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Bei diesem Anblick gewann Eric seine Kaltblütigkeit wieder zurück. Der Bann, unter dem er wie in einem Angsttraum durch die Gänge geirrt war, war gebrochen. Er sah wieder klar, hörte scharf und dachte logisch. Scharfe Kommandos erschollen von der Seite.

Eric ließ den Karton stehen und schlich einige Schritte vor – weit im Hintergrund des Korridors schob sich eine weiße Masse näher. Türen flogen auf und zu. Rufe erschollen – sie kämmten das Gebäude systematisch durch.

Eric lief zurück zum Lift – die Kabinen standen still. Er lief weiter zu den Treppen, hetzte eine Etage höher, einen Gang entlang... Auch dort schob sich der Keil näher. Sie drangen in jedes Zimmer ein, kontrollierten wahrscheinlich jeden Mann, jede Frau... Was tun?

Eric zog sich zurück und sah sich nach einem rettenden Strohhalm um. Er fand ein Schild mit der Aufschrift ›LESESAAL‹. Die Tür öffnete sich, als er seine Lochmarke in den Schlitz steckte.

Der Raum war fast menschenleer, nur hinten saß ein einzelner Mann vor einem Projektor; er sah nicht auf. Und der Raum war – gerade darauf hatte Eric gehofft – durch Dutzende von Regalen mit Mikrofilmen in Dutzende von Nischen und Durchgänge geteilt.

Eric wartete. Sein Herz schlug, seine Lippen zitterten, und er zwang sich, ruhig und tief zu atmen, um die Fassung wiederzugewinnen. Seine Situation erschien ihm traumhaft unwirklich – plötzlich erinnerte er sich, daß er dieses Gefühl schon einige Male gehabt hatte, nur hatte er damals daneben eine davon unabhängige, eigenständige Wahrheit geahnt, und jetzt war das Unglaubliche Wirklichkeit geworden. Diesmal gab es kein Erwachen.

Die Tür schob sich auf, einige Pfleger stürmten herein, verteilten sich im Raum... Eric lauerte hinter einem Schrank, plötzlich rannte er los, zwischen den Regalen durch, zu den Bildwerfern, auf den einsamen Bibliotheksbesucher zu. »Erkennungsmarke! Rasch bitte!«

Schon stand ein zweiter Mann neben Eric, er hielt eine Lochkartenprüfzange und einen Reliefabtaster in der Hand. Eric riß dem Leser die Marke aus den Fingern und reichte sie seinem Nachbarn. Dieser steckte die Marke in den Schlitz und drückte zu – kein Schnarren zeigte etwas Verdächtiges an.

»Die Hände bitte!«

Der Leser mußte den Daumenballen der rechten Hand auf die Molybdänmembran legen – und auch dieser Apparat blieb still.

»Wieder nichts!« rief der Anführer mit den Prüfgeräten. »War sonst noch jemand im Raum?«

»Niemand«, erwiderte Eric.

Die weißgekleideten Männer liefen aus dem Bibliotheksraum, Eric hielt sich etwas zurück und blieb schließlich in einer Nische stehen. Er wartete noch einige Minuten, dann verließ er den Leseraum. Die Flut war über ihn hinweggegangen.

Er rannte weiter durch Gänge und Korridore. Wieder erreichte er ein Fenster, diesmal auf der anderen Seite des Hauses, und er schaute hinaus. Auch dieser Front gegenüber stand die reglose Mauer schwarzgekleideter Polizisten. Das Metall ihrer Gewehre blinkte gefährlich.

Eric sah noch eine Weile hinunter. Dann drehte er sich entschlossen um und wandte sich zum Treppenhaus.

Die Nachricht von der Flucht Erics wirkte sich bei den Teilnehmern des Konzils sehr verschieden aus. Farmer schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie etwas Unzusammenhängendes. Bell lief wie eine Kugel zu einem Schalttäfelchen neben einem Fenster des Konferenzsaals und drückte auf einen roten Knopf. Graudenz öffnete den vollippigen Mund, seine Hand zog zittrige Spiralen über das Papier. Czerny trat auf den Pfleger zu und verlangte genaue Informationen. Janet beobachtete die anderen und sich selbst; verwundert konstatierte sie bei sich weder Abwehr noch Ärger, eher einen Anflug von Genugtuung.

Bell richtete sich auf, und seine Stimme ertönte hoch und schrilclass="underline" »Beruhigt euch – ich habe Alarm gegeben. Niemand kann das Haus verlassen. Alle Ausgänge sind gesperrt. Suchtrupps durchstreifen meine Klinik.«

»Kommt so etwas in deiner Klinik oft vor?« fragte Czerny, und betonte süffisant das Wort ›deiner‹.

