La tête couverte du voile de lin... j'arrive… je trouve un autel de fer, j’y place le rameau mystérieux... Oh, je crus descendre dans un abîme... des galeries composées de quartiers de pierre noire... mon voyage souterrain...«

»Fälschung, Fälschung!« schrie Agliè. »Brüder, ihr alle kennt diesen Text, er ist aus der Très Sainte Trinosophie, ich selbst habe das geschrieben, jeder kann's nachlesen, für bloß sechzig Francs!« Er rannte zu Geo Fox und schüttelte ihn am Arm.

»Hör auf, du Betrüger!« schrie Madame Olcott. »Du bringst ihn ja um.«

»Und wenn schon!« schrie Agile und kippte das Medium vom Stuhl.

Geo Fox versuchte, sich an seiner eigenen Sekretion festzuhalten, die er mit sich zu Boden riss, wo sie sich auflöste und zerfloss. Er wälzte sich in dem Geifer, den er weiterhin ausspie, bis er steif wurde und leblos dalag.

»Aufhören, Narr!« schrie Madame Olcott und packte Agliè am Arm. Dann zu den beiden anderen Brüdern: »Haltet durch, meine Kleinen, sie müssen noch einmal sprechen. Kunrath, Khunrath, sag's ihm, sag, dass ihr echt seid!«

Leo Fox versuchte, die Eule wieder einzusaugen, um zu überleben. Madame Olcott trat hinter ihn und presste die Finger an seine Schläfen, um ihn unter ihren Willen zu zwingen. Die Eule bemerkte, dass sie im Verschwinden begriffen war, und wandte sich gegen ihren Erzeuger: »Phy, Phy, Diabolos!« zischte sie und versuchte ihm die Augen auszuhacken. Leo Fox stieß einen erstickten Schrei aus, als hätte man ihm die Kehle durchgeschnitten, und fiel auf die Knie. Die Eule verschwand in einer widerwärtigen Schlickpfütze (pfuii, pfuiii, machte sie), Leo stürzte kopfüber in die Pfütze, erstickte darin und blieb reglos liegen. Die Olcott fuhr wütend zu Theo herum, der tapfer standgehalten hatte: »Sprich, Kelly! Hörst du mich?«

Kelley sagte nichts mehr. Er versuchte, sich von seinem Erzeuger abzulösen, der nun aufbrüllte, als würden ihm die Eingeweide herausgerissen, und mit den Händen ins Leere griff, um zurückzuholen, was er hervorgebracht hatte. »Kelley, denk an deine abgeschnittenen Ohren«, rief die Olcott, »hüte dich, noch einmal falsch zu spielen!« Aber Kelley, dem es nicht gelang, sich von Theo zu trennen, versuchte ihn jetzt zu ersticken. Er war zu einer Art riesigem Kaugummi geworden, den der letzte Fox-Bruder vergeblich abzuschütteln versuchte. Dann stürzte auch Theo zu Boden, hustete, vermischte sich langsam mit seinem Auswurf, der ihn verschlang, und wälzte sich zappelnd am Boden, als würde er von Flammen verzehrt. Das, was Kelley gewesen war, legte sich über ihn wie ein Schweißtuch, zerfloss dann und ließ ihn leblos am Boden liegen, die andere Hälfte seiner selbst, die Mumie eines von Salon einbalsamierten Kindes. Im selben Augenblick blieben die vier tanzenden Derwische urplötzlich stehen, rissen die Arme hoch, verharrten ein paar Sekunden so, um dann zusammenzubrechen, winselnd wie Welpen, und sich die Hände vors Gesicht zu schlagen.