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»Ich schon.«

»Der Dämliche ist Joachim Murat, der die Parade abnimmt und einen hochdekorierten Offizier aus Martinique erblickt. ›Vous êtes négre?‹ fragt er ihn. ›Oui, mon général‹, antwortet der Offizier. Und Murat: ›Bravo, bravo, continuez!‹ Weitermachen. Können Sie mir folgen? Entschuldigen Sie, aber heute Abend feiere ich eine historische Entscheidung in meinem Leben: Ich habe aufgehört zu trinken! Noch einen? Nein, antworten Sie nicht — Sie machen mir Schuldgefühle. Pilade!«

»Und der Dumme?«

»Ah. Der Dumme vertut sich nicht im Benehmen. Er vertut sich im Denken. Er ist der Typ, der sagt, alle Hunde sind Haustiere, und alle Hunde bellen, aber auch die Katzen sind Haustiere, und folglich bellen sie. Oder: Alle Athener sind sterblich, und alle Einwohner von Piräus sind sterblich, also sind alle Einwohner von Piräus Athener.«

»Stimmt ja auch.«

»Ja, aber nur aus Zufall. Der Dumme kann auch was Richtiges sagen, aber aus falschen Gründen.«

»Man kann auch was Falsches sagen, wenn nur die Gründe richtig sind.«

»Bei Gott! Wozu sonst die ganze Mühe, ein animal rationale zu sein?«

»Alle großen Menschenaffen stammen von niederen Formen des Lebens ab, die Menschen stammen von niederen Formen des Lebens ab, also sind alle Menschen große Affen.«

»Nicht schlecht. Wir sind schon auf der Schwelle, wo Sie zu ahnen beginnen, dass etwas nicht stimmt, aber es ist noch eine gewisse Arbeit nötig, um herauszufinden, was genau und warum. Der Dumme ist überaus heimtückisch. Den Dämlichen erkennt man sofort (ganz zu schweigen vom Idioten), aber der Dumme argumentiert fast genau wie man selber, es fehlt nur ein winziges Stückchen. Er ist ein Meister der Paralogismen. Vor ihm kann sich kein Verlagslektor retten, er bräuchte dafür eine Ewigkeit. Bücher von Dummen werden viele veröffentlicht, weil sie uns auf den ersten Blick überzeugen. Der Verlagslektor ist nicht gehalten, den Dummen zu erkennen. Die Akademie der Wissenschaften erkennt ihn nicht, warum sollten es die Verlagsleute tun?«

»Auch die Philosophie erkennt ihn nicht. Der Gottesbeweis des Anselm von Canterbury ist dumm: Gott muss existieren, weil ich ihn als ein Wesen denken kann, das alle Vollkommenheit besitzt, einschließlich der Existenz. Anselm verwechselt die Existenz im Denken mit der Existenz in der Realität.«

»Ja, aber dumm ist auch die Widerlegung von Gaunilo: Ich kann an eine Insel im Meer denken, auch wenn es diese Insel nicht gibt. Er verwechselt das Denken des Zufälligen mit dem Denken des Notwendigen.«

»Ein Kampf zwischen Dummen.«

»Sicher, und Gott amüsiert sich dabei wie närrisch. Er wollte bloß undenkbar sein, um zu demonstrieren, dass Anselm und Gaunilo dumm waren. Welch ein erhabenes Ziel für die Schöpfung, was sage ich, für den Willensakt, kraft dessen Gott sein wollte. Alles finalisiert auf die Anprangerung der kosmischen Dummheit.«

»Wir sind von Dummen umzingelt.«

»Man entgeht ihnen nicht. Alle sind dumm, außer Ihnen und mir. Oder sogar, ohne wen zu beleidigen, außer Ihnen.«

»Mir scheint, hier kommt Gödels Beweis ins Spiel.«

»Keine Ahnung, ich bin ein Idiot. Pilade!«

»He, das ist meine Runde.«

»Wir teilen's dann nachher. Der Kreter Epimenides sagt, alle Kreter sind Lügner. Wenn er das sagt, er, der ein Kreter ist und die Kreter kennt, muss es wahr sein.«

»Das ist dumm.«

»Das ist Paulus. Brief an Titus. Jetzt diesen: Alle, die denken, dass Epimenides ein Lügner ist, können sich nur auf die Kreter verlassen, aber die Kreter verlassen sich nicht auf die Kreter, weshalb kein Kreter denkt, dass Epimenides ein Lügner ist.«

»Das ist dumm, oder?«

»Urteilen Sie selbst. Ich hab's Ihnen ja gesagt — es ist schwierig, den Dummen zu erkennen. Ein Dummer kann auch den Nobelpreis kriegen.«

»Lassen Sie mich mal nachdenken ... Einige von denen, die nicht glauben, dass Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat, sind keine Fundamentalisten, aber einige Fundamentalisten glauben, dass Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat — also ist keiner, der nicht glaubt, dass Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat, ein Fundamentalist. Ist das jetzt dumm oder nicht?«

