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Eric trat ans Mikrofon und drückte die Sprechtaste. »Hier Heinrich zwei Strich vier Strich vierundzwanzig. Achtung! Notstufe zwei. Benötige Verbindung über Hyperrelais. Stellt bitte Verbindung mit Überwachungszentrale her. Wir warten. Ende!«

Er ließ die Sprechtaste los, trat wieder ins Freie hinaus.

»Du blutest ja«, rief Sid, »komm ins Schiff, ich behandle dich.«

Er packte Eric beim Ärmel und zog ihn hinter sich her, um den Turm herum, dorthin, wo die Rakete in der magnetischen Schiene ankerte, über die ausgefahrene Leiter in die Toröffnung hinein, in den Hauptraum des kleinen Fahrzeugs, der nicht mehr als drei Meter im Durchmesser maß.

Eric ließ es mit sich geschehen. Als Reaktion auf das Erlebte überkam ihn eine lähmende Wunschlosigkeit. Ihm war, als sei seine Energie verbraucht, seine Kraftreserve vertropft und das letzte Quäntchen Wille aus ihm hinausgepumpt. Er kam sich vor wie eine Gummipuppe, wie ein hohler Abklatsch seiner selbst. Das einzige Gefühl, das ihm geblieben war, war ein spinnwebendünner Hauch von Verwunderung, der alles das umschloß, was er eben erlebt hatte. Er besaß kein Training im Heldentum und keinen selbstvernichtenden Ehrgeiz. Er hatte nichts Außergewöhnliches geleistet und war noch nie über sich selbst hinausgewachsen. Er hätte sich überhaupt nicht für fähig gehalten, eine solche Situation zu überstehen.

Ein Schmerz, als zöge ihm jemand die Haut vom Knie, ließ ihn zusammenzucken, dann machte sich die Wirkung der antiseptischen schmerzstillenden Lösung bemerkbar, mit der Sid seine Wunden wusch.

»Wo hast du dir das geholt?« fragte Sid.

Irgend etwas hatte ihn aufrechtgehalten, irgend etwas war über ihn gekommen, das er an sich noch nicht gekannt hatte. War es Gehorsam oder Lebenswille, Feigheit oder Mut? War es etwas Gewöhnliches, nur eben noch nicht Erlebtes, oder etwas Seltsames, Erschreckendes, etwas Erfreuliches oder etwas Böses? Er wußte von den Robotern, die in den Reihen der Pseudoskorpione Amok gelaufen waren, die die Eissperre der Suiziden durchbrochen hatten, die Schiffbrüchige aus Stichflammen und Explosionen herausgeholt hatten. Aber er war doch kein Roboter!

Die Eiweißschicht des plastischen Verbandmaterials, der in der Luft erstarrenden Flüssigkeit, mit dem Sid seine Abschürfungen verschlossen hatte, legte sich mild über seine geschundenen Körperstellen.

Habe ich richtig gehandelt? fragte er sich. Ich habe Erfolg gehabt. Ich habe das Bestmögliche aus der Situation herausgeholt. Ich habe die Information nicht vernichtet, sondern gerettet. Jetzt ist der Raum mit elektromagnetischen Impulsen durchsetzt, kilometerlangen Schlangen aus schwingenden Kräften, die kreuz und quer dahinflitzen, nebeneinander und gegeneinander, ganze Sterne von unsichtbaren Blitzen, die von zahlreichen Stationen hinausspringen, bis sie jenes freie Hyperrelais gefunden haben, das meine Informationen durch den endlosen interstellaren Raum schleusen wird. Ich habe Erfolg gehabt, dachte er noch einmal. Aber hat man nur Erfolg, wenn man richtig handelt? Und hat man richtig gehandelt, wenn man Erfolg hat?

»Alles in Ordnung, Alter«, sagte Sid.

Während seines Abenteuers hatte er keine Zeit gehabt zu überlegen. Er hatte gehandelt, ohne klar zu denken. Wenn er etwas falsch gemacht hatte – konnten sie ihn bestrafen?

»Sid«, fragte er, »habe ich etwas falsch gemacht?«

Er rief sich die Ereignisse ins Gedächtnis zurück und berichtete.

»Habe ich etwas falsch gemacht?« fragte er dann wieder.

Sid fuhr zusammen.

»Falsch gemacht«, ächzte er. »Es war Wahnsinn, hörst du: Wahnsinn, zurückzukehren. Und du bist noch stolz darauf, daß du entkommen bist! Wie willst du denn wissen, ob sie nicht längst dein Gedächtnis analysiert haben? Vielleicht sind sie schon auf dem Weg zur Hyperschleuse!«

»Aber ich habe das Gefühl, ich glaube nicht, daß sie –«

»Du hast Gefühle«, höhnte Sid. Aufgeregt stach er mit dem Zeigefinger in die Richtung Erics, als wollte er ihn durchbohren. »Was willst du denn der Zentrale berichten? Hast du es dir überlegt?«

Eric brummte etwas Unverständliches.