»Nein, gewiß nicht...«, antwortete Bell, ein wenig aus der Fassung gebracht. »Seit ich hier tätig bin, ist nichts Derartiges passiert.« Und er fügte hinzu: »Eine staatliche Klinik ist schließlich keine Polizeistation.«

Czerny lachte höhnisch. »Ich werde mich etwas um die Organisation der Sicherheitseinrichtungen kümmern müssen.«

»Meine Herren«, mischte sich Farmer ein, »ich werde selbstverständlich veranlassen, daß dieses einmalige Vorkommnis untersucht wird. Aber jetzt fragt sich, ob wir uns in die Suchaktion irgendwie einschalten können. Wie steht es, Bell?«

Czerny lachte wieder. »Sollen wir mit den Pflegern durch die Gänge rennen? Ich verlasse mich lieber auf meine Ordnungstruppe.«

Er trat zum Telefon und wählte. »Hier Czerny... Zieh sofort alle Streifenmänner aus den umliegenden Distrikten vom Aufsichtsdienst ab. Sie sollen die Neuroklinik im zweihundertzweiundfünfzigsten Block umstellen. Gesucht wird Eric Frost, aus dem vierten Distrikt, sechsundsiebzigste Straße.. Erkennungsdaten sind in der Kartei... in Ordnung. Ende.«

Er zog die Bluse am Hals gerade, ging zu seinem Stuhl und setzte sich wieder. »Es gibt hier Vorschriften... wenn gefährliche Kranke auszubrechen versuchen... Wir kämmen alle Räume systematisch durch...«

»Also ist demnächst mit der Festnahme des Angeklagten zu rechnen. Bell, sorge dafür, daß wir hier auf dem laufenden bleiben! Ich bin dafür, wir setzen unsere Beratung fort. Trombe, wie ist es mit Punkt drei?«

Ohne die Ruhe ganz wiedergefunden zu haben, ließen sich die Teilnehmer des Konzils auf ihren Plätzen nieder.

»Frost sollte seine Meldung an eine zentrale Regierungsstelle durchgeben. Es war seine Pflicht, alles mitzuteilen, was vorgefallen war, insbesondere sein gesetzwidriges Verhalten, als er von den fremden Intelligenzen bedroht war, und den Versuch seines Kameraden, ihn zur Flucht zu überreden. Er hat sich entschlossen, alles wahrheitsgetreu zu berichten.«

»Gewiß hat er das.« Bell war ganz belehrende Freundlichkeit. »Seine Motive waren aber leider alles andere als lauter.«

Er suchte Janets Blick in seine Augen zu lenken, aber sie sah starr auf Farmer.

»Hören wir uns das Band mit dem Verhör an!« schlug dieser vor.

»Wozu?« fragte Czerny mürrisch.

Farmer lief rot an. »Hier herrscht Recht und Ordnung! Wir werden diese Verhandlung in einwandfreier Form zu Ende führen!«

Czerny verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, aber er sagte nichts.

Janet hatte die zu Punkt drei gehörige Ziffernkombination des Laufwerks notiert, und sie fand die betreffende Stelle sofort. Sie beugte den Kopf so tief über das Bandgerät, daß sich einzelne Strähnen aus ihrem, am Nacken mit einem Band zusammengehaltenen Haar lösten und ihr ins Gesicht fielen. Niemand sollte merken, wie sehr sie sich über sich selbst ärgerte.

Aus dem Lautsprecher tönte leises Rauschen.

Janet drückte die Wiedergabetaste, und die Rollen begannen sich zu drehen: »Eine schwierige Situation, Eric! Was wirst du tun?«

Schweigen.

»Denk gut darüber nach! Die Verbindung mit der Zentralregierung ist hergestellt. Was wirst du sagen?«

Schweigen.

»Du mußt dich entscheiden! Und du mußt antworten! Was wirst du tun?«

»Es ist schwierig... Ich weiß noch nicht... Ich muß mit einer schweren Strafe rechnen...«

»... weil du einen Befehl mißachtet hast. Ganz richtig!«

»... und ich müßte Sid anzeigen... und auch er...«

»Er würde noch strenger bestraft – früher nannte man das Fahnenflucht! Er wird noch länger als du eingesperrt – vielleicht lebenslänglich!«

»Aber das will ich nicht... Das darf doch nicht sein!«

»Also willst du keine Meldung erstatten? Oder willst du etwas Unwahres melden?«