»Mein Gott, schwer zu sagen ... Ich weiß nicht. Was meinen Sie?«

»Es ist in jedem Fall dumm, auch wenn es wahr wäre. Es verletzt eine Regel des Syllogismus: Man kann keine allgemeinen Schlüsse aus zwei besonderen Fällen ableiten.«

»Und wenn Sie nun der Dumme wären?«

»Dann wäre ich in guter und säkularer Gesellschaft.«

»Da haben Sie recht, die Dummheit umgibt uns. Und vielleicht ist unsere Dummheit in einer anderen Logik als der unseren ihre Weisheit. Die ganze Geschichte der Logik besteht in der Definition eines akzeptablen Begriffs der Dummheit. Nichts zu machen, sie ist zu immens. Jeder große Denker ist eines anderen Dummer.«

»Das Denken als die kohärente Form der Dummheit.«

»Nein, die Dummheit eines Denkens ist die Inkohärenz eines anderen Denkens.«

»Tiefer Gedanke. Schon zwei, gleich macht Pilade zu, und wir sind noch nicht bei den Irren.«

»Bin schon da. Den Irren erkennt man sofort. Er ist ein Dummer, der sich nicht verstellen kann. Der Dumme versucht seine These zu beweisen, er hat eine schräge Logik, aber er hat eine. Der Irre dagegen kümmert sich nicht um Logik, er operiert mit Kurzschlüssen. Alles beweist für ihn alles. Der Irre hat eine fixe Idee und sieht sie durch alles, was er findet, bestätigt. Den Irren erkennt man an der Freiheit, die er sich gegenüber der Beweispflicht nimmt, an der Bereitschaft, überall Erleuchtungen zu finden. Und es mag Ihnen komisch vorkommen, aber der Irre zieht früher oder später immer die Templer aus dem Hut.«

»Immer?«

»Es gibt auch Irre ohne Templer, aber die mit Templern sind die gefährlichsten. Man erkennt sie nicht gleich, es scheint erst, als redeten sie ganz normal, dann aber, plötzlich ...« Er machte Anstalten, noch einen Whisky zu bestellen, überlegte sich's aber dann anders und bat um die Rechnung. »Apropos Templer, vorgestern kam ein Typ zu mir und hat mir ein Manuskript zum Thema gebracht. Ich glaube wirklich, er ist ein Irrer, aber mit menschlichem Antlitz. Das Manuskript fängt ganz harmlos an. Wollen sie mal einen Blick reinwerfen?«

»Gern. Vielleicht finde ich da irgendwas drin, was mir nützt.«

»Glaube ich kaum. Aber wenn Sie mal eine halbe Stunde Zeit haben, kommen Sie doch auf einen Sprung rüber. Via Sincero Renata eins. Wird mir mehr nützen als Ihnen. Sagen Sie mir gleich, ob Ihnen die Arbeit seriös vorkommt.«

»Wieso vertrauen Sie mir?«

»Wer sagt, dass ich Ihnen vertraue? Aber wenn Sie kommen, vertraue ich Ihnen. Ich vertraue der Neugier.«

Ein Student kam hereingestürmt mit verzerrtem Gesicht: »Genossen! Draußen sind die Faschisten im Anmarsch. Mit Fahrradketten!«

»Ich hau sie in Klump«, schrie der Typ mit Tatarenschnauzer, der mich wegen Lenin bedroht hatte.

»Los, Genossen!« Alle rannten hinaus.

»Was ist? Gehen wir nicht mit?« fragte ich schuldbewusst.

»Nein«, sagte Belbo. »Das sind Gerüchte, die Pilade in Umlauf setzt, um das Lokal leer zu kriegen. Für den ersten Abend, seit ich nicht mehr trinke, fühl ich mich ganz schön bedudelt. Müssen die Entzugserscheinungen sein. Alles, was ich Ihnen gesagt habe, bis zu diesem Moment inklusive, ist falsch. Gute Nacht, Casaubon.«

11

Seine Unfruchtbarkeit war unendlich: sie hatte teil an der Ekstase.

E. M. Cioran, Le mauvais démiurge, Paris, Gallimard, 1969 Erwürgte Gedanken«)

  Das Gespräch bei Pilade hatte mir Belbos Außenseite gezeigt. Ein guter Beobachter hätte den melancholischen Charakter seines Sarkasmus wahrnehmen können. Ich kann nicht behaupten, er sei eine Maske gewesen. Maske waren vielleicht die Vertraulichkeiten, zu denen er sich im geheimen hinreißen ließ. Sein öffentlich vorgezeigter Sarkasmus enthüllte im Grunde seine wahrste Melancholie, die er im geheimen vor sich selbst zu verbergen suchte, indem er sie mit einer manierierten Melancholie maskierte.