»Weißt du, was ich sollte? Ich sollte die Sache melden!«

»Das besorge ich selbst.«

»Sei nicht blöd, ich melde dich natürlich nicht, ich grabe mir doch nicht selbst das Grab.«

»Du glaubst, daß –«

»Wenn ich dich erschießen muß, bin ich hier festgenagelt – wir brauchen doch zwei Leute zum Start! Es bleibt uns nichts übrig, als...«

»... als was?«

»Wir verduften schleunigst, alle beide. Ich kenne nicht weit von hier einen Planeten, in zwei Jahren können wir dort sein, da tauchen wir unter. Wir werden uns...«

Er schwieg plötzlich. Beim Hin- und Herlaufen hatte er sich eben der Tür zugewandt. Dort stand ein Schatten, ein dunkler Kreis gegen die weißglänzende Aluminiumwand des Turmes.

»Ein Hyperrelais ist frei«, sagte Euklid.

Eric stand plötzlich in einem Raum ohne Inhalt und ohne Zeit. Es gab keine Beständigkeit und kein Sichändern. Er hing haltlos in der Einsamkeit und in der Leere, in einem endlosen Augenblick gefangen. Es gab nur sein Denken und die Frage, die darin dröhnte.

Und dann entschied er sich, und die seltsame Starre war gelöst.

Eric stemmte sich aus seinem Hocker hoch und sah den Kameraden an. – »Geht alles in Ordnung, Kleiner«, sagte er.

Er ging in den Funkraum hinüber, die Sprechtaste war schon hineingedrückt. Der Roboter schob sich neben ihn. Sid kam hinterdrein und lehnte sich an die Wand.

»Hier Eric Frost auf dem vierten Planeten von Heyse II, Wachtturm vierundzwanzig. Wir haben Anzeichen von fremdartigen Intelligenzen vorgefunden.«

Es dauerte zwölf Sekunden, bis Antwort kam. Die Entfernung bis zum Relais und vom Relais bis zur Erde betrug also drei Millionen Komma sechs Kilometer. Dazwischen lagen die unermeßlichen Strecken, die durch den Hyperraum überbrückt wurden.

»Hier Zentrale, Abteilung Cäsar neun. Berichte über die Umstände der Entdeckung.«

»Ich, Eric Frost, drang in den Korallenstock ein, dessen Emportauchen die Wachstation gemeldet hat. Ich – und der Informationsroboter. Auf einer Lichtung bemerkte ich ein Kind. Den Vorschriften gemäß schoß ich sofort. Es dürfte sich aber um keinen Realkörper gehandelt haben, eher um eine Projektion. Der Roboter meldete ihn nicht. Dagegen stellte er die typischen Wärmepulsationen von Organismen fest, etwa fünfzig Meter dahinter. Nach der Blasterentladung war vom Kind nichts mehr zu sehen, doch die Pulsationszentren begannen sich langsam zu nähern. Gemeinsam mit dem Roboter konnte ich entkommen.«

»War das Bild des Jungen deutlich oder verschwommen? War es schwarz-weiß oder farbig? Verschwand es nach dem Schuß augenblicklich oder allmählich?«

Eric blickte auf Euklid, der regungslos am Pult stand. Euklid weiß alles, was ich weiß, dachte er. Er weiß sogar mehr.

»Das Bild war deutlich, und es war farbig. Nach dem Schuß verschwand es im Nebel der Entladung.«

»Noch etwas zu bemerken?«

»Ich melde, daß mich Sid Rosselino zur Flucht von der Truppe überreden wollte.«

Hinter Eric ertönte ein Stammeln. »Eric, du hast mich... Wie konntest du das tun! Wie konntest du mich um Gottes willen –«

»Sei still, Kleiner«, sagte Eric. Er stand so, daß er beide, Sid und den Roboter, sehen konnte.

Die Pause dauerte wieder ihre zwölf Sekunden.

»Eric Frost und Sid Rosselino haben sich mit ihrer Rakete sofort zur Hauptstation der Sonne Smirnikoff zu begeben und sich dort bei der Hafenpolizei zu melden. Ende.«

Ein Knacken im Mikrofon, dann Stille. Eric schaltete den Sender aus. Er blieb so stehen, wie er stand. Sid war bleich, seine Lippen zuckten, seine dunklen Augen waren dunkler als sonst. Das Facettenauge Euklids glänzte matt.